FILE PHOTO: The cockpit of Jet Airways Boeing 737 MAX 8 aircarft is pictured during its induction ceremony at the Chhatrapati Shivaji International airport in Mumbai
© REUTERS / Abhirup Roy

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Boeing-Absturz: Flugaufsicht kannte Probleme der 737 Max 8

Die komplexen Anforderungen an Piloten in einer Situation wie bei den zwei Abstürzen von Boeing-Maschinen des Typs 737 Max 8 waren den Flugaufsichtsbehörden in Europa und den USA schon lange bekannt. Das geht aus einem Dokument hervor, das die Nachrichtenagentur Reuters ausgewertet hat.

Die europäische Aufsicht EASA zertifizierte das Flugzeug auf der Basis, dass zusätzliche Prozesse und Trainings die Piloten darüber aufklärten, wie sie in diesem für selten gehaltenen Fall ein manuelles "Trimmrad" zur Korrektur der Lage des Flugzeuges einsetzen müssten. Auch die US-Aufsicht FAA hatte den EASA-Unterlagen zufolge Bedenken, dass das herkömmliche Korrektur-Prozedere in einem solchen Fall ausreicht. Das im Internet zugängliche Dokument der EASA sei im Februar 2016 veröffentlicht worden, erklärte ein Behördensprecher. Es beziehe sich auf die Trainingsunterlagen, die Boeing Airlines zur Verfügung stelle.

Anweisung fehlt

Im Schulungsmaterial von American Airlines für die 737 Max 8 war genau diese Anweisung aber nicht enthalten. In der Version vom Oktober 2017 wird das seit den 60er-Jahren in der Cockpit-Mittelkonsole verbaute Rad zwar erwähnt, aber nicht erläutert, unter welchen Umständen es zu benutzen ist. Auch in den Trainingsunterlagen von Boeing für die Fluggesellschaft Lion Air, von der als erstes ein 737-Jet im Oktober kurz nach dem Start in Indonesien verunglückte, habe sich dazu nichts gefunden, sagte ein Insider. Boeing habe erst nach dem Absturz darüber aufgeklärt. Der US-Flugzeugbauer lehnte eine Stellungnahme zu dem EASA-Dokument und den Informationen zu Lion Air mit Verweis auf die laufenden Untersuchungen ab.

Der Absturz der am 10. März verunglückten 737 von Ethiopian Airlines ähnelt dem des Lion-Air-Fliegers, wenngleich Aufsichtsbeamte vor voreiligen Schlüssen warnen, weil die Untersuchungen zur Katastrophe in Äthiopien noch am Anfang stehen. Bekannt ist über den Fall Lion Air, dass durch fehlerhafte Daten eines Sensors das automatische Kontrollsystem MCAS die Nase des Flugzeugs immer wieder nach unten drückte, während die Piloten durch manuelle Eingriffe das vergeblich zu verhindern versuchten.

"Gar nicht so einfach"

Nach der EASA-Zulassung werden Piloten in einer solchen Situation angehalten - bei geschlossenen Klappen und mehr als 425 Stundenkilometern Geschwindigkeit - das Trimmrad zu drehen statt einen Schalter am Steuerknüppel zu drücken. Ein 737-Pilot, der nicht namentlich genannt werden wollte, berichtete, das Rad sei bisher äußerst selten betätigt worden. Er selbst habe es ein einziges Mal im Simulator geübt. Ein Pilot müsse dazu Kraft aufwenden, es sei etwa so wie eine Bootswinde zu bedienen. "Es ist physisch gar nicht so einfach, die Lage des Flugzeugs darüber zu korrigieren."

Aus den Unterlagen der EASA geht hervor, dass die für die Boeing-Zulassung in erster Linie zuständige US-Behörde FAA Bedenken hatte, dass die Korrekturmöglichkeit über den Schalter zu schwach sei. Die FAA wollte sich dazu nicht äußern.

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