Hermann Erlach ist seit 2021 General Manager von Microsoft Österreich.

Hermann Erlach ist seit 2021 General Manager von Microsoft Österreich.

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Interview

Microsoft-Österreich-CEO: “KI muss Chefsache werden”

Hermann Erlach glaubt fest an die Innovationskraft heimischer Unternehmen und sieht KI als neue Basistechnologie

Seit Mai 2021 leitet Hermann Erlach den Microsoft-Standort in Österreich. Im Interview spricht er darüber, welche Potenziale in KI stecken, wie Microsoft mit der Verantwortung umgeht, über ein mächtiges Werkzeug für Millionen von Menschen zu verfügen und wo es spannendes Innovationspotenzial in Österreich gibt.

futurezone: Beginnen wir gleich mit dem Thema, von dem derzeit in der Techwelt alles dominiert wird: KI. Ist Künstliche Intelligenz für Microsoft inzwischen der wichtigste Geschäftsbereich?
Hermann Erlach: Ja, wobei wir es nicht als Geschäftsbereich sehen, sondern als sogenannte Basistechnologie, die jetzt überall einfließt - in jeden Bereich, nicht nur in Software. Sondern in die Prozesse, in die Industrie, in die Art, wie wir arbeiten und kommunizieren, in die Art, wie wir zukünftig Geräte benutzen werden. 

Allerdings wird derzeit von sämtlichen Firmen und Konzernen massiv investiert, aber noch niemand verdient Geld damit. Ist das für Microsoft jetzt erstmal zweitrangig?
Natürlich will man damit mittelfristig Geld verdienen, aber man sieht schon, dass man am Anfang ganz stark investieren muss. Das tun wir auch. Microsoft glaubt aber auch ganz stark an die Optimierung über die Zeit. Die Modelle, die wir jetzt am Anfang sehen, werden kleiner und energieeffizienter werden. Wir investieren extrem in Datencenter-Technologie, in Kabel-Optimierung und Chip-Optimierung. Wir arbeiten mit einem technologieübergreifenden Ansatz bei unserem Energiemix, also da passiert gerade ganz viel.

In welche Richtung geht das?
Wir sehen bei unseren Kunden jetzt schon, wie sie durch den Einsatz von KI ihre Produktivität steigern können. Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Economica zeigt, dass der Einsatz von KI die Wertschöpfung in Österreich um 18 Prozent steigern könnte – ein klares Signal dafür, wie wichtig der Schritt in die digitale Zukunft für Österreich ist. Es wird eine Evolution wie bei anderen Basistechnologien (Elektrizität, Handy, etc.) geben - nur mit einer anderen, schnelleren Geschwindigkeit. 

Kommen wir zum “Elefanten im Raum”, DeepSeek. Die chinesische KI hat gerade sehr viel Hype und auch Unruhe ausgelöst. Sehen Sie DeepSeek auch als Bedrohung oder eher als willkommenen Mitbewerb?
Unser CEO Satya Nadella hat dazu gesagt, wir werden in Zukunft mehr neue Modelle sehen. Grundsätzlich versteht sich Microsoft als technologieoffene Plattform. Wir setzen stark auf OpenAI-Modelle, aber auf unserer Azure-AI-Plattform können auch andere Modelle laufen, darunter DeepSeek, wie wir letzte Woche kommuniziert haben. Aber auch europäische. Man muss sich das ansehen. Ein Fortschritt von Modellen ist jedenfalls etwas, das AI befeuert und eigentlich förderlich ist. 

Stichwort europäische Modelle. Momentan hat man das Gefühl, dass die großen Sachen wieder nur in den USA und China passieren. Hat Europa schon den Anschluss verloren?
Wir haben in Österreich ein Partner-Ökosystem mit 4.500 Partnern, die in diesem Microsoft-Ökosystem arbeiten. Wir haben sehr viele Mitarbeiter, die on-site sind hier in Österreich und die für den österreichischen Markt arbeiten. Damit versuchen wir, die Digitalagenda des Landes positiv mitzugestalten. Wir haben im März eine große Veranstaltung in Wien, die AI Tour, wir eröffnen am Wiener Standort ein AI Lab, um Dinge vorzeigen zu können. Und wir eröffnen im Sommer unser Rechenzentrum in der Region, was ein sehr starkes Investment in den Standort ist. Und wenn man jetzt eine Ebene höher geht, aus Österreich raus, hat man diese Organisationen in jedem Land in Europa. Wir arbeiten auch ganz stark mit Behörden in Europa zusammen, gerade um bei Themen wie Regulierungen zu helfen. 

Das reicht aus, damit Europa beim Thema KI mitspielen kann?
Ich würde sagen, man braucht 3 Sachen, um wirklich große Fortschritte machen zu können: Man braucht Rechenzentrum-Infrastruktur - da investieren wir stark in Europa. Man braucht Daten, also Zugang zu Daten. Und dann braucht man das richtige KI-Modell für den jeweiligen Anwendungszweck. Und ein 4. Punkt vielleicht noch: Man braucht Investitionsstrukturen, also Geld, das zur Verfügung steht, kleineren Unternehmen zum nächsten Schritt zu verhelfen. 

