Wie Öffi-Garagen das größte Problem der Paketzustellung lösen können
Wer gerne online einkauft und sich seine Ware liefern lässt, erhält meist ein Paket, das mit einem Kleintransporter mit Verbrennungsmotor angeliefert wird. Das liegt unter anderem daran, dass die Umschlagspunkte von Online-Händlern häufig außerhalb der Stadt liegen und die viel zitierte "letzte Meile" bis zum Adressaten relativ lang ist.
Mit umweltfreundlicheren Transportmitteln wie E-Autos oder Lastenfahrrädern kann man diese Distanzen kaum bewältigen. Nun steigt sowohl der Online-Handel als auch der damit verbundene innerstädtische Verkehr an. Das Forschungsprojekt RemiHub zielt darauf ab, für dieses Problem eine kreative Lösung zu finden.
Leere Remisen
"Wer hat viele innerstädtische Flächen, die sich als Logistik-Standort nutzen ließen?" Mit dieser Frage seien Grundstücke des öffentlichen Verkehrs in den Fokus gerückt, meint Roland Hackl von tbw research, der Projektleiter von RemiHub. Die Idee: Straßenbahn-Remisen und Busgaragen stehen tagsüber großteils leer, weil die Fahrzeuge im Einsatz sind. Andere Flächen, etwa unter Hochtrassen der U-Bahn, werden überhaupt selten genutzt. Genau diese Flächen weisen aber oft zentrale Lagen auf. Sie könnten KEP-Diensten (Kurier-, Express- und Paketdiensten) zeitweise zur Verfügung gestellt werden, um daraus temporäre innerstädtische Logistik-"Hubs" zu machen.
Pakete, die von Lastwägen in einen solchen Hub angeliefert werden, könnten mit Hilfe von Lastenfahrrädern oder anderen alternativen Transportmitteln zu ihren Adressaten - sowohl Privatpersonen, als auch Unternehmen - gebracht werden. "Auf diese Weise könnte man die letzte Meile kurz halten und sie mit anderen Verkehrsmitteln als einem 3,5 Tonnen schweren Transporter befahren", sagt Hackl. Die Wiener Linien wurden ebenso für das Projekt gewonnen wie die TU Wien und das Lastenrad-Transportunternehmen Heavy Pedals. Das Projekt wird im Rahmen des Programms "Mobilität der Zukunft" vom BMVIT gefördert.
Pilotversuch in Ottakring
Neben den Aspekten Distanz und Treibhausgasemissionen seien mit dem innerstädtischen Güterverkehr, wie er derzeit abläuft, auch noch andere Probleme verbunden, erklärt Hackl: "Der motorisierte Individualverkehr verbraucht wahnsinnig viel Platz. Jeder, der in der Stadt lebt, kennt das aus eigener Erfahrung, dass Zusteller oft in zweiter Spur parken." Außerdem seien die Arbeitsverhältnisse im Zustellbereich oft prekär, die Arbeitsbedingungen entsprechend schlecht. Die Entwicklung neuer Ansätze sei notwendig, wenn Städte Zukunftssicherheit schaffen wollen. "Spätestens, wenn es für motorisierte Fahrzeuge Zufahrtsbeschränkungen zu einzelnen Stadtteilen gibt, braucht man neue Logistikkonzepte."
Aber auch die Verwendung von Öffi-Flächen kann ihre Tücken haben, räumt der RemiHub-Projektleiter ein. Um als Logistik-Hub zu dienen, müssten Remisen oder Garagen einige Voraussetzungen erfüllen. Sie müssten etwa versperrbar und überwacht sein, Sozialräume, Toiletten und andere Infrastruktur bieten und gut gelegen sein. Je nach Ort könnte es bestimmte Gefahrenquellen geben, etwa Wartungsgruben. Dazu käme eine komplexe rechtliche Lage. Nähere Erkenntnisse zu all dem sollen schon bald in einem Pilotversuch gewonnen werden. Als geeigneter Ort dafür wurde die Busgarage Spetterbrücke im 16. Wiener Gemeindebezirk erkoren. Dort will man gemeinsam mit dem Paketlieferdienst DPD und Heavy Pedals einen Feldtest durchführen.
Kleinere Hubs und Lastenfahrräder
Aus Sicht der Projektpartner scheinen Logistik-Hubs mit beschränkter Größe am aussichtsreichsten. "Wir denken nicht an riesige Anlagen, eher an kleinere Hubs", sagt Hackl. Von denen soll es aber mehrere über das Stadtgebiet verteilt geben, um von dort aus die Zustellung per Lastenrad durchzuführen. In einer Öffi-Garage komme dann etwa "in der Nacht der Hauptlauf (Fracht-Lkw von einem überregionalen Verteilzentrum) an. In der Früh kommen die Lastenradfahrer und schlichten die Pakete so, dass die Auslieferung möglichst effizient abläuft." Für eine optimierte Routenplanung gebe es bereits erprobte Werkzeuge. "Ansonsten ist das kein besonders technologiebasierter Vorgang."
Schiene hat Potenzial
Abgesehen von der Auslieferung durch fair bezahlte und angestellte Lastenradfahrer (keine prekären Arbeitsbedingungen mehr) haben die Projektpartner auch noch andere Ideen. Hackl: "Wir hatten einen Workshop mit der KEP-Branche und haben dabei festgestellt: Warum nutzen wir nicht auch die U-Bahn oder die Straßenbahn dafür?" Versuche mit Straßenbahn-Güterwaggons hätte es in der Vergangenheit gegeben, auch in Wien, wenngleich mit "wechselhaftem Ausgang". Öffentliche Schienenfahrzeuge für den Gütertransport zu nutzen hätte allerdings einige Vorteile. Einer der größten: "Man würde keinen zusätzlichen Platz verbrauchen - das ist in einer Stadt eigentlich genau das, was man anstrebt."
Die Auslieferung durch elektrisch betriebene Lieferroboter werde laut den Projektpartnern noch länger keine realistische Option darstellen. Lieferdrohnen sieht Hackl nicht als Lösung: "Das ist Aktionismus. Man löst dadurch kein Problem, sondern verschiebt es einfach in die dritte Dimension. In der Logistikbranche wird das eher als Gadget gesehen." RemiHub zielt hingegen darauf ab, eine Lösung zu entwickeln, die das Potenzial hat, tatsächlich in einer ganzen Stadt angewendet zu werden. Werde eine solche gefunden, könne man die am Ende ja auch exportieren, etwa in andere europäische Städte.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).