Virtual Reality als neue Therapie für Schlaganfall-Patienten
In Österreich sind Schlaganfälle nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs die dritthäufigste Todesursache. Rund 80 Prozent der Betroffenen sind älter als 60 Jahre. Bleibende Behinderungen und Beeinträchtigungen, besonders im Hand- und Armbereich, sind dabei keine Seltenheit.
Klassische Therapiemethoden sind in der Regel zu kurz und daher oft unwirksam. „Jeder Patient erhält nach einem Schlaganfall eine Intensivbehandlung im Krankenhaus und danach noch einige Wochen Reha. Kaum zuhause angekommen, treten jedoch oft Probleme auf", sagt Andy Gstoll, Advisor bei rewellio. Gegründet wurde das Start-up von Physiotherapeut Georg Teufl, der seit rund zehn Jahren Schlaganfall-Patienten betreut und genau an diesen Problemen ansetzt. Als ehemaliger Softwareentwickler hat er eine App erstellt, mit der er neue und günstige Reha-Ansätze für Betroffene schafft. Das Besondere daran: Die Behandlung kann orts- und zeitungebunden erfolgen, die Therapiezeit verlängert werden. Mit rewellio soll Patienten ermöglicht werden, ihre Reha eigenständig und unabhängig weiterzuführen - „und zwar so oft und so intensiv, wie sie können und möchten", so der Experte gegenüber futurezone.
Behandlung mit virtueller Realität
Mit der neuartigen VR-Therapie in Form von spielerischen Übungen können unterschiedliche Beeinträchtigungen behandelt und trainiert werden, etwa Handlähmungen, Sprachprobleme oder kognitive Störungen. Die Betroffenen können die rewellio-App normal am Tablet nutzen, oder in Kombination mit einer VR-Brille. Gstoll empfiehlt dafür die gängige Oculus Quest. „Sie funktioniert unabhängig vom PC, ist kabellos, kann zu Hause und beim Therapeuten verwendet werden und ist zudem kostengünstig", sagt er. Setzen die Nutzer die VR-Brille auf, interagieren sie mit einem Avatar, also einem virtuellen Assistenten. „Dieser begleitet die Patienten, sagt ihnen, was sie machen müssen, leistet Hilfestellung und spricht Motivation und Lob aus."
Die Übungen sind divers. Neben Rechenaufgaben können die Patienten beispielsweise virtuelle Objekte mit dem beeinträchtigten Arm bewegen, virtuell boxen oder Rhythmusaufgaben lösen. Die Übungen werden individuell an den Anwender angepasst, denn: „Jeder Patient ist anders", sagt Gstoll – je nach Schädigung der Gehirnhälfte. So wird das Spiel auf die jeweilige beeinträchtigte Körperseite angepasst.
Auch die Bewegungsfreiheit des Nutzers wird ermittelt. Mit diesen Daten findet vor dem Spiel eine Kalibrierung statt. „Der Patient soll nicht überfordert, sondern gefordert werden. Wir wollen nicht etwas anbieten, was ihm gar nicht möglich ist", so der Experte.
Datenerfassung
Durch den Belohnungseffekt steigert rewellio zudem die Motivation – einer der größten Faktoren in der Schlaganfall-Therapie. „Viele klassische Ansätze basieren seit Jahrzehnten auf Wiederholungen. Stichwort: Spiegeltherapie", sagt er. Der Patient wiederholt eine Handübung vor dem Spiegel, der auf einem Tisch platziert ist. Ist ein Therapeut nicht dabei und spricht einem nicht gut zu, kann diese Behandlung schnell langweilig werden, wie Gstoll weiß. Dennoch haben klassische Methoden ihre Berechtigung: „Es geht nicht darum etwas zu ersetzen, sondern mehr Therapiezeit zu ermöglichen und zu ergänzen", sagt er.
Sowohl die Brille als auch die Controller verfügen über zahlreiche Sensoren. Die messen jede Körper-, Kopf- und Armbewegung. "Das gibt uns die Möglichkeit, ein individuelles Profil des Patienten zu erstellen und zu verstehen, was er gut und was er weniger gut kann", so Gstoll. Die Übungen werden adaptiert. Das Profil zeigt den Status Quo sowie die Fortschritte eines Nutzers und präsentiert individuelle Emfpehlungen für die nächsten Therapiemodule.
Die App ist seit kurzer Zeit öffentlich zugänglich und vorerst noch kostenlos im Apple Store sowie im Google Play Store verfügbar. Das zwei Jahre alte Unternehmen hat zudem bereits zahlreiche Pilotkunden an Land gezogen, darunter Kliniken, unabhängige Therapeuten, Krankenhäuser und Forschungseinrichtungen. Erste Studien sollen bald durchgeführt werden.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer redaktionellen Kooperation zwischen futurezone und aws.