Würden Sie sagen, dass der AI Act in Europa die Innovation bremst bzw. behindert?
Nein, das würde ich nicht so pauschal sagen. Wir arbeiten ja auch daran mit und unterstützen diese Regularien. Die haben Sinn und Berechtigung. Wenn ich mit Kunden im Mittelstand spreche, ist das anders. Die haben manchmal Probleme bei der Administration, weil es natürlich für viele Mittelständler schwierig zu prüfen ist, ob sie sich in Linie mit der Gesetzgebung befinden. Wir versuchen, Software so auszuprägen, dass sie bereits innerhalb dieser Gesetzgebung ist und der Mittelstand das besser nutzen kann.

Welche Weiterentwicklung erwarten Sie sich beim Thema KI in den kommenden 2 Jahren? Was kommt da auf uns zu?
Sehr, sehr, sehr viel. Man unterschätzt in der öffentlichen Diskussion ein bisschen - momentan, wo man viel über Rahmenbedingungen diskutiert - dass es schon supergute und sehr viele Cases in Österreich gibt, die das große Potenzial aufzeigen. Unternehmen tun und machen, sie liefern Anwendungsbeispiele. Bei den Rahmenbedingungen rundherum, bei der Governance ist sicher noch einiges verbesserungswürdig. 

Microsoft ist ein sehr großer Player in Sachen KI. Momentan konzentriert sich die Macht über diese Tools auf ein paar wenige große Unternehmen. Verstehen Sie, wenn sich manche Beobachter darüber auch Sorgen machen - gerade angesichts aktueller politischer Entwicklungen?
Wir nehmen das Thema Verantwortung sehr ernst. Und Vertrauen herzustellen, wird nicht über eine einzelne Firma, sondern nur über Partnerschaften laufen. Mit unserer Initiative “Mach heute Morgen möglich” versuchen wir – gemeinsam mit 250 anderen Firmen in Österreich - die Digitalisierung und den Einsatz von KI im Land voranzutreiben. Je tiefer man reingeht, und das ist ja bei jedem Thema so, desto mehr verliert man dann die Ängste. Bei unserer KI ist eben der Mensch Pilot und die Technologie Co-Pilot. Wichtig ist, sich mit Technologien zu beschäftigen, was natürlich nicht immer ganz einfach ist. Aber dann sieht man, was geht und was nicht geht und was ein potenzielles Gefährdungsszenario ist. Microsoft wird heuer 50 Jahre alt und wir werden weiter gemeinsam mit unseren Kunden daran arbeiten, um die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs langfristig zu stärken.

Wie relevant ist der Standort Österreich eigentlich für so einen großen internationalen Konzern wie Microsoft? Wir sind ja doch ein recht kleines Land.
Das ist für uns sehr wichtig und unterscheidet uns, glaube ich, von anderen Playern in dem Bereich, dass wir diese lokale Agenda verfolgen. Wir haben viele Entwickler hier in Österreich. Wir haben das Data Center, eine massive Investition. Wir haben viele Mitarbeiter in Österreich. Österreich ist ein Land mit einer starken Microsoft-Durchdringung, was mich natürlich sehr, sehr freut. Das ist ein sehr kraftvolles Land und hat sich in den letzten 3, 4 Jahren super entwickelt. In Sachen Wachstum sind wir hier stark. Ich halte auch die Nähe zum Markt, die Nähe zu den Executives, die österreichische Ausprägung für extrem wichtig. Wir versuchen auch wirklich, für das Thema Digitalisierung und Modernisierung zu werben.

Sie haben einen guten Überblick über die Branche: Wie innovativ sind wir in Österreich im internationalen Vergleich überhaupt?
Österreichische Unternehmen sind sehr innovativ. Spar minimiert Lebensmittelverschwendung im Handel mittels KI und optimierter Lieferketten. Andritz arbeitet gemeinsam mit uns an der Zukunft der Prozessindustrie, um vollständig autonome Anlagebetriebe zu ermöglichen. Und der Hera Space Companion macht die Raumfahrt dank eines interaktiven KI-Assistenten, der Echtzeitdaten aus dem All liefert, für jedermann zugänglich. Österreich ist aber auch ein Mittelstandsland. Insofern ist “what keeps me awake at night” nicht so stark die Frage, wie die großen Unternehmen mit dem KI-Thema umgehen, sondern wie kriegt man KI in den Mittelstand rein? 

Auch Bildung ist da ein Thema. KI muss Chefsache werden und darf nicht unterschätzt werden als Technologie, die als Appendix irgendwo dranhängt. Man muss sich wirklich überlegen, mit Verantwortlichkeit, mit der entsprechenden Regulierung, mit Rahmenbedingungen: Wie kann ich das Thema in jeden Bereich einfließen lassen? Und ich hoffe, dass KI in weiten Bereichen Dinge zum Positiven verändert. Wenn man Chancen sieht und in Chancen reingeht, dann kann man sie nutzen und man kann die Gefahren besser beherrschen.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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