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Warum die Stopp Corona App so wenig genutzt wird

Die Stopp-Corona-App gibt es in Österreich seit März. Ende Juni bekam sie viele neue Funktionen (alle Infos dazu hier) und wer sie installiert, bei dem läuft die Anwendung anonym und vollautomatisch im Hintergrund. Digitale Handshakes werden ohne Zutun aufgezeichnet, sobald Bluetooth aktiviert ist.

Vergleich mit Deutschland

Laut dem Roten Kreuz haben die App bis zum Montag 775.579 Nutzer installiert. Davon entfallen 218.080 Downloads auf iOS und 494.399 Downloads auf Android-Smartphones, wie die futurezone in Erfahrung gebracht hat.

In Deutschland kam die Corona-Warn-App des Bundes erst am 16. Juni in die App Stores – und verzeichnete bereits am folgenden Tag 6,4 Millionen Nutzer. Mit Montag waren es 15 Millionen. Deutschland hat rund 10 Mal so viele Einwohner wie Österreich. Wenn man die beiden Länder direkt miteinander vergleicht, kann man deshalb grob sagen, dass die Nutzung in Deutschland doppelt so stark ist - obwohl die App erst viel kürzer am Markt ist.

Debatte über Freiwilligkeit

Doch warum ist das so? „Mit der Stopp-Corona-App haben wir in Österreich eine Vorreiterrolle in Europa. Weil wir als eines der ersten Länder eine funktionierende App hatten, gab es in Österreich deswegen auch mehr Diskussionen als in anderen Ländern. Die Debatte über Freiwilligkeit und Datenschutz zu Beginn hat viele Menschen verunsichert“, sagt Gerry Foitik, Mitglied der Geschäftsleitung des Österreichischen Roten Kreuzes und Bundesrettungskommandant, zur futurezone.

Das sieht nicht nur das Rote Kreuz selbst so, sondern auch Menschen, die die App nach anfängllicher Skepsis doch noch installiert haben. „Zur Markteinführung war die App auch bei mir sehr unpopulär und ich bin in Opposition gegangen. Es war zu wenig darüber bekannt und die Behördenwillkür zur Zeit des Lockdowns sowie die politische Kommunikation seitens der ÖVP zur App haben mich stark verunsichert“, erklärt ein Stopp-Corona-App-Nutzer im Gespräch mit der futurezone.

Er spielt damit darauf an, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sich Anfang April dafür ausgesprochen hatte, dass die App verpflichtend wird. „Wenn evident ist, dass wir die Menschen schützen können und jeder Kontakt festhalten wird, dann sage ich dazu Ja", so Sobotka im Wortlaut.

Viele sind noch immer skeptisch

„Ich persönlich nutze die App jetzt, weil sie einen positiven Nutzen hat. Sollte jemand, mit dem ich in Kontakt war, positiv getestet werden, kann ich es damit zeitnah erfahren und selbst entsprechende Handlungen setzen. Ich habe damit ein Tool, das mir hilft, Infektionsketten frühzeitig zu durchbrechen“, so der Nutzer. Doch nicht all seine Freunde und Bekannte sehen dies ähnlich, wie er sagt, weswegen er auch anonym bleiben möchte. Viele seiner Freunde verzichten auf die Verwendung der App, aus Angst davor, dass sie bei einer „roten Ampel“ verpflichtend 2 Wochen zu Hause bleiben müssen und sie mit ihrem Handy in Folge auf Schritt und Tritt verfolgt werden.  

„Die Leute sind trotzig und wollen sie nicht nutzen, weil das Vertrauen gleich am Anfang durch die Aussagen diverser ÖVP-Politiker verspielt worden ist“, sagt auch Iwona Laub von der Bürgerrechtsorganisation epicenter.works. Die Organisation hat die App zusammen mit SBA Research als auch noyb aus Datenschutz- und Security-Sicht bewertet und ihr das „Go“ erteilt. „Wir begrüßen sehr, dass das Rote Kreuz die Zivilgesellschaft miteingebunden hat. Eine Empfehlung dafür wollen wir trotzdem nicht aussprechen“, sagt Laub. „Hier geht es vor allem um das Prinzip der Freiwilligkeit. Die App darf keine Voraussetzung werden, um etwa einen Job zu machen. Viele Menschen haben nach wie vor Angst davor, dass die App doch noch verpflichtend wird“, sagt Laub.

Testimonials in Deutschland

Dies schließt das Rote Kreuz dezidiert aus. „Es ist jetzt allseits bekannt, dass die Stopp-Corona-App freiwillig und datenschutzfreundlich ist“, so Foitik, der dazu aufruft, die App zu installieren. „Wir wünschen uns selbstverständlich, dass sich mehr Menschen die App downloaden. Derzeit haben das bereits mehr als 775.000 Menschen getan. Damit schützen sie nicht nur sich selbst, sondern auch andere - der Trend geht in die richtige Richtung.“

Doch nicht nur die Angst vor einer Verpflichtung spielt eine Rolle, warum die Warn-App in Deutschland viel öfters runtergeladen wurde. Zwar gab es dort mit Verzögerung eine ähnliche Debatte wie in Österreich, aber auch mehr Unterstützung. „In Deutschland wurde die App stark mit Testimonials beworben“, so Foitik vom Roten Kreuz. So warben etwa der Verkehrsminister Andreas Scheuer oder auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit der App. „Wir werden die Stopp-Corona-App in den nächsten Wochen verstärkt bewerben“, heißt es seitens des Roten Kreuzes.

German President Frank-Walter Steinmeier with Corona app

Frank-Walter Steinmeier als Testimonial für die deutsche Corona-Warn-App

Auch wenige Nutzer bringen etwas

Ursprünglich war auch kommuniziert worden, dass solche Apps nur dann etwas bringen, wenn sie von möglichst vielen Menschen, genauer gesagt etwa 60 Prozent der Bevölkerung, genutzt werden. Im Fall der Stopp-Corona-App in Österreich wäre diese Prozentzahl noch weit unterschritten. Die Autoren der Studie, auf der diese Annahme basierte, hatten sich aber Anfang Juni noch einmal geäußert und rückgemeldet, dass die App auch bei einer geringeren Nutzung etwas bringt. "Selbst bei einer geringeren Anzahl von App-Benutzern schätzen wir immer noch, dass mithilfe von Tracing-Apps die Anzahl der Coronavirus-Krankheitsfälle und -Todesfälle sinken würde", heißt es dazu.

"Ich bin mir bewusst, dass die App auch seine Grenzen hat", so der Nutzer, der die Stopp-Corona-App auf seinem Handy hat. "Natürlich kann die App nicht erkennen, ob jemand mit Mundschutz neben mir in der Straßenbahn gesessen hat oder ob ich mit der Person herumgeschmust habe. Auch symptomfreie Infektionen wird die App nicht erkennen können, aber es ist für mich ein praktisches Tool, das mir ermöglicht, mich freier als bisher bewegen zu können."

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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