Rassismus nach Elfmeterschießen: "Der Hass kommt in Wellen"
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Das EM-Finale, bei dem die englische Mannschaft beim Elfmeterschießen gegen Italien verlor, endete für die drei Schützen Bukayo Saka, Marcus Rashford und Jadon Sancho in einer Welle von Hass im Netz. Zahlreiche Beschimpfungen und auch Todesdrohungen wurden auf den großen Plattformen wie Twitter, Instagram oder Facebook gepostet.
Es ging sogar so weit, dass der Social-Media-Dienst Twitter aus den vielen rassistischen Beschimpfungen automatisch die Phrase "SayNoToRacism" (engl. "Sag Nein zu Rassismus") machen musste. Dort hieß es "Verzieh dich aus meinen Land!!!", Affen-Emojis und das N-Wort waren ebenfalls allgegenwärtig - und das waren noch die inhaltlich harmloseren Postings.
Aufregung um Online-Postings gab es zuletzt auch hierzulande. So wurde etwa die Ankündigung, dass die Freundin von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Susanne Thier, schwanger ist, in sozialen Netzwerken teilweise von Häme und Hassbotschaften begleitet. Justizministerin Alma Zadic war in der Vergangenheit sogar Ziel rassistischer Angriffe im Netz.
Starke Emotionen
Wie kann es soweit kommen, dass immer wieder solche Hass-Mobs entstehen? "Solche Hassnachrichten sind meist die Folge starker Emotionen. Das kommt immer in Wellen, zum Beispiel gab es einen Anstieg nach dem Tod von George Floyd und nun ist eine weitere große Welle zu erwarten, da das EM-Finale viele emotionalisiert", sagt Psychologe Rainer Alexandrowicz von der Uni Klagenfurt. Das konnte er in einer Studie mit seinem Team nachweisen.
Das liegt auch an den Algorithmen der sozialen Netzwerke. "Die Plattformen ermöglichen und begünstigen alle Formen des unüberlegten Handelns. Die Algorithmen sorgen dafür, dass Blasen entstehen und Menschen vermehrt Postings sehen, die ihre Meinung bestätigen. Sie denken schnell und handeln dementsprechend. Viele würden die Kommentare bei rationaler Betrachtung nicht mehr schreiben," sagt Alexandrowicz. Die Nutzer lesen immer wieder Inhalte von Gleichgesinnten.
Erhalten sie Gegenwind, etwa durch negative Kommentare unter ihrem Posting, wird dessen Reichweite noch erhöht. Dann bekommen immer mehr Menschen die Nachrichten zu sehen und das Thema wird zu einem Trend. "Die Menschen realisieren gar nicht, wie viel Macht sie im Internet haben", sagt Barbara Liegl, eine der Geschäftsführerinnen der Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit (ZARA). Die Organisation unterstützt Opfer von Rassismus und leistet Aufklärungsarbeit.
Unüberlegte Grenzüberschreitung
Insbesondere während der Corona-Pandemie und dem Lockdown nahmen die Meldungen von rassistischen Postings bei ZARA stark zu. Gingen im Jahre 2019 noch 1.070 Meldungen, ein, zählte 2020 mit 2.148 mehr als doppelt so viele. Mehr dazu erfährt man im Rassismus-Report 2020 (PDF).
Laut Liegl lag das vor allem daran, dass sich das Leben ins Internet verlagert hat. "Menschen fühlen sich im virtuellen Raum unbeobachtet. Man sieht die Mitlesenden nicht", erklärt die Expertin. Vielen sei nicht klar, dass online die gleichen Regeln und Gesetze des Zusammenlebens gelten, wie im analogen Raum. "Vielen ist gar nicht bewusst, dass sie strafrechtliche Grenzen überschreiten, weil sie die Gesetze nicht gut genug kennen."
Wichtige Gegenrede
Drohungen, Beleidigungen und Cyber-Mobbing sind zwar strafbar, Liegl hält aber Gegenrede für besonders wichtig: "Das signalisiert stummen Mitlesenden und Betroffenen, dass sie Unterstützung haben." Mit dem Projekt "Schneller Konter" wurde daher eine Web-App geschaffen, die kreativen und einfachen Widerspruch generiert. Nutzer*innen können sich so eine Gegenrede erstellen lassen, die sie sofort posten können.
Hilfreich sei auch darüber aufzuklären, dass man für ein bestimmtes Posting angezeigt werden könnte, um die Menschen dafür zu sensibilisieren. Alexandrowicz und sein Team erarbeiteten zusammen mit ZARA deshalb den "Counter-Bot". Mithilfe von künstlicher Intelligenz soll automatisch Gegenrede zu rassistischen Hasspostings erzeugt werden.
Kostenlose Beratung
Trotzdem ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Insbesondere mit dem "Hass im Netz"-Paket, das seit 1. Jänner in Kraft ist, können alle Opfer von Online-Angriffen schneller Hilfe erhalten. So können Betroffene dafür sorgen, dass Inhalte schnell gelöscht werden. Auf der Webseite justizonline.gv.at kann ein entsprechender Unterlassungsauftrag heruntergeladen werden.
Darunter fallen Inhalte, die üble Nachrede, Beleidigungen sowie Androhung von Gewalt enthalten. Wer Cybermobbing erfährt, kann das seit dem neuen Gesetz bereits ab dem ersten Posting anzeigen. Dazu gehört unter anderem das Bloßstellen, wie etwa das Posten eines Nacktfotos.
Wer sich nicht sicher ist, ob Postings bereits eine Straftat sind, erhält Hilfe bei der Beratungsstelle gegen Hass im Netz. Im Rahmen des kostenlosen Angebots erhält man eine Einschätzung seines Falls. Außerdem werden Handlungsstrategien aufgezeigt. Möchte man rechtliche Schritte einleiten, unterstützt die Beratungsstelle Opfer hierbei. Betrieben wird die Stelle von der gemeinnützigen Organisation ZARA. Sie ist über die Webseite zara.or.at oder unter der Wiener Telefonnummer 01/9291399 erreichbar.
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