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Wie Simulation die Energiewende steuerbar macht

Eine dezentrale Energieversorgung, flexible Verbraucher, erneuerbare Energiequellen, die voranschreitende Sektorenkopplung und der Ausbau von Energiespeichern machen  Energieversorgungssysteme komplexer. Die Digitalisierung, die in immer mehr Bereiche vordringt, ist ein wichtiger Befähiger, um die Komplexität dieses sich wandelnden Energiesystems zu beherrschen ,wie Lukas Lingitz und sein Team bei Fraunhofer Austria mit Hilfe eines simulationsbasierten Modelle für Energieversorgungssysteme zeigt.

Das Tool namens SimonE hilft dabei, einen Überblick über industrielle Energiesysteme und Fernwärmenetze mit verschiedenen Erzeugern und Verbrauchergruppen abzubilden. Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus (BMWET) geförderten Forschungsprojekts können Energieversorger so komplexe Szenarien in Zukunft realistisch bewerten und steuern.

Digital, flexibel, effizient 

“Das Energiesystem der Zukunft ist digital, flexibel und effizient", sagt Lukas Lingitz, Geschäftsbereichsleiter bei Fraunhofer Austria. Studien zeigen, dass der Netzausbau durch die Digitalisierung des Energiesystems deutlich reduziert werden kann. Da Strom aus Sonne und Wind nicht immer in der gleichen Menge verfügbar ist, verlangt das Energiesystem der Zukunft aber auch mehr Flexibilität. 

Deshalb braucht es auch mehr Komponenten, wie zum Beispiel Speicher und Vernetzung. Dies sorgt dafür, dass das Energiesystem komplexer wird. Das bedeutet, es braucht einen  besseren Überblick und eine bessere Reaktionsfähigkeit. Genau hier setzt SimonE, was für Simulierte Energieversorgungssysteme steht, an.  Dabei handelt es sich vereinfacht gesagt um digitale Zwillinge von Energieversorgungssystemen. “Mit dem digitalen Modell können wir die Komplexität abbilden und eine Art Fahrplanoptimierung machen”, so Lingitz. Das soll auch dazu führen, dass man die Energie effizienter nutzen kann. 

Wurzeln in der Produktionssimulation 

“Wir beschäftigen uns seit 10 Jahren mit dem Thema Energieeffizienz in der produzierenden Industrie”, betont Lingitz. Dabei geht es darum, möglichst effizient zu produzieren, um die eingesetzte Energie optimal zu nutzen und beispielsweise Kosten einzusparen. 

Ein Beispiel dafür ist eine industrielle Bäckerei. Dort gibt es viele Wärmeprozesse und würde man alle gleichzeitig starten, kommt es zu hohen Spitzen-Verbräuchen. “Durch intelligente Planung haben wir die Produktionen so geglättet, dass wir möglichst nicht über gewisse Schwellenwerte kommen. Das kann nämlich sehr teuer werden. Gleichzeitig konnten wir auch die Termintreue und die Auslastung verbessern”, sagt Lingitz. 

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Effizienz im Energiesektor 

Diese intelligente Planung braucht es auch im Energiesektor. Dort bedeutet Effizienz beispielsweise, dass man Energie verfügbar macht, wenn sie benötigt wird. Es gibt dafür einige Hebel, um dieses Ziel zu erreichen. Ein Beispiel sind Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Also Systeme, wo nicht nur Wärme, sondern auch Strom zur Verfügung gestellt werden können. 

“Hier hat man gewisse Regelungsmöglichkeiten. So kann beispielsweise je nach Bedarf mehr Wärme oder mehr Strom erzeugt werden”, erklärt Lingitz. Der Vorteil dabei sei, dass man Strom relativ schnell erzeugen kann. Hat man aber keinen Speicher, muss dieser auch sofort verbraucht werden. 

