Wie in hohen Gebäuden mit Schwerkraft Energie gespeichert werden kann
Auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Energieversorgung gibt es ein Hindernis, das immer noch nicht ausreichend bezwungen ist: das Speichern und kurzfristige Bereitstellen von Energie. Ein Forschungsteam der University of Waterloo in Kanada hat sich nun Hochhäuser als mögliche Stromerzeuger und „Batterien“ angesehen.
Die Idee ist simpel: Die Gebäude sollen durch PV-Anlagen an der Fassade sowie Windturbinen auf dem Dach besonders günstige Elektrizität erzeugen. Eine Kombination aus Hubspeicherkraftwerk und Lithium-Ionen-Batterien im Inneren soll diese dann speichern, sodass die Gebäude möglichst energieautark sind. In ihrer gerade veröffentlichten Studie zeigen die Forscher die optimale Zusammensetzung dieser Komponenten für verschiedene Gebäudeparameter auf.
Hubspeicherkraftwerk statt Lithium-Ionen-Akku
Heute geläufige Lithium-Ionen-Speicher haben einige Nachteile: sie sind teuer und nutzen sich ab. Außerdem sind sie feuergefährlich und die nötigen Rohstoffe häufig aus zwielichtigen Quellen. Das Forschungsteam der University of Waterloo beschäftigte sich daher mit dem Konzept des Hubspeicherkraftwerks.
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Dabei wird überschüssige elektrische Energie in potenzielle Gravitationsenergie umgewandelt, indem eine schwere Masse mithilfe eines Motors im Inneren des Gebäudes angehoben wird. Wird diese später – so ähnlich wie eine Aufzugskabine – wieder heruntergelassen, kann damit ein Generator angetrieben werden, der Strom erzeugt.
Lange Lebensdauer, geringe Energiedichte
Diese Art des Energiespeichers nutzt sich wenig ab und hat eine Lebensspanne von bis zu 50 Jahren – weit mehr als jede heutige Batterie. „Dieses Design ist technisch realisierbar und hat sich kürzlich auch kommerziell bewährt“, erklärt Muhammed A. Hassan, Erstautor der Studie, gegenüber PV Magazine. Er bezieht sich auf Projekte des britischen Unternehmens Gravitricity.
Es hat am Port of Leith in Edinburgh 2021 einen 15 Meter hohen Prototypen errichtet. Der Metallturm namens Gravistore enthält 2 Gewichte mit je 25 Tonnen, die über Stahlseile aufgehängt waren. Beim Herunterlassen wird Strom erzeugt. Über 3 Monate hinweg wurde die prinzipielle Machbarkeit bestätigt. Die Konstruktion ist vorrangig für alte Minenschächte gedacht.
Nachteile mit Lithium-Ionen-Akkus ausgleichen
Ohne Nachteile kommen Hubspeichertechnologien aber auch nicht aus: die Energiedichte liegt bei nur 0,1 bis 0,5 Wh/kg, Reibung sorgt für Energieverluste und die Konstruktionskosten können sehr hoch sein. Ein heute üblicher Lithium-Ionen-Akku hat um die 250 Wh/kg, ein Feststoffakku sogar rund doppelt so viel.
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Die Studienautoren schlagen daher eine Hybrid-Lösung vor. Wenn der Hubspeicher in einem Gebäude schon vollständig geladen ist, soll die überschüssige Energie in Lithium-Ionen-Akkus aufgefangen werden.
Mainstream-Anwendung frühestens in ein paar Jahren
Besonders in hohen Gebäuden mit mittlerem oder niedrigem jährlichen Energieverbrauch hätte so ein System großes Potenzial, finden die Forscher. Es lässt sich an die Gegebenheiten eines bestehenden Bauwerks anpassen und könne sich in 9 bis 17 Jahren amortisieren.
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„Die Herausforderung besteht darin, die Technik zu skalieren, wettbewerbsfähige Kapitalkosten zu sichern und es in Elektrizitätsnetze und Industrieumgebungen zu integrieren“, so Hassan gegenüber PV Magazine. Erst wenn Hubspeicherkraftwerke, wie er und sein Kollege sie vorschlagen, über ihre Lebensdauer hinweg bessere Leistung bringen als andere Speicheroptionen, würden sie so richtig am Markt akzeptiert werden. Die Mainstream-Anwendung in industrialisierten Ländern könnte seiner Einschätzung nach in den späten 2020er Jahren erfolgen – nachdem erste Pilotprojekte längerfristige Daten geliefert hätten.