Die Jak-52 wird auch gern als Kunstflugzeug eingesetzt. CC BY 2.0
Wie die Ukraine mit einem unbewaffneten Flugzeug 120 Drohnen abgeschossen hat
Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen - das gilt auch im Ukrainekrieg. In einer ukrainischen Heeresfliegerbrigade ist eine über 40 Jahre alte Jakowlew Jak-52 für 50 Prozent aller abgeschossener Drohnen verantwortlich. Die Abschüsse werden dabei in einem Stil durchgeführt, die an den Ersten Weltkrieg erinnern.
Die Jak-52, die bei den Manövern verwendet wird, ist eigentlich kein Militärflugzeug. Der Zweisitzer wurde bis zum russischen Angriff auf die Ukraine als Trainingsflugzeug für den Flugsport verwendet. Seit Anfang 2024 werden allerdings solche Flugzeuge eingesetzt, wo sie gerade gebraucht werden. In einem Fall ist das die 11. Heeresfliegerbrigade Cherson.
120 Abschüsse bei 300 Einsätzen
Die Besatzung der Jak-52 ist ein 56-jähriger Freizeitpilot mit dem Rufzeichen Maestro und der 38-jährige Bordschütze mit dem Rufzeichen Ninja - ein ehemaliger Automechaniker. Zusammen sind sie bereits 300 Kampfeinsätze geflogen, manchmal auch mehrere an einem Tag. Während dieser Einsätze konnten sie 120 russische Drohnen zerstören. Das ist etwa die Hälfte aller abgeschossenen Drohnen der Brigade.
Bei den Drohnen handelt es sich meist um Aufklärungsdrohnen wie der Orlan-10 (Dienstgeschwindigkeit 90 km/h) und Loitering Munition des russischen Herstellers Zala (Dienstgeschwindigkeit zwischen 90 und 110 km/h). Aber auch Shahed-Drohnen (Marschgeschwindigkeit 185 km/h) stehen auf der Abschussliste.
➤ Mehr lesen: “Tragbarer Iron Dome”: US Marines testen Gewehr, das von selbst zielt
Langsames Flugzeug für langsame Drohnen
Für die Abwehr solcher relativ langsam fliegender Drohnen eignet sich die Jak-52 bestens. Ihre Mindestgeschwindigkeit liegt nur bei 105 km/h (Reisegeschwindigkeit: 240 km/h), wodurch sie die Drohnen quasi begleiten kann. Das ist nötig, um dem Bordschützen genügend Zeit zu geben, um zu zielen.
Die Jak-52 hat kein Radar und wird eigentlich nur am Tag geflogen. Per Funk wird der Besatzung mitgeteilt, wo sich ihr Ziel befindet. Der Pilot versucht dann, so nahe ans Ziel heranzukommen wie möglich.
Die Jak-52 hat keine Bordbewaffnung - weder eingebaute Maschinengewehre an der Front, noch ein Maschinengewehr auf einer Lafette an der Rückseite. Als Waffe hat der Bordschütze daher ein Sturmgewehr (Kaliber 5,45 mm) und eine Schrotflinte bei sich. Das Sturmgewehr ist dabei die Waffe der Wahl, die Schrotflinte wird bei Ladehemmungen des Gewehrs verwendet. "Es fühlt sich so an, als würde man von einem Pferd aus schießen", wird der Schütze vom ukrainischen Defence Express zitiert.
Taktik aus dem Ersten Weltkrieg
Die Methode erinnert an die Anfänge des Ersten Weltkriegs, wo Flugzeuge noch keine fest montierten Waffen hatten und die Piloten mit Pistolen und Revolvern aufeinander schossen. Die Taktik scheint in der Ukraine nun ein Comeback zu feiern.
Zusätzlich dazu wird eine weitere Methode aus einem Weltkrieg wiederbelebt. Maestro verwendet nämlich auch die Flügel seiner Jak-52, um Drohnen "anzustubsen" und so vom Kurs abzubringen. Diese Taktik wurde im Zweiten Weltkrieg von britischen Abfangjägern gegen den deutschen Marschflugkörper Fieseler Fi 103 (auch als V1 bekannt) eingesetzt. Mit einer Fluggeschwindigkeit von etwa 570 km/h war die V1 nämlich ähnlich schnell wie die damaligen Jagdflugzeuge.
Eine Spitfire (r.) berührt eine V1, um sie zum Absturz zu bringen.
© Creative Commons
Die Methode wurde entwickelt, da die V1 bei einem Beschuss explodieren konnte und somit für das angreifende Flugzeug selbst gefährlich war. Die V1 musste allerdings nicht immer direkt berührt werden. Meist reichte ein knappes Vorausfliegen, um Luftwirbel zu erzeugen, die den Marschflugkörper so weit verdrehten, dass die Fluglage instabil wurde und er abstürzte.
➤ Mehr lesen: Ukraine fängt russische Drohnen mithilfe von Ballonen ab
Waghalsige Manöver
Die Missionen mit der Jak-52 sind ebenfalls nicht ungefährlich. Im Mai vergangenen Jahres musste die Crew einer Boden-Luft-Rakete ausweichen, indem sie einen Sturzflug mit Höchstgeschwindigkeit ausführte (etwa 300 km/h). Hier kommt der Jak zugute, dass es sich bei der Maschine eigentlich um ein wendiges Kunstflugzeug handelt. Dass diese Manöver dennoch für die Besatzung nicht ohne sind, zeigt dieses Video:
Helikopter auf Drohnenjagd
Die 11. Heeresfliegerbrigade Cherson setzt zusätzlich Hubschrauber wie den Mi-24 und Mi-8 ein, um Drohnen abzuschießen. Ähnlich wie die Jak-52 können sich die Helikopter auf die niedrigen Geschwindigkeiten der Drohnen einstellen und somit eine höhere Trefferquote aufweisen. Im Gegensatz zu Jak können Hubschrauber allerdings für ein breites Spektrum an Missionen eingesetzt werden, etwa für Bodenangriffe, Transport- und Evakuierungsflüge.
Hubschrauber werden auch von NATO-Truppen eingesetzt, um etwa Drohnen der Huthi über dem Roten Meer abzufangen. Die Abschüsse wurden von Doorgunners erzielt – also Soldaten, die seitlich aus dem Hubschrauber heraus mit einem dort montierten Maschinengewehr feuern. Im Vergleich zur Jak kann man hier schon von Hightech sprechen.
➤ Mehr lesen: Billiger wird’s nicht: Hubschrauber-Doorgunner jagen Huthi-Drohnen
Kommentare