Shrek und Spaniel heben ab

Shrek und Spaniel heben ab

© US Navy

Militärtechnik

So bekommen Kampfjet-Piloten wirklich ihre Spitznamen

Ein Flugzeugträger im Sonnenuntergang, coole Typen geben sich High-Fives am Flugdeck. Maverick, Iceman und Merlin gehen zu ihren F-14s. Ihre Spitznamen, die Callsigns, sind auf das Cockpit der Kampfflieger gemalt.

Die Realität ist anders. Zwar gibt es auch hier Sonnenuntergänge und High-Fives. Die Callsigns lauten aber „Stinker“, „Hässlicher Kleiner Typ“ und „Redet Viel, Weiß Absolut Nichts“. Ob der Film Top Gun mit solchen Callsigns auch erfolgreich gewesen wäre?

Auf Twitter (X) hat Ben Kohlmann berichtet, wie die Pilot*innen bei der US Navy zu ihren Spitznamen kommen. Er flog zwischen 2004 und 2015 F/A-18s im aktiven Dienst und ist jetzt in der US Navy Reserve.

Ein Komitee entscheidet

Bei der US Air Force dürfen sich die Piloten ihre Callsigns angeblich selbst aussuchen. „Deshalb fliegen dort ,Ripper’ und ,Thor’“, erklärt Kohlmann. Bei der Navy schaut das anders aus.

Hier bekommt man den Spitznamen, wenn man etwas macht, das in Erinnerung bleibt oder dumm ist. Bis es soweit ist, werden die neue Pilot*innen im Schwadron nur „FNG“ (Fucking New Guy – verdammter neuer Typ), „New Jack“ oder „Don’t Speak“ (rede nicht) genannt.

Sollte die oben besagte Aktion eintreten (dumm oder bemerkenswert), ruft der aktuelle König oder die Königin des JOPA das „Callsign Review Board“ ein – also den Rat zur Bewertung der Spitznamen. JOPA steht für Junior Officer Protection Agency, eine informelle Organisation von Unteroffizieren in der US Navy. Deshalb gibt es dafür auch keinen Commander, sondern eben eine König, bzw. eine Königin.

Beim Spitzennamen-Rat darf jeder einen Vorschlag für die Person machen, um die es geht. „Üblicherweise gibt es viele Vorschläge, wovon die meisten absurd oder bösartig sind“, sagt Kohlmann. Dann werden ein paar Finalisten bestimmt. Der Rat stimmt über diese ab und so wird das Callsign für die Pilot*in festgelegt. Der befehlshabende Offizier hat aber immer ein Vetorecht und nutzt dieses auch manchmal. Das ist zB. bei offensichtlichen Schimpfworten der Fall oder Spitznamen, die rassistisch sind.

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Vom Stinker zum Professor

Kohlmann hatte bei seiner Ausbildung das Callsign „Stink“ – Stinker. „Sagen wir einfach, ich habe nicht immer meinen Pilotenanzug gewaschen, nach einem Flug in einem heißen Mississippi-Sommer. Der Geruch war beißend.“

Später wurde er „Professor“, als er seinem ersten Schwadron zugewiesen wurde. Er erinnert sich noch gut daran, wie es dazu gekommen ist. „Mein erster Landausflug war in Hong Kong. Dort legen üblicherweise alle zusammen, um das teuerste Penthouse in einem Luxushotel zu buchen. Da schlafen dann 30 Leute am Boden.“

Einer muss immer die „Admin Queen“ sein. Diese Person bleibt nüchtern und muss die Verantwortung übernehmen, damit die Situation nicht aus dem Ruder läuft, wenn jemand Hilfe braucht oder mit dem Hotel-Personal kommuniziert werden muss. Kohlmann war für die zweite Nacht die Admin Queen.

„Um 2 Uhr früh gingen alle anderen in die Stadt. Also machte ich das, was jeder tun würde: Ich wechselte die Musik von Rap zu Beethoven und las in meinem Buch über die amerikanische Rechtsgeschichte, um mir die Zeit zu vertreiben. Das war ein Fehler.“ Ein älterer Schwadronskamerad taumelte betrunken ins Penthouse und sah Kohlmann: „Was haben wir denn hier? Der Professor bei der Arbeit!“, rief er entzückt. Kohlmann war bereits an der Spitze der Liste für den Callsign-Rat, der nächste Woche auf dem Flugzeugträger stattfinden sollte. Und so wurde er Professor.

