Ein CNH-Traktor, der die Technologie Sense & Act nutzt.

Ein CNH-Traktor, der die Technologie Sense & Act nutzt.

© CNH Industries

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Wie Roboter und autonome Traktoren die Landwirtschaft verändern

Die Landwirt*innen von morgen müssen nicht einmal vom Bett aufstehen, um ihre Felder zu bestellen. Ihre Traktoren ziehen autonom ihre Kreise und säen, düngen und verteilen Unkrautvernichter. Mähdrescher und Pflückmaschinen bringen die Ernte ein. Überwacht und gesteuert wird das Ganze vom Smartphone aus, Sensoren im Boden und Wetterdaten zeigen den Bäuer*innen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um ihre Maschinen aufs Feld zu schicken. 

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Friedrich Eichler, CTO des Landmaschinenherstellers CNH Industrial, weiß, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen wird. Neben John Deere und der AGCO-Gruppe, zu der auch der deutsche Hersteller Fendt gehört, zählt CNH Industrial (früher: Case New Holland) zu den Top 3 Traktorenherstellern der Welt. In Österreich sind sie dank ihrer Marke Steyr Marktführer.

Friedrich Eichler, CTO von CNH Industrial.

Friedrich Eichler, CTO von CNH Industrial, vor einem Wasserstofftraktor.

Elektrifizierung von kleinen Traktoren

Eichler kommt eigentlich aus der Autobranche, er war lange Zeit für VW in führenden Positionen tätig. Die beiden Branchen überschneiden sich, etwa in Sachen E-Mobilität. “Der Trend ist, dass sich die kleinen Traktoren sehr stark in Richtung Elektrifizierung entwickeln werden”, ist Eichler überzeugt. Noch sind E-Traktoren deutlich teurer als Verbrenner. “Wir liegen hier um den Faktor 2 über einem vergleichbaren Dieseltraktor”, sagt Eichler. 

Man müsse aber das gesamte Ökosystem betrachten. Vielleicht produziert ein*e Landwirt*in auf dem Bauernhof eigenen Solarstrom, mit dem man den Traktor laden kann. Das würde die Anschaffung wirtschaftlicher machen, da man keinen Treibstoff zukaufen muss. Außerdem lässt sich damit auch Werbung betreiben. “Wenn so ein elektrischer Traktor emissionsfrei in Weingärten für die Traubenernte verwendet wird, kann man das auch im Produkt mitverkaufen. Dann ist der Wein nicht nur bio, sondern auch CO2-frei geerntet”, meint Eichler.

E-Antriebe mit Batterien von 85 bis 100 Kilowattstunden (zum Vergleich: Ein Tesla Model 3 hat 60 kWh) eignen sich allerdings nur für kleinere Maschinen. Für mittelgroße Traktoren sind die Batterien noch zu schwer und brauchen zu viel Platz. Daher werden momentan Hybridantriebe entwickelt und an alternativen Treibstoffen geforscht, wie etwa Wasserstoff.

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Große Traktoren und Mähdrescher werden aber auch in Zukunft noch mit Diesel betankt. Ob dieser dann aus Erdöl oder mit erneuerbarer Energie synthetisch hergestellt wird, ist die Frage. 

Komplett autonome Traktoren

Doch egal, ob elektrisch, mit Wasserstoff oder Diesel, die Traktoren der Zukunft fahren komplett autonom. “Erst letzte Woche habe ich in Holland einen Traktor gesehen, der komplett automatisiert das Feld pflügt, also Level 5”, beschreibt es Eichler und meint damit die höchste Stufe von automatisierten Fahrzeuge, die keine Fahrer mehr benötigen. Zwischen Apfelbäumen, Weinreben oder auf dem freien Feld ist das einfacher zu realisieren als im Straßenverkehr. “Bis Ende der Dekade”, gibt Eichler einen konkreten Zeitrahmen an, “wird das deutlich zunehmen. Unser Elektrotraktor soll ab 2028 autonom in Obstplantagen und Weingärten unterwegs sein.”

