Wind and solar power stations
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Wie zu viel Solarstrom Österreichs Netze belastet

Dieses Jahr ist es im Sommer mehrfach dazu gekommen, dass zu viel Strom in Österreich produziert wurde. Er musste an mancher Stelle einfach „weggeworfen“ werden. Das bedeutet, dass entsprechende Kraftwerksanlagen wie Wind- und Wasserkraft vorübergehend zum Stillstand gebracht wurden. Das bestätigen die Austrian Power Grid (APG) sowie die niederösterreichische EVN im Gespräch mit der futurezone.

Stau im Netz: Kein Abtransport mehr möglich

„Es ist so viel Strom über Photovoltaik-Anlagen in die Netze in Niederösterreich gekommen, dass Wasser über die Wehre der Donaukraftwerke geflossen ist, weil der zusätzlich erzeugte Strom aus technischen Gründen nicht mehr abtransportiert werden konnte“, erklärt Stefan Zach, Pressesprecher von der EVN. 

„Es gab keine Möglichkeit, den Strom in die überregionalen Leitungen des Netzbetreibers zu bringen, um ihn dort weiter zu transportieren, an Orte, an denen er gebraucht wird“, sagt Zach. Der Netzbetreiber APG ist für die überregionalen Leitungen zuständig. Laut der APG hat die Situation bereits im „späten Frühjahr“ begonnen und sich über den ganzen Sommer gezogen. Der „Überschussstrom konnte nicht dorthin geliefert werden, wo er benötigt wurde.“ 

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Stromnetze
In jedem Bundesland gibt es Kraftwerke und Verteilstromnetze. In diesen müssen sich  Erzeugung und Verbrauch die Waage halten, ansonsten muss eingegriffen werden. Dann gibt es noch ein überregionales Netz, das überschüssigen Strom in andere Bundesländer bringen soll 

APG
Die Austria Power Grid organisiert diese Weiterverteilung. Sie trägt die Verantwortung für die nachhaltige Sicherung der Stromversorgung Österreichs, indem das Übertragungsnetz an die neuen Herausforderungen angepasst wird

Ausbauplan
Um die Netze zukunftsfit zu machen, gibt es einen Plan bis 2033

Ausbau der Photovoltaik-Anlagen geht schneller als der Netzausbau

Der Grund dafür: Durch die vermehrte Eigenproduktion durch Photovoltaik-Anlagen decken immer mehr Haushalte und Gewerbebetriebe den eigenen Stromverbrauch unter Tags selbst ab. Früher hatte es aber gerade zur Mittagszeit eine Stromverbrauchsspitze gegeben, die von Kraftwerken versorgt werden musste. Im Jahr 2022 seien etwa 36 Prozent mehr Gesamtleistung an PV-Anlagen dazugekommen, so Schuh. Damit „das Stromnetz sicher bleibt“, muss nun eingegriffen werden. „Das zeigt uns, dass ohne entgegengesetzte Maßnahmen ein systemisches Problem entsteht“, so Schuh. „Es ist der unverzügliche Ausbau von Speicherlösungen und Netzkapazitäten auf allen Ebenen des Energiesystems das Gebot der Stunde“, so der APG-Sprecher. 

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Nicht nur für die Versorgungssicherheit ist ein Ausbau notwendig, sondern auch, damit jeder, der privat Ökostrom produzieren und seinen Überschuss ins Netz einspeisen möchte, das auch tun kann. „Aktuell befindet sich der Netzausbauplan der APG bis 2033 in Begutachtung seitens der E-Control“, so Schuh von der APG. Bisher seien alle geplanten Ausbauprojekte bis 2023 „voll inhaltlich bestätigt“ worden. Die Notwendigkeit eines Netzausbaus wurde von der Branche außerdem nicht verschlafen. Es liegt großteils an den Rahmenbedingungen, dass der Netzausbau nicht genauso schnell vonstattengeht wie der Ausbau der erneuerbaren Energien. Die entsprechenden Genehmigungs- und Begutachtungsverfahren dauern wesentlich länger als die Inbetriebnahme von PV-Anlagen. 

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Energiespeicher zur Netzstabilisierung fehlen

Aufseiten der Energieversorger gibt es aber noch weitere Hürden. „Es gibt eine ganze Reihe von absurden Regelungen, die dazu führen, dass das mit dem Energiespeichern nicht in die Gänge kommt“, erklärt Zach von der EVN. Eine davon betrifft die Errichtung von Stromspeichern durch Energieversorger, die ausschließlich dazu dienen würden, Netze zu entlasten. Diese dürften nicht nur für diese Zwecke errichtet werden, so Zach. „Dabei würden sich für die Speicherung von Stromspitzen etwa Tages- oder Wochenspeicher aus Batterien eignen“, erklärt Zach. Die EVN erprobt derzeit in Testbetrieben andere „erlaubte“ Arten, Strom zu speichern, wie etwa die Umwandlung von Strom in Wasserstoff im Kraftwerk Dürnrohr in Niederösterreich. "Diese Anlagen gibt es noch nicht in dem Ausmaß, weil 2021 erst die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wurde“, erklärt Zach. 

„Die effizienteste Speicherung von Strom wäre die Erzeugung von Wasserstoff oder Biomethan aus überschüssigem Sonnen- und Windstrom und die Einspeisung ins Gasnetz. Damit könnte man den Überschuss aus dem Sommer in die Mangellage des Winters mitnehmen“, erklärt Zach von der EVN. Doch dafür bräuchte es Unterstützung seitens der Politik in Form einer Anschubfinanzierung, und zwar eher früher als später.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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