Viele Namen sind wenig schmeichelhaft

Kohlmann sind viele Callsigns seiner Kamerad*innen in Erinnerung geblieben. Hier sind einige davon.

LOTHAR: Kurz für „Loser of the American Revolution“ – Verlierer der Amerikanischen Revolution. Als er ein junger Pilot war, war er der erste Brite, der einem amerikanischen F/A-18-Schwadron an der Front zu gewiesen wurde. „Er nahm sein Callsign mit so viel Anstand hin, wie es nur ein Brite tun würde.“

Chaser: Klingt eigentlich ganz in Ordnung, steht aber für „Shit Chaser“ – Scheissejäger. Bevor er F-14s flog, war er in der Navy bei HT – Hull Tech. „Das sind die Typen, die dafür sorgen, dass die Leitungen nicht verstopfen. Auf den Schiffen nennt man sie Shit Chasers. Den Spitznamen wurde er auch nicht los, als er Offizier wurde.“

SLUGZ: Kurz für „Short Little Ugly Guy“ – hässlicher kleiner Typ. Er war ein Mentor von Kohlmann und sollte ihm dabei helfen, die Flugzeugträger-Landungen zu meistern. „Eigentlich war er gar nicht so klein. Aber der Name passt zu seiner Persönlichkeit“.

PETA: Benannt nach der US-Tierschutzorganisation. Gerüchten zufolge hat er bei einem seiner ersten F-14-Flüge beim Ausrollen nach der Landung ein Reh erwischt. „Das Reh starb. Das Flugzeug war in Ordnung. Das Callsign war offensichtlich.“

Soccer Mom: Eine nicht schmeichelhafte Bezeichnung für Mütter, die ihre Kinder sehr aggressiv unterstützen, auch von den Zuschauerplätzen aus bei Sportveranstaltungen. Klassiker: Schiedsrichter beflegen, wenn die Tochter oder der Sohn gefoult wird. „Das war der erste Spitzname von meinem Bruder. In der Flugschule hatte er eine alte grüne Familienkutsche, währen alle anderen mit ihren schicken Sportwagen anrollten.“

Amtrack: Das amerikanische Gegenstück zur ÖBB. „Der Typ war ein absolutes Wrack (engl. Train Wreck) wenn er betrunken war.“

Bar Code: Englisch für Strichcode. „Wir haben einen Strichcode auf die Seite seines Flugzeugs gemalt.“ Zuvor hatten sie ihn „R2“ genannt, weil er sich wie ein Roboter benommen hat. „Aber Bar Code war zu gut, um es nicht als Callsign zu nehmen.“

TAKAN: Kurz für: „Talks A Lot, Knows Absolutely Nothing“ – redet viel, weiß absolut gar nichts.

Wiki: Angelehnt an Wikipedia. „Er war die Quelle allen dubiosen Wissens. Er hatte für alles eine Antwort, bis ins kleinste Detail. Allerdings war er auch der Vater der Falschinformation – bevor Falschinformationen überhaupt ein Ding waren.“

Sandy: Kurz für „Skipper And Nasty Did it Yesterday“ – Skipper und Nasty haben es gestern gemacht. Nasty war das Callsign eines Piloten, der berüchtigt für seine Flybys war. Er flog mit nahezu Überschallgeschwindigkeit am Flugdeck vorbei, sodass man die Schockwelle spüren konnte. Ein neuer Pilot hat das auch versucht. „Schlechte Idee. Er durfte ein paar Tage nicht fliegen. Seine Ausrede war: ‚Aber Skipper und Nasty haben es gestern gemacht!‘ Und so bekam er seinen Spitznamen.“

Boom Boom: Bei einem Trainingsflug sind dem Piloten beim Ausrollen bei der Landung beide Reifen geplatzt.

Tofu: „Ein pummeliger, weißer Typ. Er hat sein Callsign würdig vertreten.“

Shortney: Das Callsign für den 4-Sterne-General, für den Kohlmann gearbeitet hat. Sein Nachname war Gortney und er war nur 167 cm groß. Aus Gortney und short (engl. Kurz) wurde Shortney.

Weitere Callsigns, denen Kohlmann in seiner Karriere unter anderem begegnet ist: Radio, Satan, Sweet P, Rabbit, Mouth, Waldo. „Einen Maverick habe ich aber nie getroffen.“

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