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Österreichische App ersetzt unsichere Coronalisten in Restaurants

Als der IT-Spezialist, Gastronom und Bar-Besitzer Christoph Reichl unlängst in Deutschland unterwegs war, ging er in ein Restaurant. „Dort habe ich die Daten von allen Gästen gesehen. Mich störte das Angeben von Namen und Telefonnummer in eine öffentlich einsehbare Liste“, so Reichl zur futurezone. „Ich dachte mir: Da muss es doch eine bessere Lösung geben.“

In Deutschland gibt es als Teil der Kontaktnachverfolgung wegen Corona eine verpflichtende Gästeregistrierung, wenn man Restaurants besucht. Diese wurde mit Papierzetteln, auch Coronalisten genannt, umgesetzt, auf denen Gäste Name, Adresse und Telefonnummer angeben müssen. In Österreich gibt es diese Möglichkeit auch, aber sie ist derzeit noch freiwillig. Die Wirtschaftskammer (WKO) hat den Gastronomen entsprechende Muster-Formulare bereitgestellt.

Lipp Gast App mit QR-Code

„Empfohlen wird den Gastronomen bei uns, pro Tisch einen eigenen Zettel aufzulegen. Aber der Wirt hat dann die ganze Zettelwirtschaft und die ganze Arbeit. Diese wollen wir ihm mit unserer digitalen Smartphone-Lösung abnehmen“, sagt Reichl. Die Firma des oberösterreichischen IT-Spezialisten aus Mattighofen, Sofa1, hat in Kooperation mit Linkecker eine digitale Gästeregistrierung entwickelt, die völlig anonym funktioniert: die Lipp Gast App. Kein Gast muss damit personenbezogene Daten über sich preisgeben und wird trotzdem im Bedarfsfall informiert, wenn ein anderer Gast im Restaurant Corona-positiv getestet wird.

Das funktioniert folgendermaßen: Restaurant-Besucher installieren sich die Lipp Gast App, die sie aus dem App Store (Android und iOS) runterladen. Auf dem Tisch oder der Speisekarte ist ein QR-Code. Dieser wird mit der Smartphone-Kamera eingescannt. Damit wird in Folge automatisch gespeichert, welches Smartphone sich am jeweiligen Tisch befunden hat. Wer das Restaurant wieder verlässt, öffnet die App und klickt auf „Auschecken“. Falls ein Gast darauf vergisst, können das auch die Kellner bei der nächsten Tischvergabe nachholen.

Erfahren Behörden von einem Corona-Infizierten, dass er sich in dem Restaurant aufgehalten hat, wird der Restaurant-Besitzer informiert. Dieser wählt im Programm von Lipp Gast aus, dass Besucher, die zum selben Zeitpunkt im Lokal waren, eine Warnmeldung per Pushnachricht erhalten.

Push-Benachrichtigung

„Wir generieren im Hintergrund bei uns am Server eine zufällige ID für den jeweiligen Tisch“, erklärt Reichl. „Diese lässt sich mit dem System für Push-Nachrichten verbinden. Damit können wir Personen im Anschluss verständigen, ohne dass wir Namen oder Telefonnummer wissen.“ Diese müssen Push-Nachrichten der App zulassen und dürfen diese auch nicht wieder deinstallieren. „Sonst wird nichts geschickt“, sagt der IT-Spezialist: „Das wäre ein Nachteil, aber wenn jemand in einem Restaurant einen falschen Namen eingibt, kann das auch keiner kontrollieren.“

Die Lipp Gast App kommt in seinem eigenen Betrieb, dem Stadtplatz1 mit 120 Tischen in Mattighofen, bereits zum Einsatz. „Wir haben bemerkt, dass es viele ausprobieren, wenn sie am Tisch auf die Bestellung warten. Vor allem Junge“, so Reichl in seiner Rolle als Gastronom. „Solange die App freiwillig ist, kann man es so machen.“

Die App kann auch Daten zum Restaurant anzeigen

Kein offizielles Contact Tracing

Auch im Konzept zur Öffnung der Nachtgastronomie ist die Rede von einer freiwilligen Gästeregistrierung. „Die freiwillige Erfassung von Kontaktdaten war Teil jener Konzepte, die dem Gesundheitsministerium seitens Vertreter der Nachtgastronomie vorgelegt wurden. Aus Sicht des Ministeriums ist dies jedenfalls zu begrüßen“, heißt es auf futurezone-Anfrage beim Ministerium. Bei den digitalen Lösungen wolle man seitens des Ministeriums vor allem die Stopp Corona App des Roten Kreuzes bewerben.

„Da ich noch einen Club für 250 Personen besitze, wollte ich eine Lösung parat haben, die auch für die Nachtgastronomie geeignet ist“, sagt Reichl. Die App gibt es jetzt seit 14 Tagen und Reichl hofft darauf, dass sie von der WKO unterstützt wird. „Das Ministerium sagt dazu, dass sie keine Apps empfehlen dürfen. Technisch wäre es aber machbar, die Lösung in den behördlichen Contact-Tracing-Prozess miteinzubinden.“

Doch das ist nicht einfach. Auch die vom Gesundheitsministerium beworbene Stopp Corona App hat keine offizielle Anbindung: Wer per App über einen Corona-Fall informiert wird, muss nicht verpflichtend in Quarantäne. „Der Unterschied zur Stopp Corona-App ist, dass man sich bei unserer Lösung selbst einchecken muss. Die Nutzer haben also die Kontrolle darüber, wo sie sich registrieren – und wo nicht“, meint Reichl. Das sei ein Vorteil, da man dadurch nicht das Gefühl habe, alles aus der Hand zu geben.

Datenschutzprobleme in Deutschland

Auch für den deutschen Markt könnte die Lipp Gast App angepasst werden und hätte dort den Vorteil, dass die Daten der anderen Gäste nicht mehr für alle einsehbar wären - auch nicht für die Gastronomen und das Personal.

Das hat sich tatsächlich schon zu einem Problem entwickelt: Der Spiegel berichtet von einer dreistelligen Anzahl an Beschwerden über die Verwendung von Corona-Daten. Unternehmer haben demnach damit ihre Kundendatenbanken aufgebaut und dann unerwünschte Werbung an die Gäste geschickt. Andere verwendeten die Daten für Flirtversuche oder private Zwecke.

Doch auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft hatten bereits großes Interesse an den Coronalisten: In Hamburg wurden etwa Personen als Zeugen vorgeladen, die an einem bestimmten Tag ein Restaurant besucht hatten, vor dem es eine Messerattacke gegeben hatte.

Nachtgastronomie

Wie es in Österreich mit der Nachtgastronomie weitergeht, ist nach wie vor unklar. „Die Gäste fragen uns ständig, wann wir die Bar wieder öffnen dürfen“, sagt Reichl. "Hinsichtlich einer möglichen Öffnung bleibt festzuhalten, dass angesichts der aktuellen epidemiologischen Situation in Österreich auch weiterhin Lockerungen als nicht ratsam erscheinen. In der nächsten Woche wird es dazu wieder Gespräche zwischen den mit der Thematik befassten Ressorts geben", heißt es seitens des Gesundheitsministeriums auf futurezone-Anfrage.

Wenn es zu einer Lockerung kommt und die Behörde eine Gästeregistrierung empfiehlt oder gar vorschreibt, ist Reichl mit seiner Lipp Gast App jedenfalls bereit dafür. 

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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