Wie klimafreundlich Tiny Houses sind
Die Durchschnittsgröße eines Hauptwohnsitzes in Österreich beträgt derzeit 99,9 Quadratmeter. Wer in einem Einfamilienhaus lebt, hat meist wesentlich mehr Fläche zur Verfügung. Während es hier in den vergangenen Jahrzehnten eine ständige Steigerung gegeben hat, gibt es auch Menschen, die in einem „Tiny House“ wohnen wollen.
Die winzigen Häuschen bieten meist unter 40 Quadratmeter Wohnfläche und zwingen ihre Bewohner*innen in vielen Lebensbereichen zur Beschränkung auf das Wesentliche. Als Alternative zu Konsumrausch und Materialismus findet die Tiny-House-Bewegung immer mehr Anhänger*innen. Die minimalistische Wohnform wird als besonders umweltfreundlich und nachhaltig gesehen. Aber ist sie wirklich gut für das Klima?
Weniger Einkäufe
Die Forscherin Maria Saxton hat für eine Studie 80 Tiny Houses in den USA untersucht. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Bewohner*innen nach einem Umzug in ein kleines Häuschen ihren Energieverbrauch im Schnitt um 45 Prozent reduzieren. Außerdem pflanzen sie häufiger eigene Lebensmittel im Garten an, kaufen weniger ein und produzieren weniger Müll. Weil sie weniger Lagermöglichkeiten haben, kaufen sie auch öfter lokal ein.
„Dieser philosophische Ansatz ‚Wie viel Wohnfläche braucht der Mensch?‘ ist gut“, meint Martin Aichholzer vom Büro MAGK Architekten, der an der FH Campus Wien den Studiengang Architektur - Green Building leitet. Dass Menschen beschließen, ihren Hauptwohnsitz in ein Tiny House zu verlegen und einen nachhaltigen Lebensstil anzunehmen, sei begrüßenswert. „Es ist nur keine Lösung für die große Masse.“
Einsamer Pinguin
Betrachte man den Lebenszyklus eines Tiny House, so zeigen sich klare Nachteile. „Tiny Houses haben ein kleines Volumen und sind schwer zu dämmen“, meint Aichholzer. „Das ist wie bei Pinguinen am Südpol. Ein einzelnes Tiny House tut sich schwer.“ Außerdem benötige auch ein Tiny House ein Grundstück und Infrastruktur. Auch aus der Studie von Saxton geht hervor, dass Arbeitswege durch Tiny Houses länger werden, weil sie nur in der Peripherie von Städten, nicht im Zentrum, entstehen.
Dicht ist besser
„Unter dem Aspekt, etwas verändern zu wollen und den Klimawandel zu bremsen, sind Tiny Houses keine Lösung“, sagt Aichholzer. Aus klimatechnischer Sicht sei der verdichtete Wohnbau zu forcieren. „Eine hohe Bevölkerungsdichte auf mehreren Geschoßen und großzügigen Außenräumen ist ideal. Der Flächenverbrauch ist gerade in Österreich ein Riesenthema. Den muss man immer im Auge behalten.“
Diverse Projekte, bei denen Ortskerne durch verdichteten Wohnbau, Geschäfte und Arbeitsplätze attraktiver gemacht werden, zeigen laut dem Architekten, wohin die Reise gehen sollte. Förderungen für den Bau neuer Einfamilienhäuser seien dagegen angesichts des rasch voranschreitenden Klimawandels „eigentlich nicht akzeptabel“.
Flexibilität
Tiny Houses hätten laut dem Experten durchaus sinnvolle Einsatzzwecke: „Ihr Vorteil ist ganz klar die Mobilität. Sie sind zerlegbar und leicht veränderbar.“ Die Beweglichkeit bringe es mit sich, dass die kleinen Häuschen hauptsächlich aus Holz gebaut sind.
Auch sonst kommen viele regenerative Materialien zum Einsatz. „Für die temporäre Nutzung sind sie gut geeignet, etwa im touristischen Bereich oder bei Festivals. Man kann damit Wohnflächen schaffen, ohne große Spuren zu hinterlassen.“ Nützlich seien Tiny Houses auch in Notsituationen wie Katastrophen: „Wenn man Tiny Houses auf Lager hat, kann man Menschen nach einem Hochwasser damit eine komfortable Zwischenlösung zur Verfügung stellen.“