Hoffnung für das Klima: Was ist "weißer Wasserstoff"?
Wasserstoff kommt in unterschiedlichen "Farben": Grüner Wasserstoff wird aus erneuerbarer Energie hergestellt, grauer Wasserstoff (der am häufigsten verwendet wird) wird aus Erdgas abgespalten, schwarzer Wasserstoff wird mit Kohlestrom hergestellt. Forscher*innen sind nun vermehrt auf der Suche nach "weißem" Wasserstoff, der natürlich in der Erdkruste vorkommt.
Erst im September wurde etwa in Ostfrankreich in unterirdisches Wasserstoffvorkommen gefunden. Eigentlich wollten die Forscher*innen bestimmen, wie viel Erdgas sich im Boden unter dem Lothringer Becken befindet. Je tiefer sie allerdings bohrten, desto mehr Wasserstoff war mit dem Methan (dem eigentlichen Erdgas) vermischt. In einer Tiefe von 3.000 Metern könnte der Anteil bei 90 Prozent liegen, schätzten die Forscher*innen.
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Natürlicher Wasserstoff als Mittel gegen die Klimaerwärmung
Weißer Wasserstoff - auch bekannt als "natürlicher", "goldener" oder "geologischer" Wasserstoff - wird von manchen als eine Art heiliger Gral als Mittel gegen die Klimaerwärmung angesehen. Bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht kein Treibhausgas, sondern nur Wasser, was ihn als potenzielle saubere Energiequelle für Branchen wie die Luftfahrt, die Schifffahrt und die Stahlerzeugung sehr attraktiv macht. All diese Branchen haben einen sehr hohen Energiebedarf, der sich durch erneuerbare Energien nur sehr schwer decken lässt.
Grüner Wasserstoff, der via Elektrolyse aus erneuerbarer Energie hergestellt wird, wäre eine Lösung. Die Produktion ist allerdings teuer, ein Kilo grüner Wasserstoff kostet laut CNN etwa zwischen 5 und 6 Euro. Weißer Wasserstoff ist hingegen zu einem Kilopreis von unter einem Euro zu haben.
Zufällige Entdeckung
Bis vor kurzem glaubten Wissenschaftler*innen, dass Wasserstoff natürlich nicht in nennenswerten Mengen unter der Erde vorkommt. Das änderte sich aber nach einem Vorfall im westafrikanischen Staat Mali. 1987 explodierte dort ein neu gegrabener Wasserbrunnen im Dorf Bourakébougou, als sich ein Arbeiter darüber eine Zigarette anzündete. Der Brunnen wurde schnell wieder verschlossen.
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Als er im Jahr 2011 von einem Öl- und Gasunternehmen wieder geöffnet wurde, fand man aber kein Erdgas, sondern zu 98 Prozent reinen Wasserstoff. Dieser wird seitdem verwendet, um das Dorf mit Strom zu versorgen. 2018 wurde eine Studie zu der Wasserstoffquelle in Bourakébougou veröffentlicht, was eine Art Goldgräberstimmung auslöste. Die Frage ist nur noch, wo sich weißer Wasserstoff finden lässt.
Die Farben des Wasserstoffs
Je nachdem, woher die Energie zur Herstellung des Wasserstoffs herkommt, erhält er im Sprachgebrauch eine andere "Farbe". Das sind die wichtigsten:
- "Weiß" bedeutet, dass Wasserstoff natürlich vorkommt und nicht produziert werden muss
- "Grün" bedeutet, dass der Wasserstoff aus erneuerbaren, sauberen Energien, wie Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft, durch Elektrolyse produziert wird
- Als "Grau" gilt jener, der aus Erdgas (Methan) hergestellt wird. CO2 ist ein Nebenprodukt dieses Vorgangs
- Eine Abstufung ist der "blaue" Wasserstoff. Hier wird das CO2 nicht in die Atmosphäre abgegeben, sondern mittels Carbon Capture and Storage-Technik (CCS) gespeichert und unterirdisch gelagert
- "Türkiser" Wasserstoff entsteht bei der sogenannten Methanpyrolyse. Ausgangsstoff ist ebenso Methan, bei der Herstellung entsteht aber fester Kohlenstoff (Kohle), der gelagert oder weiterverarbeitet werden kann
- "Schwarzer" Wasserstoff wird aus Kohlekraft gewonnen, "roter" Wasserstoff aus Atomkraft und „gelber“ aus dem Strommix des öffentlichen Netzes
In der Natur gibt es mehrere Prozesse, die Wasserstoff produzieren, aber es ist immer noch unklar, wo große Vorkommen entstehen können. Geologinnen konzentrierten sich bisher auf die sogenannte "Serpentinisierung". Dabei reagiert Wasser mit eisenhaltigem Gestein, wodurch Wasserstoff erzeugt wird. Eine andere Möglichkeit der Wasserstofferzeugung ist die "Radiolyse", bei dem der Stoff durch die Zersetzung von Wassermolekülen durch Strahlung entsteht.
Theorie und Realität
Schätzungen zufolge könnte es auf der Welt eine Billion Tonnen an weißen Wasserstoff geben. Mehr als genug, um den weltweiten Bedarf an Wasserstoff für Hunderte Jahre zu decken, selbst wenn der Übergang zu grüner Energie einen sprunghaften Anstieg der Wasserstoffnutzung auslösen sollte. Das meiste davon wird sich allerdings in sehr kleinen Ansammlungen befinden, tief unter dem Meer oder einfach zu tief, um wirtschaftlich gefördert werden zu können.
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Doch könnte auch nur ein kleiner Teil davon gefördert werden, ist das sehr lukrativ. Das australische Start-up Gold Hydrogen vermutet etwa in Südaustralien große Wasserstoffvorkommen, bis 2024 will man alle Tests und Probebohrungen abgeschlossen haben. Die von Bill Gates gegründete Investment-Firma Breakthrough Energy Ventures investiert in ein ähnliches Start-up in Denver, im US-Bundesstaat Nebraska führte ein anderes Start-up bereits 2019 Probebohrungen durch.
Die Herausforderung für diese Unternehmen wird darin bestehen, ihre Versprechen auch umzusetzen. Die Geschwindigkeit, mit der nach weißem Wasserstoff gesucht wird, ist allerdings entscheidend - denn je länger man dafür braucht, desto düsterer wird es für unser Klima aussehen.