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Sauberer Strom: Wieso kleben wir nicht alles mit Solarfolien voll?

Man stelle sich eine Welt vor, in der beinahe alles Solarstrom erzeugen kann. Ein E-Auto lädt sich während der Fahrt selbst auf, Sensoren benötigen keine Batterie mehr und die Hausmauer produziert Strom, sobald die Sonne darauf fällt. Mit Solarfolien könnte diese Vorstellung Realität werden. Die flexiblen Folien können an verschiedene Oberflächen geklebt werden und produzieren auch dort Strom, wo “normale” PV-Module nicht möglich sind. An solchen Folien wird intensiv geforscht, es gibt aber noch einige Hürden zu überwinden.

Insgesamt gibt es einige Methoden, um Solarfolien herzustellen. Hauchdünne Silizium-Schichten werden etwa auf ein Trägermaterial aufgedampft. Das ist preiswert und wird schon vielerorts eingesetzt - etwa bei solarbetriebenen Taschenrechnern. Solche Dünnschichtsolarzellen sind allerdings nicht besonders effizient, sie wandeln nur 5 bis 6 Prozent des Sonnenlichts in elektrischen Strom um. Das reicht für einen Taschenrechner zwar aus, viel Energie gewinnt man dadurch allerdings nicht.

Andere Halbleiter nötig

Andere Halbleiter, das Herzstück einer Solarzelle, sind vielversprechender. Ein Verbund aus Kupfer, Zink, Zinn, Schwefel und Selen etwa (CZTS-Zellen). Oder Solarzellen aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS). Auch organische Solarzellen, bei denen die Halbleiter aus Kohlenwasserstoffverbindungen bestehen, sind nur Bruchteile eines Millimeters dick und können bis zu einem gewissen Grad gebogen werden. Letztere erreichen einen Wirkungsgrad von knapp unter 10 Prozent, die anderen liegen zwischen 10 und 20 Prozent. Zum Vergleich: Herkömmliche Photovoltaikanlagen am Dach erreichen mittlerweile Wirkungsgrade von 20 bis 25 Prozent, im Labor erreicht man sogar noch deutlich höhere Energieausbeuten.

Die geringen Wirkungsgrade sollen allerdings durch andere Vorteile aufgewogen werden. Flexibilität wäre ein solcher Vorteil. Die Solarmodule müssen nicht mehr an geraden Flächen aufgebracht werden, sondern können sich an verschiedene Formen anschmiegen. Ein weiterer Pluspunkt ist das geringe Gewicht. 15 bis 20 Kilogramm wiegen konventionelle Photovoltaik-Module pro Quadratmeter, bei Folien sind es nur einige Hundert Gramm bis wenige Kilo. Auch die Installation ist einfacher. Einfach ausrollen, ankleben, verkabeln und fertig. Ein teurer Unterbau entfällt, da die Folien direkt auf das Objekt geklebt werden können - sei es ein Auto, eine Markise oder eine Fassade.

Vorteile von Solarfolien

Photovoltaik-Folien sind auch besser gegen Hitze gewappnet. PV-Zellen fühlen sich bei niedrigen Temperaturen nämlich am wohlsten, mit jedem Grad sinkt die Effizienz bei der Stromerzeugung. Dieser sogenannte Temperaturkoeffizient ist bei Folien aus CZTS oder organischen Halbleitern deutlich geringer als bei herkömmlichen Modulen. Verglichen mit diesen sind Solarfolien zudem umweltfreundlicher. Bei der Herstellung wird weitaus weniger CO2 ausgestoßen als bei herkömmlichen Siliziumzellen gleicher Leistung. Das liegt vor allem daran, dass weniger Materialien und seltene Erden für die Produktion benötigt werden.

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Die Herstellung dieser Solarfolien ist allerdings bisher nicht ganz ausgereift. Das deutsche Unternehmen Heliatek ist weltweit eine der wenigen Firmen, die dünne, organische Solarzellen für Gebäude herstellt. Seit 2021 ist die Herstellung in Dresden voll funktionsfähig, nun wolle man die Produktion von Jahr zu Jahr ausweiten, wie ein Unternehmenssprecher Stephan Kube der futurezone verrät.

Der Fertigungsprozess passiert Rolle zu Rolle.

“Es ist eine neue Technologie und es gibt niemanden, der so weit ist wie wir”, sagt Kube. Im Fokus stehen vor allem alte Industriegebäude, die viele Dach- und Fassadenflächen besitzen, aber bei denen aufgrund von Gewichts- oder Untergrundbeschränkungen zum Teil keine konventionellen Solarlösungen eingesetzt werden können. Ein Kunde ist etwa Samsung, der am Samsung Advanced Institute of Technology in Südkorea 700 Folien montieren ließ.

Heliatek bietet die Folie allerdings noch nicht für Privatkund*innen an, plant dies allerdings für die Zukunft. "Die Nachfrage und der Markt für unsere Folien auf kommerziellen Gebäuden ist für uns riesig und unsere Folien passen mit ihren Vorteilen dort besonders gut", sagt Kube. Auch bei Unternehmen müsse man manche Anfragen ablehnen, denn die Folie eignet sich nicht für alle Anwendungen. Ein Problem von organischen Solarzellen ist nämlich, dass sie empfindlich gegenüber Sauerstoff sind, die Herstellung erfolgt in Vakuumkammern. Erst nachdem die Folie zweifach versiegelt ist (man spricht hier von Verkapselung), kann sie verwendet werden. Ein Kratzer mit einem Steinchen oder ein Vogel kann diese Versiegelung beschädigen, was sich negativ auf die Effizienz der Folien auswirkt.

