Start-ups

Wie wir in Zukunft Amtswege digital erledigen werden

Wer ein Baby auf die Welt bringt, muss sich derzeit um Staatsbürgerschaft, Meldezettel und Geburtsurkunde direkt am Amt bemühen. Künftig soll dies mit dem „digitalen Baby-Freund“ per Smartphone aus dem Krankenhaus-Bett erledigt werden können. „Die App dazu wird gerade entwickelt“, sagt Digitalministerin Margarete Schramböck bei der Eröffnung der „Innovation Factory“ im Bundesrechenzentrum (BRZ). Im Sommer soll es dazu einen „Soft Launch“ geben. „Zuerst werden die Unterlagen noch analog zugestellt, aber langfristig wird auch dies digital gehen“, sagt Schramböck.

Gemeinsam mit dem BRZ hat man im Mai 2015 auch bereits die „antraglose Familienbeihilfe“ auf den Weg gebracht. Direkt nach der Geburt eines Kindes wird automatisch überprüft, ob man den Kriterien entspricht. 180.000 Personen haben seither bereits völlig ohne Papierkram oder notwendige Interaktion die Familienbeihilfe ausbezahlt bekommen. Auch „Finanz Online“, der elektronische Zugang zur Finanzverwaltung, der seit 2003 existiert, fand bisher bei 4,15 Millionen Bürger Zuspruch. „Und mit der Registrierkasse haben wir so etwas wie einen Blockchain-Vorläufer geschaffen“, sagt Finanzminister Hartwig Löger.

Wieder Nummer 1 werden

Trotzdem liegt Österreich im aktuellen Ranking beim E-Government mittlerweile nur noch im Mittelfeld und wurde vom Vorreiter Estland abgehängt. „Wir wollen wieder an die erste Stelle aufrücken“, erklärt Schramböck, die dieses Jahr nach Estland gereist ist, um sich die digitale Verwaltung dort genauer anzusehen. BRZ-Geschäftsführer Markus Kaiser legt nach: „Und das werden wir in den nächsten drei Jahren schaffen.“

In den Räumlichkeiten des BRZ wurde am Mittwoch die „Innovation Factory“ eröffnet, die dazu geschaffen wurde, um Verwaltung neu zu denken – und zwar zusammen mit Start-ups, Bürgern, Ministerien und Partnern. „Wir haben hier nicht 20 Kreative nonstop rund um die Uhr sitzen, sondern werden die Factory für Zusammenarbeit nutzen. Es gab auch bereits erste Workshops“, erzählt Kaiser. Zudem wird das nächste Start-up-Frühstück des Digitalministeriums in der Innovation Factory stattfinden, wie Schramböck ankündigt.

Virtuelle Gemeinde im "Bezirk Neuland"

Gearbeitet wird dabei mit den Methoden „Design Thinking“ und „Rapid Prototyping“. Übersetzt bedeutet das, dass es von der Idee bis zur Umsetzung recht rasch gehen soll. „Wir probieren den Vorschlag aus, holen Feedback ein und dann geht es ans nächste Release.“ Um innovative Ideen auch praktisch auszuprobieren, wurde dazu eine virtuelle Gemeinde geschaffen: Kettenbruck. Diese liegt im „Bezirk Neuland“ an einem See. Dort sollen konkrete Use-Cases ausprobiert werden, die dann auch in realen Partnergemeinden umgesetzt werden können.

Ein großer Schwerpunkt liegt zum Start von Kettenbruck auf dem Erproben von Blockchain-Technologien. „Wir arbeiten derzeit mit dem oberösterreichischen Start-up Blockpit zusammen, um auszuprobieren, wie man Einkünfte aus Kryptowährungen in Echtzeit und automatisch ans Finanzministerium melden kann“, erklärt Projektleiter und Innovation-Factory-Leiter Matthias Lichtenthaler im Gespräch.

Blockchain als Allheilmittel

Auch eine E-Partizipationsplattform zur Abstimmung von Bauvorhaben oder Bürgerbefragungen, die auf der Blockchain basiert, ist in Arbeit. „Bürger von Kettenbruck können sich für die Befragung registrieren und per Token abstimmen“, erklärt Lichtenthaler. „Im Juli ist diese Lösung fertig entwickelt.“ Eine weitere Blockchain-Idee betrifft etwa neue Bauvorhaben. „Damit lässt sich jeder Schritt in einem Bauprojekt fälschungssicher dokumentieren“. In der Landwirtschaft lässt sich jeder Schritt der Feldarbeit genau damit aufzeichnen.

Dass es bei derartigen Projekten zu Problemen mit der neuen Datenschutzgrundverordnung kommt, glaubt Kaiser nicht. „Es geht hier nicht um personenbezogene Daten. Es wird nie der Name des Bürgers drinstehen“, meint Kaiser dazu. Problematisch könnten diverse Vorhaben in dem Bereich dennoch werden, weil sich kein Schritt aus der Blockchain-Kette jeweils wieder löschen und rückgängig machen lässt. Deshalb könnten so manche Vorhaben mit dem „Recht auf Löschung“ kollidieren und man sollte sich als Verwaltung genau überlegen, ob man wirklich für alles eine Blockchain braucht.

Chatbots und Arbeitsplätze

Ein großes Thema in der „Innovation Factory“ sind zudem Chatbots für Gemeinde. „Man muss die Bürger heranführen, aber gedacht sind Chatbots nur zur Beantwortung von Standardanfragen“, sagt Lichtenthaler. Da es im Verwaltungsappart in den nächsten Jahren dank Pensionierungen zahlreiche Einsparungen geben werde, müsse man die verbleibenden Mitarbeiter zu Experten ausbilden. „Copy&Paste-Jobs wird es dann nicht mehr geben.“

In der virtuellen Gemeinde werden auch sogenannte „Sandboxes“ geschaffen und eine Entwicklungsumgebung in einer „hochsicheren Cloudumgebung“ hergestellt, um mit echten Daten arbeiten zu können. „Start-ups brauchen nicht nur Geld für ihre Vorhaben, sondern genau Räume wie diesen“, sagt Schramböck.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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