Warum Mobilfunkkunden trotz Tariferhöhung nicht wechseln
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Die drei großen Telekomunternehmen des Landes haben allesamt im Jänner angekündigt, bestimmte Tarife ab 1. März zu erhöhen. Angeblich sei dies notwendig, um durch den Aufwand für den Netzausbau noch kostendeckend wirtschaften zu können. Konsumentenschützer sind darüber nicht erfreut und die Bundeswettbewerbsbehörde wittert eine illegale Absprache. Den Kunden von A1, Magenta und Drei bleibt unterdessen nichts anderes übrig, als die Preiserhöhung entweder zu akzeptieren oder noch von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
Änderungen
Eigentlich sollten in den vergangenen Wochen sämtliche Kunden, die von der Tariferhöhung betroffen sind, darüber per Brief informiert worden sein. Welche Angebote im speziellen teurer werden, ist von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. A1 etwa erhöht die Tarife seiner A1 TV Kombis (Internet und Fernsehen) und führt bei seiner Diskontmarke Bob eine zusätzliche Servicegebühr ein.
Magenta will ab 31.3. einige ältere UPC-Tarife (UPC und T-Mobile verschmolzen 2019 zu Magenta) automatisch auf neuere Tarife umstellen. Drei erhöht die Gebühren für eine ganze Reihe, meist bis 2018 angebotener Mobilfunk-, Internet- und Kombitarife.
Außerordentliche Kündigung
Was macht man, wenn man mit der Tarifänderung nicht einverstanden ist? Man kann bis 1. März (bei Magenta bis 31.3.) eine außerordentliche Kündigung einreichen - am besten per Brief und eingeschrieben an die Adresse des Anbieters. Die außerordentliche Kündigung befreit einen von der ansonsten gültigen Kündigungsfrist von einem Monat oder einem je nach Anbieter gültigen Stichdatum.
"Grundsätzlich ist es nicht schwierig, eine außerordentliche Kündigung durchzuführen. Die Frage ist nur, ob Verbraucher das faktisch machen", meint Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer (AK). Die Konsumentenschützerin sieht verschiedene Faktoren, die einen sofortigen Ausstieg aus einem laufenden Vertrag selbst bei einer Tariferhöhung hemmen.
Aufwand und Zeitdruck
Ein Anbieterwechsel bedeute zunächst einen gewissen Aufwand. Vergleichsmöglichkeiten im Internet, wie der Handytarif-Simulator der AK, erleichtern zwar die Recherche, aber durch den kurzen Zeitraum zwischen Verständigung über die Tariferhöhung und deren Inkrafttreten entstehe ein Zeitdruck.
Schwierig ist auch, als Privatperson einen Wechsel zeitlich so zu arrangieren, dass ein halbwegs nahtloser Übergang zu einem neuen Anbieter gewährleistet ist. Sollte man etwa die Rufnummer mitnehmen, muss man zum Teil selbst aktiv werden und in diesem Prozess Tätigkeiten wie das Erstellen eines NÜVI-Antrags durchführen. "Ein servicebewusster neuer Anbieter wird einem dabei natürlich einen gewissen Aufwand abnehmen", meint Zimmer.
Unklare Verbindungsqualität
Ein weiteres Hemmnis sei Unsicherheit über die Qualität eines neuen Anbieters. Bei Themen wie Netzabdeckung oder tatsächlich vorhandenen Internetbandbreiten herrsche große Unsicherheit, meint Zimmer. Die diesbezüglichen Verpflichtungen für Telekomanbieter seien sehr gering. "Es gibt Fälle, wo in der Werbung eine Internetverbindung mit einer Upload-Bandbreite von 9 Mbit/s beworben wird und tatsächlich sind es nur 0,7 Mbit/s. Die Kluft ist teilweise frappierend groß."
Qualitätskriterien seien gerade im Zuge der Corona-Pandemie stärker in den Vordergrund gerückt. Hatte man beim bisherigen Anbieter den Eindruck ausreichender Qualität, fällt ein Umstieg schwerer. Vertraglich herrscht oft Intransparenz, welche Qualitätswerte ein Anbieter tatsächlich erfüllen muss - ein Umstand, der sich mit der anstehenden Novelle des Telekomgesetzes ändern könnte, was laut AK wünschenwert wäre.
Gestützte Geräte
Was passiert, wenn ich einen Vertrag außerordentlich kündigen will und ein anbietergestütztes Gerät besitze? Laut der derzeitigen Regelung besitzen Kunden ein kostenloses Ausstiegsrecht, d.h. wenn sie z.B. ein Smartphone zu ihrem Tarif günstig dazu bekommen haben, dürfen sie dieses behalten ohne irgendeinen Restbetrag dafür zu bezahlen. In Zukunft könnten in so einem Fall Abschlagszahlungen fällig werden.
Die Konsumentenschützerin ist darüber entsetzt: "Damit fällt ein letztes strategisches Kalkül für die Anbieter, ob sie ihre Tarife tatsächlich anheben sollen." Wenn selbst günstig in Kombination mit Tarifen vergebene Hardware bei einer Tariferhöhung refinanziert werden kann, könnten also die Hemmungen fallen, Tarife einfach zu erhöhen. Dass die Telekom-Branche überhaupt Preise einseitig erhöhen kann, sei ein arger Missstand.
Tarifhöhe jederzeit veränderbar
"Keine andere Branche darf unlimitiert Preise ändern. Meist steht im Vertrag, unter welchen Umständen so etwas passieren darf. Diese Bindung an Begründungen gibt es in der Telekombranche nicht", sagt Zimmer. "Das ist ein ziemliches Geschenk an die Branche, gegen das der Verbraucherschutz seit Jahren Sturm läuft." Da man sich nie sicher sein kann, ob ein potenzieller, günstig erscheinender neuer Anbieter nicht plötzlich seine Preise erhöht, sei auch dies ein Wechselhindernis.
Die drei großen Telekomanbieter des Landes könnten zunehmend darauf vertrauen, dass Kunden ihre Verträge auch bei Tariferhöhungen nicht auflösen. Abhilfe könnten virtuelle Anbieter (MVNOs) schaffen, deren Angebote oft "ohne diese unerfreulichen Nebengeräusche wie Servicepauschalen oder Preiserhöhungen" auskommen und deshalb besonders für preissensible Haushalte interessant seien. 2022 fällt die Auflage für die Netzbetreiber A1, Magenta und Drei, MVNOs im eigenen Netz zuzulassen. Mobilfunker wie HoT oder Spusu sind zwar zuversichtlich, ihre Dienste weiterhin anbieten zu können, aber höhere Gebühren an die Netzbetreiber sind absolut möglich.
Individuelle Kalkulation
Unterdessen müssen Kunden der drei großen Telekomunternehmen schauen, wo sie selbst in diesem komplexen Spiel bleiben. Wer bei A1 bisher etwa ein A1 TV Kombi Paket nutzte, der sollte sich etwa ausrechnen, ob sich ein Umstieg auf eine neuere A1 Xplore TV Kombi lohnt. Während die ältere Kombi ab 1. März um 3 Euro monatlich mehr kostet, bleibt der Tarif für die entsprechende, neuere Xplore-TV-Kombi gleich. Ein Umstieg könnte sich preislich auszahlen. Freilich erhält man mit einem Umstieg eine neue Mindestvertragsdauer. Und das von A1 angepriesene Gratis-Tablet für Neukunden erhält man als Bestandkunde nicht.
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