Bakterien fressen CO2 und werden zu Bio-Beton
Aufgrund seiner großen Wandelbarkeit ist Beton aus Bauprojekten nicht wegzudenken. Allerdings entstehen bei der Herstellung des dafür benötigten Zements sehr viele Treibhausgasemissionen.
Unter großer Hitze wird dabei Kalkstein in sogenanntes Kalziumoxid umgewandelt und dadurch sehr viel CO2 freigesetzt. Für die hohen Temperaturen bis zu 1.450 Grad Celsius werden meistens fossile Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas verheizt, was ebenso CO2 freisetzt. Laut Schätzungen steigt der weltweite Bedarf an Zement weiter an, weil Länder wie Indien und China sehr viel mit Beton bauen.
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Forscher des deutschen Fraunhofer-Instituts haben nun eine Art von Bio-Beton auf Basis von Bakterien entwickelt, der komplett ohne Zement auskommt. Die entwickelte Methode hat einen weiteren Vorteil: Die verwendeten Organismen ernähren sich vom Klimasünder CO2 und binden es.
Grüne Urzeitlebewesen
Die Cyanobakterien, die auch als Blaugrünbakterien bekannt sind, leben in freier Natur auf der ganzen Welt. Oft besiedeln sie Süßwasser- und Feuchtböden, wie Moore. Aber auch im salzhaltigen Meerwasser, auf Baumrinden und sogar Gesteinsoberflächen leben die mikroskopisch kleinen Organismen.
Von der Fähigkeit der Cyanobakterien, Kalksteinstrukturen herzustellen, zeugen sogenannte Stromatolithen. Das sind poröse Sedimentgesteine, die man manchmal in Küstengewässern sieht. Ähnliche Fähigkeiten besitzen auch sogenannte Kieselalgen.
Den deutschen Forschern ist es gelungen, dass die Cyanobakterien dasselbe im Labor können. Im Reagenzglas stellen sie aus CO2, Stickstoff, Licht und Feuchtigkeit durch Photosynthese Kalksteinstrukturen her.
„Wir als Menschen nehmen beispielsweise Zucker zu uns, um zu wachsen und unseren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten. Diese Bakterien können das mit CO2 machen. Daraus bauen sie dann ihre Biomasse auf“, erklärt Georg Gübitz, Leiter des Instituts für Umweltbiotechnologie an der Universität für Bodenkultur Wien, der an ähnlichen Verfahren forscht.
Versteinerte Bakterien
Die Bakterien schwimmen zunächst in einer dunklen Umgebung in einer Mischung aus Sand, Kalzium und einem wässrigen Gel. Zusätzlich wird CO2 eingespeist, das die Bakterien verbrauchen.
Diese Bio-Mischung wird in lichtdurchlässige Formen eingefüllt. Durch das enthaltene Kalzium und die Lichtstrahlung sterben die Bakterien und die Mischung wird hart – in der Fachsprache nennt man das Mineralisierung.
Bei Bedarf können auch poröse Strukturen mit dieser Methode kreiert werden. „Der entstehende Festkörper ist während des Prozesses noch porös, so dringt Licht ins Innere ein und treibt die CO2-Fixierung durch Kalkstein-Mineralisierung voran. Durch Entzug von Licht und Feuchtigkeit oder durch Änderung der Temperatur stoppen wir den Prozess“, erklärt der leitende Forscher Matthias Ahlhelm. Übrig bleiben feste „Porensteine“. Diese Teile lassen sich beispielsweise als Ziegel oder Dämmmaterial verwenden.
Es sind weitere Anwendungen vorstellbar. Die flüssige Mischung kann auf bestehende Bauwerke angebracht werden, weil sie sich aufschäumen und aufsprühen lässt. Man könnte sie auch als Mörtel oder Fassadenputz einsetzen, oder eben direkt als Bio-Beton.
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Wirtschaftliche Machbarkeit fraglich
Die deutschen Forscher wollen ihre Erfindung zur Wirtschaftlichkeit weiterentwickeln. „Grundsätzlich macht das durchaus Sinn und ist ein spannender Prozess. Das Besondere ist sicher, dass die Forscher Cyanobakterien einsetzen, die CO2 verwerten können. Das ist interessant, weil man so den CO2-Ausstoß und die ganzen Klimafolgen vermeidet“, erklärt Gübitz.
Man könnte damit sicher Beton herstellen. „Allerdings wachsen diese Organismen nicht besonders schnell“, meint er und: „Die Frage ist, wie man zu einem gewinnbringenden Prozess kommt.“ Als Beispiel führt er an, dass es auch Versuche gebe, mit Cyanobakterien oder Algen, die ähnliche Fähigkeiten haben, Treibstoffe herzustellen. „Das funktioniert zwar, ist aber noch nicht kostenneutral.“
Beton ist allerdings billiger als Treibstoff, weshalb die Bio-Beton-Herstellung besonders günstig funktionieren müsse. Außerdem frage er sich, wo das Kalzium für eine großangelegte Produktion herkommen soll.
Gübitz und sein Team forschen ebenfalls zu biotechnologischen Baumaterialien, allerdings nutzen sie Holzabfälle als Basis: „Beton muss nicht immer die erste Wahl zum Bauen sein.“