“Beim Fernwärmenetz hat man eine gewisse Trägheit. Es dauert also, bis man es hochgefahren hat. Diese Trägheit kann man nutzen”, betont Lingitz. Beispielsweise indem man in der Nacht, wo die meisten Leute schlafen und wenig Strom verbrauchen, Wärme in das Fernwärmenetz leitet. Das führt dazu, dass wenn die Leute in der Früh aufstehen und Toaster oder Kaffeemaschinen benutzen, mehr Strom erzeugt werden kann und die Wohnungen dennoch warm bleiben. 

Automatische Optimierung mit digitalen Zwillingen 

“Es geht also darum, Energie dort bereit zu stellen, wo wir sie brauchen”, sagt Lingitz. Diese Regelung wird aktuell bei vielen Anlagen auf Basis von Erfahrungen von Menschen durchgeführt. “Da hat jeder so seine Präferenz, seine Erfahrungen und sein Wissen. Entscheidungen sind deshalb nicht immer quantifizierbar”, erklärt Lingitz. 

Mit SimonE können Kraftwerksbetreiber aber einen digitalen Zwilling des eigenen Energieversorgungssystems aufbauen. Der große Vorteil davon ist, dass man diesen gewisse Ziele und Rahmenbedingungen vorgeben kann. Auf dieser Basis kann das System automatisch eine Optimierung durchführen und die bestmögliche Lösung berechnen. 

“Menschen, die das System bedienen, haben dann eher den Job, sich zu überlegen, welche Ziele aktuell am wichtigsten sind”, sagt Lingitz. Das Tool kann auch von produzierenden Industriebetrieben genutzt werden. “In Zukunft wollen wir es auch für Energiegemeinschaften weiterentwickeln”, so der Energieexperte. 

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Hürden und Herausforderungen 

Damit das möglich ist, braucht es aber eine Datengrundlage. “Diese Daten müssen gesammelt werden, was bedeutet, wir müssen verstehen, welche Energiebedarfe überhaupt benötigt werden. Und das ist gar nicht so einfach, weil dieser Prozess von vielen Parametern abhängt”, erklärt Lingitz. 

Damit meint er zum Beispiel, den Wochentag, die Ferienzeit, das Wetter, oder ob es sich um Häuser und Wohnungen mit gemeinschaftlichen Energieerzeugungsanlagen handelt. Letztere können sich zum Teil auch selbst erhalten, was den Erzeugungsbedarf reduziert. 

“Wir betrachten in den Simulationen aber nicht jede Sekunde, sondern nur die Momente, in denen sich etwas verändert. Das ist eine sehr effiziente Art der Simulation und eine Neuerung im Vergleich zu bestehenden Systemen”, so Lingitz. Es wird also nicht jede physikalische Komponente in Echtzeit nachgebildet, sondern das System vereinfacht dargestellt. “Trotz dieser Vereinfachung brauchen wir eine gewisse Genauigkeit. Bilden wir beispielsweise ein Wärmenetz zu ungenau ab, kann es passieren, dass eine Wohnung kalt bleibt”, erklärt der Experte von Fraunhofer Austria. 

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Weniger CO2 und niedrigere Kosten 

Mittlerweile arbeitet das Fraunhofer Austria Team schon an SimonE 3. Damit soll die Vielschichtigkeit des gesamten Energiesystems beherrschbar und dieses optimiert werden. Beispielsweise durch die Kopplung verschiedener Sektoren, wie Strom, Wärme, Biogas oder Müllverbrennung. 

Dadurch können dann auch CO2-Emissionen reduziert und die Kosten für Energieerzeugung und Netzausbau verringert werden. Ermöglicht wurde diese Forschung durch die finanzielle Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus (BMWET). Die Förderung schuf den Rahmen dafür, die algorithmische Lösung in der Praxis zu testen und ihre wirtschaftliche Anwendbarkeit für Produktionsunternehmen nachzuweisen.

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft, Energie und Tourismus.

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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