An aerial photo shows Boeing 737 MAX airplanes parked on the tarmac at the Boeing Factory in Renton
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Wichtige Sicherheitsfunktionen für Boeing 737 Max 8 kosteten extra

Die Fehler, die zum Absturz von zwei Boeing 737 Max 8 geführt haben sollen, hätten mit optionalen Features frühzeitig entdeckt werden können. Das berichtet die New York Times. Demnach bot der US-Flugzeughersteller gegen Aufpreis zusätzliche Sensoren an, die vor einem Fehlverhalten des umstrittenen Systems zur Fluglagestabilisierung warnen sollen. Das System soll eigentlich erkennen, ob der Anstellwinkel des Flugzeugs zu steil ausfällt, wodurch es zu einem Strömungsabriss kommen könnte. Fehlerhafte Sensordaten aktivierten das System jedoch trotz stabiler Lage, wodurch die Nase nach unten gedrückt wurde. Da viele Piloten nicht ausreichend auf das neue Modell geschult wurden, konnten diese das System nicht rasch genug deaktivieren.

Das hätten die Systeme, die Boeing gegen Aufpreis anbot, zwar nicht verhindern können, sie hätten aber früher einen Hinweis auf fehlerhafte Sensordaten liefern können. Eines der beiden Systeme lieferte den Piloten beispielsweise die Rohdaten jenes Sensors, der den Anstellwinkel misst. Das andere war ein Signal, das aufleuchtete, sobald die Sensoren widersprüchliche Ergebnisse liefern.

Fluglinie zieht Auftrag zurück

Der Vertrauensverlust in den Airbus-Konkurrenten ist groß, viele Menschen weigern sich nun, mit Boeing-Maschinen zu fliegen. Daraus ziehen auch die Fluglinien ihre Konsequenzen. Mit Indonesiens staatlicher Fluggesellschaft Garuda bestätigte nun die erste Fluglinie, dass sie eine Großbestellung zurückziehen wolle. Garuda hatte 49 Maschinen des Typs Boeing 737 Max bestellt.

Der Wert der Bestellung von Garuda Indonesia liegt nach Listenpreis bei mehr als vier Milliarden Euro, bei Großaufträgen sind aber starke Rabatte üblich. Garuda ist die größte Fluglinie des südostasiatischen Landes. In einem Schreiben an Boeing, das am Freitag veröffentlicht wurde, heißt es über den Unglücksflieger 737 Max 8: "Unsere Passagiere haben seit den Abstürzen nur noch geringes Vertrauen in diese Maschine. Sie vermeiden es, die Max 8 zu benutzen".

Boeing hält sich bedeckt

Viele Fluglinien weltweit lassen ihre Boeing 737 Max - ein recht neues Modell - nach den Abstürzen sicherheitshalber am Boden. Derzeit laufen internationale Untersuchungen, ob möglicherweise eine fehlerhafte Technik Grund für die Unglücke ist. Auch die Frage, ob bei der Zulassung der Flieger durch die US-Luftfahrtbehörde FAA alles mit rechten Dingen zuging, ist Gegenstand von Ermittlungen, in die sich jüngst auch die US-Bundespolizei FBI eingeschaltet haben soll.

Eine der abgestürzten Maschinen vom Typ Boeing 737 Max 8 gehörte der indonesischen Billigfluglinie Lion Air. Die andere flog für die äthiopische Ethiopian Airlines. Garuda selbst hatte bisher nur einen solchen Jet in Betrieb, der jetzt möglicherweise verkauft oder zurückgegeben wird. Ob die indonesische Airline ihre Boeing-Maschinen einfach so abbestellen kann, bleibt abzuwarten. Aus den Verträgen auszusteigen, könnte sich schwierig gestalten. Ein Boeing-Sprecher erklärte auf Nachfrage lediglich, dass sich der Konzern grundsätzlich nicht zu Verhandlungen mit seinen Kunden äußere.

USA machen Druck

Einem Garuda-Sprecher zufolge wird kommende Woche eine US-Delegation zu Gesprächen erwartet. Dabei solle es um die künftige Zusammenarbeit gehen. "Möglich ist, dass wir uns für die Bestellung eines anderen Boeing-Modells entscheiden." Der indonesische Billigflieger Lion Air, der zehn Boeing 737 Max hat, liegt seit dem Absturz einer seiner Maschinen Ende Oktober ebenfalls mit dem Hersteller im Clinch. Der Finanzdienst Bloomberg berichtete unter Berufung auf Insider, dass Lion Air einen Wechsel zu Boeings Erzrivalen Airbus erwäge.

Bis zuletzt zeigten sich die meisten Experten noch relativ gelassen, was einen größeren Auftragsschwund für Boeing angeht. Die neue 737-Max-Serie sei "zu groß zum Scheitern", hieß es etwa bei den Analysten der Berenberg Bank. Boeings wichtigste Baureihe, die für knapp ein Drittel des Umsatzes und über 50 Prozent des Gewinns stehe, sei neben dem Airbus-Konkurrenzmodell A320 unerlässlich, um die große weltweite Nachfrage nach kleineren Passagierflugzeugen zu bedienen. "Es gibt keine sinnvolle Alternative für einen massenhaften Umstieg".

Unklar, ob System ordentlich geprüft wurde

Doch der Druck auf Boeing wird zweifelsohne immer größer und weitere Stornierungen sind keineswegs auszuschließen. Es vergeht kaum ein Tag ohne neue Medienberichte, in denen im Zusammenhang mit dem Unglücksflieger 737 Max 8 heftige Vorwürfe gegen den Flugzeugbauer erhoben werden. In den USA prüft derzeit der Generalinspekteur des Verkehrsministeriums, ob die Maschinen mit der umstrittenen Steuerungssoftware MCAS überhaupt hätten zertifiziert werden dürfen. Diese Software gilt als mögliche, entscheidende Ursache beider Abstürze und Boeing will sie rasch überarbeiten.

Ermittelt wird auch gegen US-Verteidigungsminister Patrick Shanahan, der jahrelang Manager bei Boeing war, bevor er in die Regierung von Präsident Donald Trump wechselte. Es soll untersucht werden, ob Shanahan sein Ministeramt genutzt hat, um seinem früheren Arbeitgeber Vorteile zu verschaffen. Boeing ist auch einer der größten Rüstungshersteller in den USA und pflegt traditionell einen sehr engen Draht zur Regierung. Für besonderen Argwohn sorgt derzeit das Verhältnis zur Luftfahrtbehörde FAA, die im Verdacht steht, bei der Sicherheitsprüfung der 737 Max ein Auge zugedrückt zu haben.

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