Immortals of Aveum

Immortals of Aveum

© EA

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Immortals of Aveum im Test: Wenn Harry Potter ein Marvel-Film wäre

Das Game hat eine gute Story und nette Charaktere: Aber unsauberes Gameplay und hässliche Technik

Vielleicht habt ihr noch nie was von Immortals of Aveum (PS5, Xbox Series X/S, PC) gehört. Fühlt euch nicht schlecht deshalb, mir ging es genauso. Bis kurz vor dem Release ist das Game völlig an mir vorbeigegangen.

Denn gefühlt hat der Publisher EA kaum die Werbetrommel dafür gerührt, seit es im Dezember 2022 angekündigt wurde. Es ist das erste Spiel von Ascendant Studios, das 2018 gegründet wurde. Dahinter stecken Veteran*innen der Videospielebranche, die zuvor an Dead Space und der Call-of-Duty-Reihe mitgearbeitet haben. Auch von den 2018 geschlossenen Telltale Games haben sich viele Entwickler*innen zu Ascendant gesellt.

Das weckt die Neugier: Was kommt für ein Spiel heraus, wenn so ein Schmelztopf an Videospiele-Erfahrung entsteht? Ein Magie-First-Person-Shooter, der gerne ein Marvel-Film wäre.

Filmreife Inszenierung

Die Marvel-Stimmung beginnt sofort, wenn das Spiel gestartet wird. Die Melodie der „lets go and get shit done“-Musik stimmt einen richtig ein und brennt sich ins Hirn. Einmal gestartet, erlebt man die Origin Story des Hauptcharakters. Es gibt einen Bösewicht, der selbst eine Entstehungsgeschichte hat. Verbündete, die anscheinend Geheimnisse vor einem haben. Überraschende Wendungen und Entdeckungen, lustige Einzeiler und verbale Schlagabtausche, an die man sich noch später erinnern wird.

Dass die Marvel-Formel funktioniert, liegt an der guten Story und die im Englischen toll vertonten Charaktere. Auch die Charaktere selbst sind, für einen Ego-Shooter, überraschend mehrschichtig aufgebaut. Man muss sie deshalb nicht mögen: Das Wichtigste aus Storyteller-Sicht ist nur, dass sie einem nicht wurscht sind.

Immortals schafft auch, dass das Spieleuniversum ausreichend erklärt wird, ohne, darüber zu schwafeln oder zu verwirren. Das ist beachtlich bei diesem Game, das aufgrund von Magie, endlosen Kriegen, verschiedenen Königreichen usw. ein ziemlich umfangreiches Universum kreiert.

Das wird auch ausgekostet. Mit über 20 Stunden Spielzeit ist es schon mehr eine Marvel-Saga statt nur ein Film. Tatsächlich gibt es im Lauf der Story auch Momente, wo ich mir gedacht habe: Hier wäre jetzt Teil 2 zu Ende, mit einem Cliffhanger.

Immortals of Aveum

Zwischensequenz Ingame-Screenshot, PS5

Nicht der Harry Potter, den du kennst

Trotz Magie, dem Lernen neuer Zaubersprüche und dem Hauptquartier für Magier*innen, ist das hier nicht Harry Potter – schließlich hat der zuvor für hohe Magie unbegabte Hauptcharakter ein Tattoo ums Auge, anstatt einen Blitz auf der Stirn. In Immortals ist Magie vorrangig eines: Eine Waffe, um im Krieg Gegner zu töten. Und genau das macht man auch.

Die 3 Grundarten der Magie sind die Gegenstücke zu Pistole/Scharfschützengewehr, Maschinenpistole/Sturmgewehr und Schrotflinte. Munition gibt es nicht, aber nachladen muss man trotzdem, wenn das magische Magazin leer ist.

Dazu kommen 3 Hilfsgegenstände, ein Schild, sowie größere Zaubersprüche, die Mana verbrauchen. Lebensenergie und Mana lädt sich nicht von allein auf, hier muss man mit Energiekristallen und Manawürfeln nachhelfen, die man zuvor gefunden hat.

Immortals of Aveum

Immortals of Aveum, offizieller Screenshot

Immortals wäre gern ein magisches Doom

Das Game ist sehr schnell. Bis man „Expecto Patronum“ gesagt hat, hat man schon das Schild aktiviert, ein Magazin geleert und eine Salve magische zielsuchende Raketen abgefeuert. Von der Rasanz erinnert Immortals an die neuen Doom-Games. Nur hat Doom ein geschicktes Gameplay, das das vermeintliche Chaos zu einer blutigen Choreografie macht.

Da fehlt bei Immortals. Ab der Hälfte vom Spiel wird es auffällig, ab dem zweiten Drittel nervt es. Die Gegner sind in Typen eingeteilt, deren Schwachstellen jeweils die 3 Grundmagiearten sind. Ein Gegner mit blauem Schild muss also mit blauer Magie beschossen werden, Rot mit Rot und wenn sie grün sind und sich heilen, mit grüner Magie.

