Symbolbild: Test einer russischen Interkontinentalrakete

Symbolbild: Test einer russischen Interkontinentalrakete

© APA/AFP/Russian Defence Ministry/HANDOUT / HANDOUT

Militärtechnik

Russland testet Nuklear-betriebene Rakete mit unendlich Reichweite

Laut dem russischen Präsidentin Putin wurde Burewestnik erfolgreich getestet. Dabei handelt sich um eine der „Wunderwaffen“, die Putin 2018 bei einer Rede angekündigt hat.

Die aktuelle Ankündigung hat Putin im Jahresgespräch des Valdai Discussion Club gemacht, einem Think Tank in Moskau:

Burewestnik hat den NATO-Codenamen SSC-C-9 Skyfall. Dabei handelt es sich um einen Marschflugkörper, der nicht nur mit einem nuklearen Sprengkopf bestückt werden kann, sondern auch einen Atomantrieb hat.

Rakete kann mehrmals die Erde umrunden

Dies verleiht der Rakete eine theoretisch unendliche Reichweite. In diesem Fall heißt das, dass jeder Punkt der Erde von einem beliebigen Startpunkt aus erreicht werden kann. Expert*innen gehen davon aus, dass die tatsächliche Reichweite bei über 25.000 Kilometern liegt.

Russland hatte zuvor angekündigt, dass Burewestnik mehrfach die Erde umkreisen könnte, bevor sie dann am Zielort einschlägt. Das macht es für Russlands Feinde schwierig bis unmöglich, den Einschlagort zu berechnen, selbst wenn der genaue Startpunkt bekannt ist, und entsprechende Abfangmaßnahmen einzuleiten.

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Weil Burewestnik durch den Atomantrieb deutlich mehr Treibstoff zur Verfügung hat als vergleichbare Raketen, kann sie im Zielanflug viele zufällige Ausweichmanöver durchführen. Auch das sorgt dafür, dass sie schwer in der Luft abzuschießen ist. Zudem soll sie Stealth-Eigenschaften aufweisen und viel tiefer fliegen als übliche Interkontinentalraketen. Beides macht es der Luftabwehr schwer, den Marschflugkörper zu erfassen.

Nur halb so groß wie eine Interkontinentalrakete

Möglich ist das, weil durch den Atomantrieb die Rakete viel kleiner gebaut werden kann, bei trotzdem hoher Reichweite. Laut Russland ist sie in etwa 12 Meter lang, mit Booster für den Start vom Boden aus. Im Flug ist sie dann 9 Meter lang. Damit entspricht sie grob den Maßen des russischen Stealth-Marschflugkörpers Kh-101, der eine Reichweite von 3.000 Kilometern hat.

Zum Vergleich: Die RS-24 Jars ist eine aktuelle russische Interkontinentalrakete mit konventionellem Treibstoff, die 2010 in Dienst gestellt wurde. Sie ist 22 Meter lang und hat trotzdem „nur“ eine Reichweite von 12.000 Kilometern.

Der Nachteil der kleinen Größe der Burewestnik ist, dass der Gefechtskopf kleiner ist und keine nuklearen Mehrfachsprengköpfe genutzt werden können. Dafür ist die kompaktere Burewestnik aber leichter zu lagern und zu transportieren.

Zudem gleicht sie die geringere Zerstörungskraft mit der höheren Trefferwahrscheinlichkeit aus: Lieber eine „kleine“ Nuklearexplosion im Ziel als gar keine, weil die große Interkontinentalrakete auf dem Weg dort hin abgefangen wurde.

Konkrete, handfeste Daten zur Burewestnik gibt es bisher nicht. Russland selbst ist zurückhaltend. 2018 wurde ein Video vom Verteidigungsministerium veröffentlicht, das einen Teststart und die Burewestnik selbst zeigen soll:

Test hat vermutlich bei Pankovo stattgefunden

Genauere Daten oder Videos zum aktuellen Test gibt es nicht. Es gibt zumindest Hinweise darauf, dass der Test wirklich stattgefunden hat. Öffentliche Satellitendaten zeigten im September viel Aktivität bei der russischen Teststation Pankovo, auf der Insel Nowaja Semlja im Nordpolarmeer. In diesem Gebiet hat Russland bis 1990 Atomwaffentests durchgeführt.

Russland hat außerdem Zivilflugzeuge gewarnt, den Luftraum dort wegen „gefährlicher Operationen“ zwischen 2. und 31. Oktober zu meiden. Öffentliche Flugdaten zeigen, dass ein Spionage-Flugzeug der USA seit Ende September verstärkt dieses Gebiet angeflogen hat. Dieses Interesse deutet ebenfalls darauf hin, dass ein russischer Waffentest Ende September/Anfang Oktober stattgefunden hat.

Verstrahlung bei früheren Tests

Der erste Testflug von Burewestnik soll laut US-Geheimdiensten 2017 in Pankovo stattgefunden haben. Die Rakete ist dabei in der Beringsee abgestürzt. 3 weitere Tests sollen bis Februar 2018 stattgefunden haben, die ebenfalls gescheitert sind.

Danach sollen die Tests in Njonoksa fortgesetzt worden sein, das in Nordwestrussland liegt. Dort befindet sich auch ein Truppenübungsplatz zum Test von ballistischen Raketen, die von U-Booten gestartet werden.

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Zwischenfall erzeugte radioaktive Wolke

Im August 2019 kam es dort zu einem Zwischenfall. Bei einer Explosion wurden 5 Wissenschafter getötet. Eine radioaktive Wolke breitete sich über der Stadt Sewerodwinsk aus. Die Berichte deuten darauf hin, dass eine Burewestnik explodiert ist, beim Versuch sie nach dem Testflug aus dem Meer zu bergen.

Das Verteidigungsministerium nannte die Explosion einer Rakete als Unfallursache. Russlands Atomagentur Rosatom bestätigte später, dass die getöteten Forscher an einem experimentellen Atomantrieb gearbeitet haben.

Dieser Unfall sorgt für Bedenken bei Expert*innen. Selbst mit einem konventionellen Sprengkopf oder ohne Sprengkopf, scheint die Burewestnik gefährlich zu sein. Strahlung könnte nicht nur beim Einschlag oder Absturz abgegeben werden, sondern auch schon im Flug. Selbst erfolgreiche Testflüge bergen dadurch das Risiko, dass große Gebiete verstrahlt werden.

Putin überlegt, Atomtests wiederaufzunehmen

Putin hat diese Woche auch angedeutet, möglicherweise Atomwaffentests wiederaufnehmen zu wollen. Die USA, China und Russland haben sich vertraglich 1996 dazu verpflichtet, keine Atomwaffentests mehr durchzuführen.

Unter anderem Umständen könnte man das einfach nur als das übliche Säbelrasseln Russlands abhaken. Für Burewestnik könnte aber ein neuer, kompakter Nuklearsprengkopf entwickelt werden, den Russland wohl auch testen will.

Weitere Nuklearwaffen, an denen Russland derzeit arbeitet, sind die Hyperschallrakete Awangard, der Atomtorpedo Poseidon und die gewaltige RS-28, Nato-Codename Satan 2.

Diese Interkontinentalrakete ist 35 Meter lang und hat eine Reichweite von 18.000 Kilometern. Sie soll 10 bis 15 Atomsprengköpfe, mit einem Gesamtgewicht von 10 Tonnen, in Ziel bringen können. Die RS-28 soll kurz davorstehen, einsatzbereit zu sein.

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