Science

Rakete schlägt auf Mond ein: Der Entdecker im Interview

In wenigen Tagen wird auf dem Mond eine Premiere stattfinden: Erstmals wird ein menschgemachtes Objekt versehentlich dort aufschlagen und einen neuen Krater schaffen. Entdeckt hat das Objekt ein Mann aus dem US-Bundestaat Maine: Bill Gray. Er ist Astronom, Physiker und Programmierer. 1996 begann er mit "Project Pluto", eine Software zum Finden, Tracken und Berechnen von Himmelskörpern, zu veröffentlichen. Sie wird bis heute von Profis und Amateuren auf der ganzen Welt genutzt.

Zunächst dachte Gray, dass es sich um einen Booster von SpaceX handelt, der 2015 für die NASA den Wettersatelliten DSCOVR ins All brachte. Später korrigierte er sich und fand heraus, dass es in Wahrheit Teil einer chinesischen Langer-Marsch-3-C-Rakete (futurezone berichtete) ist. Die chinesische Regierung zweifelt das allerdings noch an

Die futurezone hat mit Gray gesprochen.

futurezone: Hast du geglaubt, dass deine Entdeckung solche Wellen schlagen wird?
Bill Gray: Nein, ich habe wirklich unterschätzt, wie viel Aufmerksamkeit alles erhält, was mit SpaceX zu tun hat. Und das Drama, dass ich ganz plötzlich und unangenehmerweise mein Statement dazu zurückziehen musste - damit habe ich nicht gerechnet.

Es ist erstaunlich, dass man solche kleinen Objekte überhaupt findet. Wie funktioniert das?
Bei der Asteroiden-Beobachtung nehmen Teleskope mehrere Bilder des Nachthimmels auf. Dann wird nachgesehen, ob sich etwas bewegt hat und man bestimmt die Bewegungskurve. Man findet entweder heraus, dass das Objekt schon bekannt ist und die Daten über dessen Flugbahn werden angepasst. Oder man entdeckt etwas ganz neues. Die Daten werden dann an das Minor Planet Center übermittelt und jemand wie ich kann den Orbit berechnen. Ich suche vor allem nach Objekten, deren Flugbahn sie nah an die Erde bringt, wo sie gefährlich werden könnten. 

Aber woher weiß man so genau, von welcher Rakete das stammt?
Der erste Hinweis ist immer der Orbit. Ich habe es im März 2015 gefunden und gesehen, dass es einen Monat zuvor nah am Mond vorbeigeflogen ist. Das ist typisch für Raumschiffe, wenn sie gerade gestartet sind. Da 2 Tage vor dem Vorbeiflug am Mond der DSCOVR-Start stattgefunden hat, dachten wir: Es ist entweder DSCOVR oder der DSCOVR-Booster. Das musste ich dann wieder zurücknehmen.

Bill Gray sucht seit 20 Jahren den Nachthimmel nach Objekten ab

Muss man dafür alle Raketenstarts von Hand durchgehen, bis der passende gefunden ist?
Das klingt schlimmer als es ist. In dieser Zeit wurde viel in den Low Earth Orbit (bis 2.000 Kilometer Höhe, Anm. d. Red.) geschossen, das konnte ich direkt von meiner Liste streichen. Ich bin jetzt erneut die Liste für Starts in einen höheren Orbit durchgegangen und schon der erste war ein erstaunlich genauer Treffer, Chang'e 5T-1. Im Nachhinein habe ich auch erkannt, dass mir das schon damals hätte auffallen müssen, hätte ich ein bisschen genauer hingesehen.

Das klingt nach Detektivarbeit.
Ja, das Identifizieren von Objekten und herausfinden, was gerade los ist ist schon Detektivarbeit. Vor allem bei den chinesischen Missionen, denn darüber gibt es nur wenige Informationen. Das ist einerseits nervig, weil wir nicht wissen, wo wir hinschauen müssen. Andererseits gegen sie uns ein Puzzle, das wir lösen müssen.

Wir können den Einschlag im März ja leider nicht sehen. Wird es zumindest Bilder geben? 
Ja, es gibt derzeit zwei Sonden, die den Einschlagkrater aufnehmen können, Chandrayaan 2 und der Lunar Reconnaissance Orbiter. Sie haben unterschiedliche Instrumente und werde beide hoffentlich sehr interessante Bilder liefern. Sie überfliegen die Stelle alle 29 Tage, also kann es sein, dass wir ein bisschen auf die Bilder warten müssen.

Dafür hast du Software geschrieben, mit denen solche Objekte gefunden werden können. Ist es hilfreich, wenn Astronom*innen auch programmieren können?
Ja, das ist inzwischen sehr verbreitet, dass sie zumindest rudimentäre Kenntnisse im Coden haben. Meine Software ist aber die meistgenutzte derzeit, weil ich sie so nutzerfreundlich gemacht habe. Jeder Astronom kann sie verwenden, ohne sich mit Programmierung auskennen zu müssen.

Was hat dich dazu motiviert? 
Ich liebe Astronomie, Computer und Mathematik. Herauszufinden, welche Flugbahn Himmelskörper haben ist ein mathematisches Problem. Das zu lösen war sehr reizvoll für mich.

Es muss ein offizielles Tracking-System geben und nicht einen Typ, der sich darum in seiner Freizeit kümmert.

Bill Gray

Werden wir in Zukunft noch viel häufiger solche Nachrichten von höher, bei der der Menge an Raketenstars?
Ich mache das jetzt sei etwa 20 Jahren neben meinem normalen Job als Programmiere für die Asteroiden-Observation. Aber ich komme jetzt an einen Punkt, in dem ich das nicht mehr machen kann. Ich wundere mich selbst, dass ich immer noch der einzige Bin, der Raketenteile trackt. Es muss ein offizielles Tracking-System geben und nicht einen Typ, der sich darum in seiner Freizeit kümmert. In Anbetracht der Menge an Zeug, das sich dort oben befindet, sollten sich die Leute, die die Objekte hoch schießen auch darum kümmern. Also wissen, wo sie sind, und einen Plan haben, wie man sie entsorgen kann.

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

mehr lesen