Ein autonomer Traktor ist allerdings nur so gut, wie die Daten, die ihm zur Verfügung stehen. Die Sensoren der Traktoren sitzen am Dach: Radar, Laser, Kamerasysteme. Diese dienen nicht nur der Orientierung, sondern erkennen auch Unkraut. “Eine Künstliche Intelligenz analysiert die Aufnahmen und unterscheidet zwischen Nutzpflanze und Unkraut”, erklärt Eichler. “Im Traktor zeigt ein Bildschirm an: Da, in 30 Metern Entfernung sind 2 Pflanzen, die sehen für den Menschen fast gleich aus, aber eine davon ist ein Unkraut. Der Traktor fährt das autonom ab und besprüht genau diese Pflanze mit Unkrautvernichtungsmittel.” 

Präzisionslandwirtschaft spart Pflanzenschutzmittel ein

Precision Farming” nennt man diese Art der Landwirtschaft, bei der moderne Technologien eingesetzt werden, um etwa Pestizide und Herbizide gezielt auszubringen. Damit spart man Pflanzenschutzmittel ein und sprüht nur dort, wo es auch wirklich gebraucht wird. Auch an Unkrautvernichtung ohne Chemie wird bereits gearbeitet - etwa an Lasersystemen, die unerwünschte Pflanzen mit einem Hochleistungslaserstrahl versengen. 

Auch Bodensensoren sind ein Teil von Precision Farming, sie liefern Daten über die Bodenzusammensetzung und die -feuchtigkeit. Wo ist der Boden eher lehmig, wo eher sandig? Wo trocknet er schneller aus, wo kann man mit der Bewässerung noch warten? “Es gibt zig verschiedene Konstellationen, die entscheiden, wo ich wie viel Saat ausbringe, wie viel ich düngen muss oder wie viele Pflanzenschutzmittel ich brauche”, weiß Eichler. Durch Künstliche Intelligenz sei man heute in der Lage, all diese Daten in Einklang zu bringen, auszuwerten und daraus die richtige Botschaft zu extrahieren.

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Automatisierung in der Landwirtschaft hat allerdings nicht nur positive Seiten. Wie bei allen digitalen Systemen steigt dadurch die Gefahr, dass Hacker*innen die Kontrolle über die Fahrzeuge übernehmen. “Wenn die Verbindung nicht sicher verschlüsselt ist, kann das theoretisch einen erheblichen Schaden anrichten, wenn plötzlich 25 Tonnen angerollt kommen”, ist sich Eichler bewusst. Cyber Security wird daher auch in der Landwirtschaft immer wichtiger - die Landmaschinen der Zukunft sind am Feld vernetzt, laden ihre Daten zum Beispiel über Satelliteninternet in die Cloud hoch und erhalten so Befehle von außen. 

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Beruf wird sich verändern

Europa, USA und Asien sind die Vorreiter, wenn es um autonome Landmaschinen und Precision Farming geht. Doch auch in Ländern wie Indien wird daran geforscht. Dort sollen etwa Roboter Früchte und Baumwolle pflücken. “Die Pflückgeschwindigkeit dieser Maschinen ist noch sehr gering, aber selbst in Indien findet man immer weniger Leute für Feldarbeit”, sagt Eichler. “Es ist schließlich harte Arbeit unter teilweise extremen Bedingungen.”

In Zukunft wird es diese Leute nicht mehr brauchen. Doch während die Technik weiter voranschreitet, ist entscheidend, dass auch die Landwirt*innen hinterherkommen. “Es ist sicher schwer, sich in die Hände einer Maschine zu begeben und dieser zu 100 Prozent zu vertrauen”, versteht Eichler. “Es wird sicher Bauern geben, die noch für längere Zeit in der Kabine sitzen.” Die junge Generation wird seiner Meinung nach offener gegenüber der Technologie sein. Und während sich die Felder quasi von selbst bestellen, wird sich der Beruf mehr in Richtung Wirtschaft und Wissenschaft ausrichten: weg von den reinen Handarbeiter*innen, hin zu Analyst*innen.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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