© Unsplash | Claudio Schwarz

Werbung

Bitcoin: Ein Millionen-Schatz begraben unter Müll

Die unglaubliche Geschichte von James Howells

Im Jahr 2013 unterlief dem IT-Spezialisten James Howells ein folgenschwerer Fehler: Er entsorgte versehentlich eine Laptop-Festplatte, auf der sich der private Schlüssel zu seinem Bitcoin-Wallet befand. Auch damals war das angesichts der 8000 BTC im Wallet bereits mehr als nur ein kleines Missgeschick. Inzwischen hat sich der Wert allerdings noch einmal vervielfacht. Nach mehreren Preisrallyes in den seitdem vergangenen 12 Jahren wären die Bitcoin auf der Festplatte heute mehr als 800 Millionen US-Dollar wert. 

Kein Wunder also, dass der Waliser alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, seine Festplatte aus der Docksway-Deponie in Newport im Süden des Landes zu bergen. Doch die Zeit drängt – die Stadt plant, auf dem Gelände Windkraftanlagen zu errichten.

Eine Mülldeponie als Schatzinsel

Seit über zehn Jahren liegt die Festplatte unter massiven Müllschichten begraben. Nach Howells’ eigenen Berechnungen könnte sie in einer Tiefe von bis zu 15 Metern verborgen sein. Die Stadtverwaltung von Newport geht davon aus, dass 25’000 Kubikmeter Müll und Erde mit einem Gewicht von bis zu 200’000 Tonnen auf der HDD lasten. Die Verantwortlichen sehen deshalb keine realistische Erfolgsaussicht, die Festplatte zu finden – geschweige denn in einem funktionsfähigen Zustand. 

Mehrere frühere Anfragen auf eine Suchgenehmigung wurden abgelehnt. Als Gründe führte die Stadtverwaltung nicht nur die geringen Erfolgsaussichten an, sondern auch die zu erwartenden Kosten und die kaum abschätzbaren Risiken für die Umwelt, die eine solche Suche in seit Jahren verrottenden Abfällen mit sich bringen würde.

Doch Howells gibt nicht auf. Er hat Investoren an Bord geholt und bietet der Stadt an, die gesamte Müllhalde zu kaufen. Mit einem Budget von 11 Millionen US-Dollar will er eine hochmoderne Suche finanzieren – mit von Künstlicher Intelligenz unterstützen Suchrobotern, Drohnen und sensorgesteuerten Müllsortieranlagen.

Die technischen Herausforderungen einer Bitcoin-Rettung

Die geringe Wahrscheinlichkeit, die Festplatte überhaupt noch aus ihrem tiefen Grab zu bergen, einmal außen vorgelassen: Wie sieht es eigentlich mit den Chancen aus, dass die Daten darauf noch lesbar wären? Vorsichtig ausgedrückt: nicht gut. Denn die technischen Rahmenbedingungen sind denkbar schwierig.

  • Mechanische Belastung: Über die Jahre wurde der Müll durch schwere Maschinen immer weiter verdichtet. Laptop-Festplatten enthalten oft Glas-Platter, die unter Druck zerspringen können. Sollte die Festplatte zerbrochen sein, wäre eine Wiederherstellung nahezu ausgeschlossen.
  • Feuchtigkeit und Korrosion: Müllkippen sind feuchte, chemisch aggressive Umgebungen. Metallische Komponenten rosten, und magnetische Platter können durch chemische Prozesse zerstört werden.
  • Temperaturschwankungen: Die Festplatte hat mehr als ein Jahrzehnt lang extreme Temperaturschwankungen erlebt – von Frost bis Sommerhitze. Diese Bedingungen können Bauteile spröde machen und die Elektronik zerstören.

Welche Rettungsmethoden sind überhaupt denkbar?

Und wenn Howells ein riesiger Glückspilz wäre und die Festplatte tatsächlich von mechanischer Belastung und Umwelteinflüssen weitgehend unbeschadet gefunden würde? Könnte man die Daten auslesen? 

Auch wenn Datenrettungen von Festplatten selbst bei schwerwiegenden Defekten heute kein Hexenwerk mehr sind, halten Experten eine Rekonstruktion der Daten von Howells Festplatte für äußerst herausfordernd, aber nicht unmöglich. Die folgenden Verfahren könnten zum Einsatz kommen: 

Realistische Verfahren

  • Platter-Transplantation: Falls die magnetischen Scheiben intakt sein sollten, bestünde die Möglichkeit, sie in ein baugleiches Spenderlaufwerk einzusetzen und auszulesen.
  • Reinraum-Imaging: Durch spezielle Reinraum-Techniken, die auch im Alltag von Datenrettern eine wesentliche Rolle spielen, könnte ein direktes Abbild der Festplatte erstellt werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass keine umfangreicheren Schäden an den Plattern vorliegen dürfen.

Spekulative Verfahren

  • Magnetic Force Microscopy (MFM): Eine Methode, die gerade oft als Lösung diskutiert wird. Professionelle Datenretter wissen aber: In der Praxis wären enorme Herausforderungen zu überwinden. Mittels MFM können Magnetisierungsreste sichtbar gemacht werden, aber die Rekonstruktion von Daten ohne Servospuren ist weitgehend unerprobt. Zudem würde das Scannen einer ganzen Festplatte selbst unter günstigen Rahmenbedingungen Jahre dauern.
  • Fehlerkorrekturmechanismen: Moderne Festplatten nutzen Error Correction Codes (ECC), aber diese zielen eigentlich auf die Korrektur von kleinen Bitfehlern ab. Inwiefern sie bei zerstörten oder gar komplett fehlenden Sektoren hilfreich sein können, wie sie bei Howells Festplatte zu erwarten sind, bleibt abzuwarten.

Fazit: 3 große Hürden – und die Hoffnung auf ein Wunder

Trotz enormer Fortschritte, die es in der Datenrettung innerhalb der letzten Jahre gegeben hat, steht Howells mit seinem Vorhaben vor enormen Herausforderungen. 

Hürde 1: Die Behörden doch noch davon zu überzeugen, ihm die Erlaubnis für eine groß angelegte Suchoperation zu erteilen. 
Hürde 2: Die Festplatte tatsächlich zu finden – und das in einem zumindest halbwegs verwendungsfähigen Zustand. 
Hürde 3: Eine erfolgreiche Datenrettung. Die Chancen auf eine lesbare Wiederherstellung stehen nicht gut.

James Howells hat jedoch längst nicht aufgegeben. Sollte er trotz aller Widrigkeiten letzten Endes doch erfolgreich sein, dürfte er mit Fug und Recht verkünden, dass ihm die spektakulärste Datenrettung der Geschichte gelungen ist.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!