Unberechenbare Gewalt: So arbeiten Vulkan-Observatorien
In Island hat sich vor einigen Wochen die Erde aufgetan und heraus kam glühend heiße Lava. Das Spektakel lockte viele Schaulustige an, die den Ausbruch des Vulkans Fagradalsfjall aus nächster Nähe beobachten. Die Live-Übertragung bei YouTube verfolgen täglich Tausende Menschen auf der ganzen Welt. Die zerstörerische Naturgewalt, die an Orten wie Hawaii, Bali oder den Philippinen große Verwüstung anrichten kann, scheint dort ganz zahm zu bleiben.
Fagradalsfjall ist ein Schildvulkan, dessen Namen sich auf die Form bezieht. Er ist rund, eher flach und fördert schnell fließende, gasarme Lava zutage, die sich rasch ausbreitet. Allerdings befindet sich der Vulkan außerhalb bebauter Gebiete und stellt keine Bedrohung dar.
Launisches Mysterium
Solche Vulkanausbrüche sind aber nicht nur schön anzusehen, sondern Forscher sammeln permanent Daten und teilen sie mit ihren Kollegen auf der ganzen Welt, um die Vorgänge besser zu verstehen. Ihr Ziel ist es, Vulkanausbrüche immer besser vorhersagen zu können. Trotz eines enormen technischen Fortschritts bei der Messgenauigkeit, bleiben die riesigen Berge ein launisches Mysterium.
So auch der Ätna, der seit Februar wieder verstärkte Aktivität zeigt. Alle 4 Krater des sizilianischen Vulkans sind derzeit aktiv, mit beeindruckenden Lavafontänen von bis zu 1.500 Metern Höhe. "Wir haben 50 seismische Stationen und 40 hochauflösende GPS-Sender, die uns Daten in Echtzeit senden", erklärt der Vulkanologe Boris Behncke der futurezone. Er arbeitet am INGV-Osservatorio Etneo, dem Ätna-Observatorium in Catania. Auf der Webseite des INGV können diese Echtzeitdaten auch von Interessierten abgerufen werden.
Diese Instrumente messen typische Symptome, die auf einen Ausbruch hindeuten können. Arbeitet sich Magma aus den Tiefen nach oben, schwillt die betroffene Stelle beispielsweise an. "Wir können in unserem Observatorium sehen, wenn sich die GPS-Sender voneinander wegbewegen, manchmal wächst das mehrere Zentimeter in wenigen Stunden", so Behncke. Auch Veränderungen bei der Zusammensetzung aufsteigender Gase und ein Anstieg der Temperatur wird ständig gemessen.
Beunruhigender Infraschall
Zusätzliche 10 Mikrofone horchen permanent den Berg ab. Magmakammern explodieren oft mit einem lauten Knall, den man im Umfeld des Vulkans deutlich wahrnehmen kann. Häufiger verbreitet sich aber Infraschall, den Menschen zwar spüren, aber nicht hören können. Das Brummen liegt unterhalb von 16 Hz und wird auch in Filmen wie Gaspar Noés "Irreversibel" eingesetzt, um ein Gefühl von Unwohlsein und Furcht beim Publikum hervorzurufen.
"Infraschall löst Unbehagen aus, ohne dass man es zuordnen kann. Dann vibrieren Fenster, Rollläden und Türen und das wühlt die Menschen auf. Eine der wichtigsten Aufgaben unseres Observatoriums ist es daher, im ständigen Austausch mit der Bevölkerung zu stehen und Aufklärungsarbeit zu leisten“, erklärt Behncke.
Mit diesen Daten erarbeiten die Forscher eine statistische Wahrscheinlichkeit, ob ein Vulkan bald ausbricht. Darauf weisen bestimmte Symptome hin. So gab es vor dem Ausbruch des Fagradalsfjall innerhalb eines Jahres 50.000 Erdbeben, anschließend konnte man Deformationen des Bodens messen.
Niesender Vulkan
Wann und ob es aber wirklich zu einem Ausbruch kommt, das wird man nie vorhersagen können, erklärt Behncke und zieht dazu einen Vergleich heran: "Selbst wenn ich der beste Mediziner der Welt wäre, mit den besten Instrumenten der Welt, könnte ich nicht vorhersagen, wann eine Person niest. Ich kann nur statistische Daten heranziehen. Hat jemand eine Erkältung und musste in den vergangenen Wochen oft niesen, dann wird das vermutlich noch häufiger passieren. Ob, wie und wann wissen wir aber erst, wenn es so weit ist".
