Was vertikale Solarmodule auf Äckern bringen
Photovoltaikmodule sind heute meist geneigt und nach Süden ausgerichtet. So erzeugt man besonders viel Strom, wenn die Sonne am höchsten am Himmel steht.
Es geht aber auch anders: Vertikal montierte PV-Module, deren Zellen Licht von beiden Seiten einfangen, haben eine ganze Reihe von Vorteilen und lassen sich besonders gut mit Landwirtschaft kombinieren.
Strom zur richtigen Zeit
Besonders viel Sinn machen vertikale, bifaziale (beidseitig bestrahlbare) Module in Ost-West-Ausrichtung, wie eine neue Studie der Technik-Hochschule HTWK Leipzig feststellt. Sie produzieren in der Früh und am Abend besonders viel Strom, wenn auch der übliche Verbrauch im Tagesverlauf am höchsten ist. Auf diese Weise könnten sich Solarkraftwerke besser in das Energiesystem einfügen und man bräuchte weniger Speicherkapazität, um Überschüsse zu anderen Tageszeiten zu übertragen. "Man kann dadurch generell mehr Photovoltaikstrom nutzen", meint Studienleiterin Sophia Reker.
Sie hat mit ihren Kolleg*innen in Simulationen festgestellt, dass es sogar am besten wäre, wenn 80 Prozent aller PV-Anlagen Ost-West-orientiert wären. In langen Reihen könnten die Module auf landwirtschaftlichen Flächen aufgestellt werden oder diese alternativ als Zaun eingrenzen. Reihen vertikaler Module beanspruchen nur sehr wenig Platz, reduzieren die Anbaufläche also nur minimal. Dazwischen können Traktoren oder andere Maschinen fahren.
Schatten, Windschutz und Biodiversität
Auf den Pflanzenwuchs wirken sich die Module in mehrfacher Hinsicht positiv aus. Erstens sorgen sie für eine teilweise Beschattung. Angesichts des Klimawandels haben die Pflanzen dadurch weniger Hitzestress. Zweitens bremsen die Module den Wind, wodurch die Bodenerosion abnimmt. Drittens entstehen unterhalb der Module kleine Grünstreifen, in denen nützliche Insekten wohnen. Alternativ kann man Felder mit vertikalen Modulen auch als Weidefläche verwenden. Die Module sind auf Ständern montiert, darunter können Tiere durchschlüpfen.
Auch was den Staub durch landwirtschaftliche Arbeit anbelangt, haben vertikale PV-Module gegenüber nach Süden geneigten einen Vorteil. Reker: "Wenn Sie am Balkon einen Tisch und ein Glasfenster haben, was wird schneller dreckig? Wahrscheinlich der Tisch."
Mehr Ertrag auf weniger Fläche
Dass vertikale PV-Module und Landwirtschaft gut miteinander harmonieren, bestätigt Thomas Schilhansl, Leiter Photovoltaik bei Wien Energie. "Durch bessere mikroklimatische Bedingungen gibt es Mehrerträge." In der Schafflerhofstraße im 22. Bezirk in Wien wird das Thema "Agri-PV" u.a. mit einer vertikalen Anlage erforscht. Durch Windschutz und Beschattung konnte ein Korn-Mehrertrag von 3 Prozent trotz weniger Anbaufläche verzeichnet werden.
Für bestimmte Pflanzen eignen sich vertikale Modulreihen besser als andere Formen von Agri-PV. Beim Anbau von Getreide ist es etwa notwendig, große Maschinen wie Mähdrescher einzusetzen. Zwischen den Modulreihen muss in Ost-West-Ausrichtung ohnehin ein Abstand von mindestens 10 Meter bestehen, damit die Module keinen Schatten auf dahinterliegende Module werfen.
Verbreitung steigt
Nicht alle Felder eignen sich allerdings für Reihen an vertikalen PV-Modulen. Ein Faktor sei die Ausrichtung des Feldes. "Man muss im Einzelfall abwägen, welcher Ertrag durch die PV-Anlage zu erwarten ist und wie aufwendig es ist, die Bearbeitungsrichtung zu ändern", meint Sophia Reker. Als Faustregel gelte, dass 20 Grad Abweichung von einer exakten Ost-West-Ausrichtung okay seien.
Vertikale Module haben heute noch eine verhältnismäßig geringe Verbreitung, sie steigt aber an. Noch gibt es einige Hürden, aber man wird künftig davon mehr sehen. Reker: "Wir lösen damit viele zukünftige Probleme auf einmal." Man erzeuge Nahrungsmittel, setze die Energiewende um und niemand verliert dabei Platz.
Wie sich Agri-PV entwickelt
Durch die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Erzeugung von Solarstrom lässt sich Fläche effizienter nutzen. Durch den zusätzlichen Schatten lässt sich der Wasserverbrauch senken und landwirtschaftliche Betriebe erhalten dadurch einen zusätzlichen Einkommenszweig. So werden die Vorteile von Agri-PV in einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme zusammengefasst.
International beliebt
Wie verbreitet Agri-PV in Österreich ist, dazu gebe es keine konkreten Zahlen, sagt Judith Pospischil vom Fachverband PV Austria, "aber die Verbreitung nimmt auf jeden Fall zu". Es gebe auch eine eigene staatliche Förderung dafür, wenn Solarstrom von Feldern kommt, wo 75 Prozent der Fläche weiterhin für die Landwirtschaft genutzt werden.
International wird massiv in Agri-PV investiert. Vorreiter ist, wie im Photovoltaikbereich generell, China. Dort steht auch die größte derartige Anlage. Unter Solarmodulen mit einer Gesamtleistung von 700 Megawatt (so viel wie das Gaskraftwerk Simmering 1 in Wien) werden am Rande der Wüste Gobi Beeren angebaut. In Japan und Südkorea gibt es ebenfalls viele Agri-PV-Anlagen, u.a. um Landwirt*innen ein Einkommen zu sichern und die Landflucht zu bremsen.
Skepsis in der Bevölkerung
Gegenwind erhält das Thema von der Sorge, dass dadurch Fläche für die Lebensmittelproduktion weggenommen wird. Laut Pospischil müsse man Skepsis in der Bevölkerung ernst nehmen, das Argument könne man aber mit Zahlen leicht entkräften. "Die Vorteile einer Doppelnutzung von Photovoltaik und Landwirtschaft müssen noch stärker kommuniziert und die generelle Angst vor Photovoltaik in der Freifläche genommen werden."
Generell gebe es noch große Herausforderungen für Solarstrom vom Feld. Einerseits ist mit höheren Investitionskosten zu rechnen, wobei es hier je nach Bauweise große Unterschiede gibt. Vertikale Modulreihen seien etwa wesentlich günstiger als spezialisierte Konstruktionen über einer Anbaufläche. Der bürokratische Aufwand vor einer Errichtung ist hoch und je nach Bundesland unterschiedlich. Wichtig ist auch die Nähe zu einem Stromnetzanschluss. Pospischil: "Gerade in der Landwirtschaft ist die Abdeckung oft nicht besonders gut. Beim Netzausbau sollte es schnellere Fortschritte geben."