Mit dem Spielverlauf werden immer mehr der Typen zusammengemischt und immer mehr starke Gegner sind in diesen Gruppen. Da die meisten davon fliegen, sich teleportieren, springen und/oder aus der Distanz angreifen können, ist es einfach nur Chaos. Dadurch ist es kaum bis gar nicht möglich, so zu spielen, wie es gedacht ist: Den richtigen Magietypen zusammen mit den richtigen Zauberspruchtypen und dem richtigen Hilfsgegenstand, gegen den jeweils dafür empfindlichen Feind einsetzen.

Dazu ist die Steuerung zu ungeschickt. Es wirkt alles zu träge und die Belegung nicht gut durchdacht. Es ist, als hätte einem Ascendant einen Bremsblock an den Controller geschnallt, damit das Spiel schwieriger wird.

Da man ständig von allen Typen gleichzeitig angegriffen wird, läuft es darauf hinaus, dass man einfach mal die Mana-Zaubersprüche spammt, um sich Luft zu verschaffen. Ein taktisches Vorgehen ist nur selten möglich und die Bewegungsfreiheit ist, trotz Ausweichfunktion, zu eingeschränkt, um mit den schnellen Gegnern mithalten zu können. Das heißt nicht, dass das Game unschaffbar schwer ist: Es ist aber unbefriedigend, wenn man die Kämpfe nicht elegant lösen kann.

Ingame-Screenshot, PS5

Ingame-Screenshot, PS5

Schatzkisten und Rätsel

Als Auflockerung zwischen den Kämpfen gibt es kleinere Rätsel zu lösen (schieße das ab, damit sich das öffnet) und Jump-and-Run-Passagen, die entweder zu Schatztruhen führen oder Portalen, die zu Herausforderungen führen. Wer nach dem Durchspielen nicht genug hat, kann in der Welt von Immortals 6 Portale mit besonders starken Bossen finden, die es zu besiegen gibt.

Gold und Essenzen dienen als Ressourcen, um Siegel (Waffen), Hilfsgegenstände und Rüstungen zu kaufen und aufzurüsten. Die Siegel ändern die Magie. So gibt es etwa blaue Siegel, die mehr Munition haben, aber weniger Schaden machen (Pistole) und welche, die wenig Munition haben und viel Schaden machen (Scharfschützengewehr). Varianten, die tatsächlich das Gameplay einschneidend verändern, gibt es nicht.

Ähnlich ist es mit den „Talenten“. Bei genügend gesammelter Erfahrung wird das Level Up in den Fertigkeitsbaum investiert. Sich auf die Lieblings-Magieart zu konzentrieren macht keinen Sinn, da man wegen der Schildgegner ohnehin alle Arten braucht. Vorrangig wichtig sind hier Fähigkeiten, die die Schilde der Feinde durchbrechen und das eigene Schild stärken.

Insgesamt fühlen sich die mangelnden Variationen bei der Magie und den Talenten wie eine verpasste Chance an. Deshalb ist das Lösen der Rätsel und Jump-and-Run-Passagen eher unbefriedigend – man hat das Gefühl, als ist es den Aufwand nicht wert. Immerhin sind diese meist kurz gehalten.

720p auf der PS5: Meint ihr das ernst?

Technisch ist Immortals traurig. Auf der PS5 und Xbox Series X hat das Spiel eine Basisauflösung von 720p, die auf 4K hochskaliert wird.

Hat man einen großen, guten 4K- oder 8K-Fernseher, sieht man ständig, dass da was nicht stimmt. In den schnellen chaotischen Kämpfen mit überall Lichteffekten fällt das nicht auf, aber sobald es mal ruhiger ist und in Zwischensequenzen, fragt man sich: „Wie kann das bitte eine 2023 erschienenes Vollpreis-Spiel für die PS5 sein?“ Sogar bei den üblichen, stark geschönten offiziellen Screenshots für das Game sind ein paar dabei, die aufgrund der technischen Schwäche grieselig und unscharf aussehen.

Offizieller Screenshot

Offizieller Screenshot

Auch beim Audio hapert es etwas. Besonders mit Kopfhörern merkt man, dass Dialoge und Hintergrundgeräusche entweder nur mangelhaft aufgenommen oder schlecht komprimiert wurden. Das ist wirklich schade, da die Sprecher*innen eine ausgezeichnete Arbeit abgeliefert haben, um den Charakteren Leben einzuhauchen.

Fazit

Immortals of Aveum ist ein Spiel, das ich mögen möchte. Story, Charaktere und das Marvel-Flair ziehen in die Welt hinein. Doch je länger man spielt, umso störender sind das unpolierte Gameplay und die technischen Verfehlungen. Dazu kommt, dass der offizielle UVP für die Konsolen-Versionen 80 Euro (z. B. bei Amazon) ist. Das ist frech. Um diesen Preis kann ich das Game, in dem Zustand, in dem es jetzt ist, keinesfalls empfehlen.

Solltet ihr diesen Test allerdings in einem Jahr oder so lesen, weil Immortals gerade im Game Pass aufgetaucht und ihr euch fragt, ob es den Download wert ist: Ja, absolut. Wenn man keine 80 Euro für das Spiel zahlt, kann man über die Verfehlungen leichter hinwegsehen und sich gut von dieser, wenn auch nicht gänzlich gelungen, Mischung aus Harry Potter, Marvel-Cineastik und Doom unterhalten lassen.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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