Ähnlich verhält es sich auch mit Vulkanen. Deswegen sammeln Forscher während eines Ausbruchs viele Daten und tauschen sich mit Kollegen auf der ganzen Welt aus. So werden statistische Vorhersagen zumindest genauer.
Die Daten werden aber auch für die Reaktionen im Falle eines Ausbruchs und für präventive Maßnahmen verwendet. Der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull im Jahr 2010 dürfte dabei noch einigen in Erinnerung sein. Das Vulkanmassiv liegt unter einem Gletscher, was eine hochexplosive Mischung darstellt.
Gefährliche Aschewolken
Wenn Magma auf Eis oder Wasser trifft, kühlt es so schnell ab, dass maximal 2 Millimeter große Teilchen entstehen, die man Vulkanische Asche nennt. Sie wird vom Wind über weite Strecken davongetragen. Das ist gefährlich für Flugzeuge, da sie Triebwerke lahmlegen kann.
Deshalb musste der Flugverkehr damals auch in Irland und Großbritannien eingestellt werden. In Italien ist das Routine: „Wenn eine große Aschewolke aus dem Ätna aufsteigt, schlagen wir im Überwachungsraum Alarm und melden das an die Flugbehörde, die dann alle Flugzeuge umleitet“, erklärt Behncke.
Es regnet Steine
Weniger routiniert ist der Umgang mit Gesteinsregen. Spuckt der Ätna Lava, kommt es immer wieder vor, dass große Mengen an kleinen Steinen auf Straßen, Häuser und Autos niederschlagen. Dieses Gestein wird dann als Sondermüll entsorgt, obwohl es laut Behncke eine zusätzliche Einnahmequelle für die Region sein könnte, z.B. als Dünger oder Baustoff.
In Österreich hat man diese Wirkung erkannt, auch wenn hier keine aktiven Vulkane mehr zu finden sind. Was wir heute als den Gleichenberger Kogel kennen, ist die Spitze eines Vulkans, der sich vor 15 Millionen Jahren über 30 Kilometer erstreckte und 2.000 Meter in die Höhe ragte. Er war mit dem Ätna vergleichbar und zu einer Zeit aktiv, in der dort noch ein Meer war. Diese Touristen-Region wird als Steirisches Vulkanland vermarktet, mit Thermen, Wanderwegen und Weinbau.
Doch auch in (erdzeitlich gesehen) jüngerer Geschichte, vor 2 bis 5 Millionen Jahren, gab es in der Oststeiermark noch rund 30 sogenannte Maarvulkane. Hier trifft das Magma auf Grundwasser und löst so eine starke Explosion aus.
In Steinbrüchen wird dort der vulkanische Rohstoff Basalt abgebaut. Das Gestein entsteht, wenn basisches Magma sehr schnell abkühlt. Es ist sehr hart und wird für den Bau von Gebäuden, aber auch für die Herstellung von Mischgut wie Asphalt verwendet. Die Fassade des Mumok in Wien ist etwa mit Basalt verkleidet.
Angeschnittener Vulkan
Neben dem wirtschaftlichen haben die Steinbrüche aber auch einen wissenschaftlichen Nutzen. Dort sind die Vulkane wie Torten angeschnitten, erklärt der Geologe Ingomar Fritz vom Joanneum Graz. Hier könne man wie durch ein Fenster in den Vulkan hinein blicken. Erkennen könne man an diesem Querschnitt, wie die Ausbrüche der Vulkane vor vielen Millionen Jahren stattgefunden haben. Auch vulkanischer Tuff ist dort zu finden, ein weiches und poröses Material, das bei explosiven Vulkanausbrüchen entsteht.
Dabei sind laut Fritz die Zusammensetzung des Gesteins und in den Schichten enthaltende Strukturen wichtig: "An der Basis findet man feine Komponenten wie Sand. Darüber liegt ein zentraler Bereich mit größerem Material und darüber liegt eine weitere Schicht mit feiner vulkanischer Asche." Auch die Einschlagdellen sogenannter vulkanischer Bomben, also Lavabrocken, die größer als 64 Millimeter sind, sind erkennbar. Sie geben Hinweise auf stark explosive Vulkanausbrüche.
Die fossilen Überreste dieser Vulkane sind für Geologen weltweit interessant: "Das gegenseitige Vergleichen hilft uns in der Oststeiermark zu verstehen, wie unsere Vulkane entstanden sind. Umgekehrt können Kollegen aus anderen Ländern bei uns sehen, wie es im Inneren aktiver Vulkane aussieht", sagt Fritz.