"Wir nutzen noch nicht mal die vollen Fähigkeiten von 5G"
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Sie haben für Huawei schon in vielen Ländern gearbeitet und sind jetzt Vice-President für Zentral-, Ost- und Nordeuropa. Wie groß sind die Unterschiede bei der Mobilfunkinfrastruktur zwischen den Staaten?
Radoslaw Kedzia: Einige sind sicherlich weiter fortgeschritten, aber die Grundlagen sind überall da. Die meisten europäischen Länder sind auf dem Weg, um eine flächendeckende Bandbreite von 100 Mbit/s gemäß europäischer Vereinbarungen zu erreichen. Das ist notwendig, denn wir leben in einer Informationsgesellschaft. Egal ob Internetverbindungen über Kabel oder kabellos hergestellt werden, Kommunikationstechnologie ist fundamental. Wir helfen dabei, grüne Netzwerke aufzubauen.
Wodurch zeichnen sich grüne Netzwerke aus?
Schon vom Produktdesign an, streben wir nach einem möglichst geringen Energieverbrauch. Die Geräte sind kompakter, vereinen mehrere Technologien in einem Gesamtpaket. Darüber hinaus geht es um eine Kreislaufwirtschaft während der gesamten Einsatzdauer eines Produkts. Unsere Zulieferer müssen bestimmte Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllen. Bei Verpackung, Transport und der Verwertung nach dem Einsatz wird ebenso darauf geachtet. Außerdem bieten wir grüne Energielösungen für unsere Produkte an, etwa die Stromversorgung mittels Photovoltaik. Jeder weiß, dass grüne Netzwerke wichtig für das Erreichen der Klimaziele sind. Wir haben das in unserer DNA.
In der Vergangenheit hat es große Erwartungen an 5G und seine Rolle in der Industrie 4.0 gegeben. Konnten diese Idee bisher erfüllt werden?
Das ist keine Idee, das ist die nächste Stufe der menschlichen Entwicklung. In der Industrie kamen zuerst Dampfmaschinen, dann Elektrizität, Computer und jetzt kommt eine neue Ära. Die Cloud, künstiche Intelligenz und Vernetzung werden die Fundamente für eine Informationsgesellschaft. Das passiert, während wir hier sprechen. In einigen Jahren werden 65 Prozent der Weltwirtschaftsleistung durch digitale Mittel erzeugt werden. Wie Industrieunternehmen 5G einsetzen, liegt aber an ihnen. Wir stellen die Ausrüstung und die Werkzeuge dafür zur Verfügung. Wir sehen Fortschritte, aber es gibt noch Luft nach oben.
In Linz hat Huawei gemeinsam mit der Firma Dronetech gezeigt, dass Drohnen mit 5G-Verbindung künftig eine wichtigere Rolle in der Landwirtschaft und in anderen Wirtschaftsbereichen spielen können. Der Einsatz ist derzeit aber noch sehr beschränkt. Hindert die Regulierung 5G daran, seine vollen Kapazitäten zu entfalten?
Der Luftraum muss ordentlich reguliert werden. Die EU arbeitet an neuen Regeln für Drohnen, ich hoffe dieser Prozess kann noch beschleunigt werden. Es braucht ein besseres Verständnis für die möglichen Vorteile. Wenn wir in der Landwirtschaft Pestizide reduzieren und den Ertrag steigern können, liegt der Nutzen eigentlich auf der Hand.
5G wird auch immer wieder in Verbindung mit V2X gebracht, also der Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur. Aber wie klar ist es, dass 5G und nicht eine andere Technologie dafür eingesetzt wird?
Das ist ein Dilemma wie früher zwischen Betamax und VHS oder Zune und iPod. Der Wettkampf ist noch nicht entschieden. Ich bin überzeugt, dass 5G besser ist. Es ist leichter einzuführen und kann flexibel genutzt werden. Außerdem ist es ein globaler Standard. Aber es ist möglich, dass es in verschiedenen Teilen der Welt künftig unterschiedliche Lösungen für V2X geben wird.
Einen seiner Vorteile, die hohe Bandbreite, sollte 5G in Zukunft bei großen Veranstaltungen ausspielen, wo viele Menschen gleichzeitig Mobilfunk nutzen wollen. Konnte man diese Eigenschaft bisher schon nutzen?
Ja. Die Olympischen Winterspiele in Südkorea vor 4 Jahren waren das erste große Vorzeigeprojekt. Mittlerweile gibt es viele Anwendungsfälle, etwa die Haddsch, die jährliche islamische Pilgerfahrt nach Mekka. Da sind hunderttausende Menschen in einem kleinen Gebiet. Das ist das Schöne an 5G: Mit Multi-Beam-Forming kann man in dichten Gebieten eine große Menge Daten übertragen. So wurde 5G designt. Wir nutzen noch nicht mal seine vollen Fähigkeiten.
Virtual Reality ist ein weiteres großes Anwendungsfeld von 5G mit seiner kurzen Latenzzeit. Wie steht Huawei zu der Idee eines Metaversums, das die Zukunft des Internet sein soll?
Das ist eine gute Sache, es kann die Wahrnehmung der Menschen erweitern. Als Infrastruktur-Provider unterstützen wir die Entstehung eines Metaversums, aber die Umsetzung überlassen wir unseren Kunden.
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