Momentan sei die Folie von Heliatek auch noch sehr teuer. 150-200 Euro kosten 0,9 Quadratmeter, die eine Maximalleistung von etwa 50-55 Watt liefert. Starre PV-Module kosten nur geringfügig mehr, liefern aber etwa 200 Watt pro Quadratmeter. “Es ist nicht so, dass es sich von selbst verkauft”, meint Kube. "Die Folien sind aktuell noch recht teuer, aber wir arbeiten mit Hochdruck dran, sie günstiger und leistungsfähiger zu machen. Wichtig dafür ist die Skalierung mit höheren Stückzahlen." sagt Kube. "Die Technologie hat noch viel Entwicklungspotenzial, das wir dazu nutzen wollen, noch wettbewerbsfähiger und attraktiver zu werden."

"Miniproduktion" in Tirol

Etwas besser ist der Wirkungsgrad bereits bei CIGS-Zellen, wie sie von “Sunplugged” in Tirol hergestellt werden. Eigentlich wollte Gründer Andreas Zimmermann vor 12 Jahren Leichtmodule für mobile Anwendungen wie etwa Kühltransporter entwickeln, angekommen ist er bei Solarfolien, die je nach Anwendung individuell hergestellt werden können. Mittlerweile ist man dabei, sich eine “Miniproduktion” in Tirol aufzubauen, Kleinserien sollen noch im Winter vom Band laufen. 120 Watt pro Quadratmeter erreicht Zimmermann bereits, bei einem Kostenpunkt von 100 bis 120 Euro pro Quadratmeter.

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Eine Solarfolie von Sunplugged.

Wie bei organischen Solarzellen wird der Halbleiter ebenfalls auf ein Trägermaterial (Edelstahlfolie) aufgedampft, in einem sogenannten “Rolle zu Rolle”-Verfahren. Das bedeutet, dass das Trägermaterial von einer Rolle abgerollt, beschichtet und dann wieder zu einer Rolle aufgerollt wird. 10 Zentimeter einer 30 Zentimeter breiten Rolle schafft man bei Sunplugged in etwa pro Minute. Doch der CIGS-Prozess hat noch seine Tücken. Man müsse noch Kompromisse eingehen zwischen einem guten Wirkungsgrad und Defekten, die bei der Herstellung entstehen. Man arbeite aber daran. Ein Vorteil von CIGS-Zellen ist auch, dass sie viel resistenter gegenüber Sauerstoff sind. Ein Schutz vor Nässe reicht also aus, um die Module im Freien zu verbauen.

Solarfolien einfach drucken

Noch einen Schritt weiter will Dieter Meissner gehen. Der Chemiker beschäftigt sich seit den 1980er-Jahren mit pulverbasierten Solarzellen und will mit seiner in Wien gegründeten Firma Crystalsol den Photovoltaikmarkt revolutionieren. “Unser Ziel ist, dass wir deutlich billiger werden als herkömmliche Photovoltaik”, sagt er im Gespräch mit der futurezone. Sein Ansatz: Eine Halbleiterverbindung aus Kupfer, Zink, Zinn, Schwefel und Selen (CZTS) wird als einkristallines Pulver in eine Plastik-Grundschicht eingepresst. Das Ganze wird noch mit Kontakten ausgestattet und verkapselt und fertig ist die flexible Solarfolie. Momentan erreiche man Wirkungsgrade von etwa 10 Prozent, angestrebt ist das Doppelte. Den größten Vorteil sieht Meissner in der Produktion seiner Folien. Dafür können nämlich in der Industrie übliche Siebdruckanlagen verwendet werden. Auch CZTS-Zellen sind unempfindlich gegenüber Sauerstoff, Vakuumverfahren können vollständig vermieden werden. Das drückt den Preis.

Das Interesse an gebäudeintegrierter Photovoltaik ist laut Meissner allerdings bescheiden. “Immer wurde vorhergesagt, dass die Nachfrage stark steigen würde. Im Moment, in dem wir dringend viel Photovoltaikstrom brauchen, ist es allerdings einfacher, eine Freilandanlage hinzustellen, als sich um komplizierte Häuser zu kümmern.”

Meissner hofft, dass sich die Lage der gebäudeintegrierten Photovoltaik allerdings schnell ändert, wenn die neue EU-Gebäuderichtlinie umgesetzt wird. Diese besagt, dass alle Gebäude bis 2050 klimaneutral sein müssen. Für die Nachrüstung bestehender Gebäude mit Photovoltaik sind Solarfolien natürlich besonders interessant. Dabei wären die Anwendungsmöglichkeiten von solchen Folien nicht nur auf Architektur beschränkt. Crystalsol hat bereits Sonnenschirme und Rollos als Demonstratoren angefertigt. Auch die Herstellung von verschiedenfarbigen Solarfolien sei kein Problem.

Woran es vorrangig überall hapert, ist die Effizienz der Folien. Herkömmliche Photovoltaik-Module haben in Sachen Preis-Leistung weiterhin einen großen Vorsprung. Allein im Zeitraum zwischen 2011 und 2021 ist der Wirkungsgrad von PV-Modulen im Schnitt um 0,56 Prozent pro Jahr gestiegen. Damit Solarfolien da mithalten können, benötigt es Geld für die Erforschung und Weiterentwicklung. Gleichzeitig gibt es bereits Anbieter, die dünne monokristalline Siliziumwafer laminiert als "Folie" verkaufen. Deren Wirkungsgrad und Kosten sind mit herkömmlichen Modulen vergleichbar, die Flexibilität ist allerdings sehr eingeschränkt. Diese Module werden auch nicht im Rolle-zu-Rolle-Verfahren hergestellt - weil man sie eben nicht aufrollen kann.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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