Luftaufnahme einer Siedlung aus gleichförmigen grauen Häusern entlang eines braunen Flusses

Ein Zwangsarbeitslager in Myawaddy in Myanmar im September 2025.

© APA/AFP/LILLIAN SUWANRUMPHA / LILLIAN SUWANRUMPHA

Digital Life

Entführung, Scam & Zwangsarbeit: 15 Milliarden Dollar in Bitcoin beschlagnahmt

Grenzüberschreitende kriminelle Organisationen haben in den vergangenen Jahren unzählige Lager in Myanmar, Kambodscha und Laos errichtet. Darin werden Menschen aus der ganzen Welt gezwungen, in sogenannten „Pig Butchering“-Scams vor allem Menschen aus reicheren Ländern um ihr Geld zu bringen.

Das US-Justizministerium hat nun den chinesischen Kopf einer solchen mafiaähnlichen Gruppe ausgehoben und sein Bitcoin-Vermögen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar (ca. 12,9 Milliarden Euro) beschlagnahmt: Chen Zhi gilt als Gründer der „Prince Holding Group“ mit Sitz in Kambodscha, die zu den größten grenzüberschreitenden kriminellen Organisationen Südostasiens zählen soll. Mehr als 100 weitere Personen und Organisationen wurden in dem Zusammenhang mit Sanktionen seitens der USA und Großbritannien belegt, wie CNBC berichtet.

Laut einer Pressemitteilung des US-Justizministeriums ist die Prince Holding Group in mehr als 30 Ländern aktiv. Allein in Kambodscha soll sie 10 Zwangsarbeitslager betreiben.

„Pig Butchering“-Scam

Das sogenannte Pig Butchering funktioniert so: Ein Scammer nimmt über Social Media oder Messengerdienste Kontakt mit irgendeiner einer potenziell wohlhabenden Person auf. Dabei gibt dieser sich meist als hübsche Frau aus, und gibt vor, freundschaftliches oder romantisches Interesse am Opfer zu haben.

Als nächstes baut der Scammer eine Beziehung mit dem Opfer auf, oft über Wochen hinweg, um dessen Vertrauen zu gewinnen. Irgendwann erzählt er von einer besonders guten Investmentmöglichkeit und bringt das Opfer dazu, Geld auf eine Krypto-Plattform einzuzahlen.

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Dort vermehrt sich das Geld auf scheinbar ideale Weise. Gleichzeitig ermutigt der Scammer das Opfer, noch mehr zu investieren – das Schwein wird gemästet. Ist eine größere Summe beisammen – oft 10- oder sogar 100-tausende Euros – wird das Schwein geschlachtet, d.h. das Investmentkonto, das von Vornherein betrügerisch war, leergeräumt. Der Scammer, die vermeintliche Freundin des Opfers, bricht den Kontakt ab.

Weltweit Menschen um ihr Erspartes betrogen

Auf diese Art und Weise werden in industriellem Maßstab Menschen auf der ganzen Welt, vor allem aber aus westlichen Staaten, um ihr Erspartes betrogen. Laut US-Justizministerium liegt der weltweite Schaden im Milliardenbereich.

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Wie das Magazin Datum im April 2025 aufgeklärt hat, verlor etwa ein Wiener Arzt 100-tausende Euro über die Pig-Butchering-Masche. Die Tagesschau berichtete vergangenes Jahr über einen 33-jährigen Münchner, der einer vermeintlichen hübschen chinesischen Geschäftsfrau auf den Leim ging und so um mehrere tausend Euro gebracht wurde.

Täter sind selbst Opfer

Doch die Scammer sind selbst Opfer: Sie leben und betrügen unter gefängnisähnlichen Zuständen. Die Betroffenen werden oft unter falschen Versprechen nach Südostasien gelockt und dann unter Gewaltandrohung in die Lager verschleppt. Sie stammen aus afrikanischen Staaten, Bangladesch, China, den Philippinen, Südkorea und weiteren Ländern.

Ein Team des NDR hat kürzlich etwa den Fall eines jungen Kenianers nachgezeichnet. Im Glauben, eine Stelle als Koch in einem thailändischen Luxushotel anzutreten, flog er nach Bangkok. Dort wurde er von einer luxuriösen Limousine abgeholt. Doch diese brachte ihn nicht an den erwarteten Arbeitsplatz in der Nähe, sondern nach Stunden der Autofahrt an die Grenze zu Myanmar. Anschließend wurde er in ein Scam-Zentrum gesperrt und gezwungen, mit Übersetzungshilfe von ChatGPT Männer auf der ganzen Welt abzuzocken. Doch ihm gelang die Flucht, eine Hilfsorganisation unterstützte ihn bei der Rückkehr in seine Heimat.

Menschenunwürdige Zustände und Gewalt

Ehemalige Scammer, die der Ausbeutung entfliehen konnten, berichten von menschenunwürdigen Zuständen und Folter. Suizide innerhalb der Zwangsarbeitslager seien häufig.

Laut France24 werden die Scam-Center im Bürgerkriegsland Myanmar von bewaffneten Milizen bewacht. Auf Druck von China und Thailand wurden zuletzt im Februar 2025 etwa 7000 Menschen, hauptsächlich mit chinesischer Staatsbürgerschaft, befreit.

Männer ohne Shirts liegen auf Decken am Boden

Zwangs-Scammer nach ihrer Befreiung aus einem Lager in Myawaddy in Myanmar im Februar 2025.

Starlink ermöglicht weiteren Betrug

Ebenfalls im Februar hat Thailand die Strom- und Internetkabel, die zu den Scam-Zentren auf der myanmarischen Seite der gemeinsamen Grenze führen, gekappt. Das konnte den organisierten Betrug allerdings nicht stoppen. Wie der Guardian im September berichtete, werden sogar weiterhin neue Scam-Center errichtet.

Luftaufnahme eines Zwangslagers mit vielen gleichförmigen Gebäuden entlang eines schlängelnden Flusses

Im "KK Park" entlang des Grenzflusses Moei wird laut AFP in großem Maßstab Starlink-Internet genutzt.

Nach AFP-Informationen wurde die mangelnde Internetversorgung per Kabel offenbar durch Satelliten-Internet ersetzt: Starlink war von 3. Juli bis einschließlich 1. Oktober plötzlich jeden Tag der größte Internetprovider des Landes. SpaceX, Mutterfirma von Starlink, hat sich laut AFP dazu bisher nicht geäußert.

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Mutmaßlicher Kopf der kriminellen Organisation flüchtig

Indessen ist Zhi, Chef der Prince Holding Group auf der Flucht. In den USA drohen ihm bis zu 40 Jahre Haft, laut Anklage wegen „Verschwörung zum Betrug mittels Telekommunikation und Verschwörung zur Geldwäsche“.

Ihm und seinen mutmaßlichen Mittätern wird weiters vorgeworfen, politischen Einfluss in mehreren Ländern genutzt zu haben, um das kriminelle Unternehmen zu beschützen. Außerdem sollen sie Beamte bestochen haben, um behördlicher Verfolgung zu entgehen, heißt es bei CNBC.

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Jana Wiese

interessiert sich besonders für die gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie und Wissenschaft. Mag das offene Web, Podcasts und Kuchen, (food-)bloggt seit 2009.

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Jana Wiese

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