KI entwickelt Viren, die Antibiotika ersetzen sollen
Alexander Flemings zufällige Entdeckung von Penicillin im Jahr 1928 sollte die Medizingeschichte verändern. Dank Antibiotika konnten gefährliche bakterielle Infektionen ab den 1940er Jahren gut behandelt werden.
Doch in den letzten 80 Jahren hat sich durch falschen oder übermäßigen Einsatz dieser Medikamente ein neues Problem ergeben: Antibiotikaresistenzen. Gewissen Bakterien können gängige Präparate nichts mehr anhaben – Infektionen drohen dadurch, wieder zum Todesurteil zu werden.
Eine mögliche Alternative für Antibiotika sind sogenannte Bakteriophagen. Das sind Viren, die auf Bakterien als Wirtszellen spezialisiert sind und diese außer Gefecht setzen können. Einem Forschungsteam der University of Stanford ist es nun gelungen, mithilfe von KI-Anwendungen Viren zu designen, die E. coli-Bakterien töten können, wie Nature berichtet.
Erstmals mit KI-Unterstützung Viren designt
„Das ist das erste Mal, dass KI-Systeme in der Lage sind, kohärente Sequenzen im Genom-Maßstab zu schreiben“, sagt Bio-Informatiker Brian Hie gegenüber Nature. Gemeinsam mit 7 Kolleginnen und Kollegen hat er vergangene Woche ein Preprint, also einen noch nicht von unabhängigen Forscherinnen und Forschern geprüften wissenschaftlichen Artikel, dazu veröffentlicht.
➤ Mehr lesen: "Wir treten in eine Post-Antibiotika-Ära ein"
Konkret nutzte das Team die Modelle Evo 1 und Evo 1, die DNA-, RNA- und Proteinsequenzen analysieren und erzeugen können. Sie wurden mit den Genomen von mehr als 2 Millionen Bakteriophagen trainiert.
Bakteriophagen gegen E. coli-Bakterien
Mithilfe der KI-Modelle generierten die Forscherinnen und Forscher dann Viren-Genome mit der spezifischen Fähigkeit, antibiotikaresistente E. coli-Bakterien infizieren zu können. Das natürlich auftretende Virus ΦX174 diente dabei als Vorlage. Aus den tausenden neuen Vorschlägen der KI ergaben sich 302 Bakteriophagen, die lebensfähig wären.
➤ Mehr lesen: Künstliches Blut soll Medizin revolutionieren
Anschließend stellte das Forschungsteam die von der KI-designten Bakteriophagen künstlich her. 16 davon zeigten in Experimenten, dass sie tatsächlich E. coli-Bakterien infizieren können. Mit Kombinationen verschiedener Bakteriophagen gelang es schließlich, 3 verschiedene E.coli-Stämme zu töten.
Vielversprechende, aber zweischneidige Therapie
Doch es gibt ethische Bedenken: Die Möglichkeit, mithilfe von KI-Systemen Viren zu designen, kann auch genutzt werden, um großen Schaden anzurichten – etwa, um eine neue Pandemie auszulösen. Als Sicherheitsmaßnahme haben die Forscherinnen und Forscher jene Viren, die Menschen schaden könnten, aus den Trainingsdaten entfernt. Auch die entstandenen Bakteriophagen seien nicht pathogen.
➤ Mehr lesen: Wie KI hilft, Krebs noch früher zu erkennen
Laut den Autorinnen und Autoren zeigen die Beispiele, dass KI-Systeme großes Potential in der Entwicklung neuer biotechnologischer Werkzeuge und Therapien gegen bakterielle Infektionen habe. „Hoffentlich kann eine solche Strategie bestehende Bakteriophagen-Therapie-Strategien ergänzen und eines Tages die Therapeutika zur Bekämpfung relevanter Krankheitserreger verbessern“, sagt Hie gegenüber Nature. Bis Bakteriophagen so zuverlässig und einfach eingesetzt werden können wie viele Antibiotikapräparate heute, wird es aber noch Jahre dauern.