So weit sind wir bei Quantentechnologie wirklich
Quantentechnologie hat bereits den Sprung aus dem Labor in die echte Welt geschafft. Laut einer neuen Übersichtsstudie im Fachmagazin Science dürfte es aber noch einige Zeit dauern, bis die Technologie allgegenwärtig ist. Sie vergleicht dabei Quantentechnologie mit dem frühen Computerzeitalter, als Transistoren die Elektronenröhren ablösten.
Bei der Studie war auch ein Forscher der Universität Innsbruck beteiligt. In dem Paper wurden mehrere Technologien betrachtet, die Quanteninformationen nutzen - von Quantencomputern über Netzwerke bis hin zu Sensoren. "Im Moment erinnert die Quantentechnologie an die Anfänge des Transistors", sagt Hauptautor David Awschalom von der University Chicago. "Die physikalischen Grundlagen sind etabliert, funktionsfähige Systeme existieren. Nun müssen wir die Partnerschaften und Anstrengungen fördern, um das volle Potenzial der Technologie auszuschöpfen."
➤ Mehr lesen: Handliches Quanten-Gerät könnte GPS ersetzen
6 Quantentechnologien unter der Lupe
Die Studie beschäftigt sich mit 6 Quantentechnologien: Supraleitende Qubits, gefangene Ionen, Spin-Defekte, supraleitende Quantenpunkte, neutrale Atome und optische photonische Qubits. Jedem dieser Felder ließen die Forscher von KI-Sprachmodellen wie ChatGPT und Gemini ein "Technology Readyness Level (TRL)" zwischen 1 und 9 zuweisen. Dieses beschreibt den Reifegrad der Technologie. Level 1 entspricht dabei der Beobachtung und Beschreibung des Funktionsprinzips im Labor, bei Level 9 wird die Technologie bereits erfolgreich im Alltag eingesetzt.
Die Resultate liefern laut den Forschern einen guten Überblick über die Entwicklungen in den einzelnen Feldern. Doch obwohl es bereits fortschrittliche Prototypen gibt, befindet sich die Leistung der Prototypen noch in der frühen Entwicklungsphase. "Während Halbleiterchips in den 1970er-Jahren bereits das TRL-9 erreicht haben, konnten sie sehr wenig im Vergleich mit heutigen Computerchips", sagt MIT-Professor William D. Oliver. "Ein hohes TRL bedeutet nicht, dass das Endziel erreicht wurde. Es bedeutet auch nicht, dass die Forschung abgeschlossen ist."
➤ Mehr lesen: Quanten-Industrie soll in Österreich Tausende Arbeitsplätze schaffen
Die höchsten Technology Readyness Level gingen an supraleitende Qubits für Quantencomputer, neutrale Atome für Quantensimulationen, photonische Qubits für Quantennetzwerke und Spin-Defekte für Quantensensoren. Laut den Forschern gebe es aber mehrere Herausforderungen, die überwindet werden müssen, um die Technologie alltagsreif zu machen. Fortschritte in der Materialforschung und der Herstellung sind nötig, um Geräte herzustellen, die kostengünstig in Masse hergestellt werden können.
Signalübertragung als Flaschenhals
Die Signalübertragung bleibt ein zentraler Flaschenhals: Die meisten Quantenplattformen benötigen individuelle Leitungen für die einzelnen Qubits. Das ist aber nicht möglich, wenn die Anzahl der Qubits in die Millionen geht. Ähnliche Probleme hatte man bereits in den 1960er-Jahren mit den ersten Computern. Jede Computerkomponente musste damals mit vielen anderen Komponenten händisch verdrahtet und verlötet werden, was unglaublich aufwändig war. Integrierte Schaltkreise konnten dieses Problem lösen.
Auch die Stromversorgung, Temperaturkontrolle, Kalibration und Steuerung der Systeme bergen Herausforderungen, die es in der Zukunft zu lösen gilt. Die Studie verbindet diese Herausforderungen ebenso mit der Geschichte des Computers. Die meisten Entwicklungen in diesem Bereich - von der Einführung der Lithographie zur Computerchipherstellung bis hin zu neuen Transistormaterialien - benötigten Jahre bis Jahrzehnte, um den Schritt hin zum industriellen Einsatz zu schaffen.
Laut den Studienautoren werde es in Quantentechnologien ebenso lange dauern. "Geduld ist das Schlüsselelement bei vielen bahnbrechenden Entwicklungen", schreiben sie. Umso wichtiger sei es, realistische Zeiterwartungen zu haben.