© Paintbucket Games

Games

Through the Darkest of Times im Test: So spielt man Widerstand

Through the Darkest of Times (PC) versetzt Spieler in eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte. Als Widerstandskämpfer besteht man gegen die Gräuel der NS-Zeit und versucht so viel Gutes zu tun, wie möglich. Die Kämpfer kommen aus allen gesellschaftlichen Schichten, sind Christen, Liberale, Kommunisten oder Anarchisten mit unterschiedlichen Beweggründen und Schicksalen.

Die Entwickler des Spielestudios Paintbucket Games, Jörg Friedrich und Sebastian Schulz, ließen sich dabei von echten Widerstandskämpfern aus der NS-Zeit inspirieren. "Fast die Hälfte der Widerstandskämpfer waren Frauen, oft Künstler und Kreative. Ich habe gemerkt, dass diesen Leuten mehr weggenommen wurde, als nur das politische System. Daraus wollte ich ein Management-Spiel machen", sagt Friedrich im Gespräch mit der futurezone. Und in die Rolle einer dieser Personen schlüpft man nun.

Per Würfelglück wird mir ein weiblicher Charakter zugewiesen. Ich kann sie optisch anpassen. Ihr Hintergrund wird aber wieder per Zufall bestimmt. So kann sie ua. arbeitslose Lehrerin, Chemikerin oder Mechanikerin sein, mit liberaler, konservativer oder kommunistischer Gesinnung.

Die Geschichte beginnt kurz nach Hitlers Wahl 1933. Ich leite ein Team aus bis zu 5 Verbündeten, die ebenfalls bunt zusammengewürfelt wurden. Ich kann aber vereinzelt entscheiden, wen ich aufnehme und wen ich aus der Gruppe werfe.

Diese Wahl hat Auswirkungen auf den Widerstand. Christen und Anarchisten vertragen sich oft nicht, öffnen allerdings jeweils Türen zu Milieus, die sonst verschlossen bleiben. "Das war tatsächlich so und ergibt auch auf spielerischer Ebene Sinn. Man sucht immer nach Elementen, die Vorteile und Nachteile mit sich bringen könnten. Spieler sollen vor interessanten Entscheidungen stehen", so Friedrich.

Die Spielentwickler Sebastian Schulz und Jörg Friedrich (Paintbucket Games) im Grafikstil von Through the Darkest of Times

Parolen an die Wände schmieren

Wie bei einem rundenbasierten Strategiespiel muss man auf einer Berlin-Karte Ereignisse auswählen. Zunächst werden Unterstützer gesucht, Parolen an die Wände gemalt und Flugblätter gedruckt, später kann ein Arbeiteraufstand organisiert werden. Dieser Aufgabe weist man bis zu 3 Personen zu - muss dabei aber darauf achten, wen man schickt. Ein Sozialdemokrat hat unter Gewerkschaftlern bessere Erfolgs-Chancen als ein konservativer Beamter.

Ob die Aktion tatsächlich gelingt, wird vom Computer per Würfel entschieden. Einfluss kann man nur durch clevere Planung und Objekte wie ein Fahrrad, gestohlene Uniformen oder Waffen nehmen, die die Wahrscheinlichkeit des Gelingens erhöhen. Hat man seine Auswahl getroffen, schließt man die Runde ab und beobachtet, ob der Plan aufgegangen ist.

Nach jeder Runde trifft sich die Widerstandszelle im Hauptquartier und reflektiert die Ereignisse. Hält man die Moral der Gruppe aufrecht, wird nicht getötet oder deportiert, schafft man es über alle 4 Kapitel hinweg zu bestehen. Jedes spielt während einer signifikanten Zeit: Hitlers Machtergreifung (1933), Olympische Spiele (1936), Krieg (1941) und Kriegsende (1945).

Zwischen den Treffen erlebt man die Steigerung der Nazi-Gräueltaten, von der Köpenicker Blutwoche bis zur Shoah. Erzählt wird das wie ein virtueller Comic, bei man als Spielfigur immer wieder entscheiden muss: Sieht man weg oder hilft und begibt sich in Gefahr.

Geschichte wird nicht verändert

Dabei bleibt Through the Darkest of Times trotz seiner bedrückenden Stimmung hoffnungsvoll. Immer wieder wird deutlich, was man im Kleinen verändert. So kann man zwar nicht verhindern, dass Juden verfolgt werden. Doch man kann jene, die man trifft, verstecken und ihnen bei der Flucht helfen. Auch wenn bewusst darauf verzichtet wurde, Spieler die Geschichte verändern zu lassen, bleiben einige Aktionen fiktiv.

So ist es möglich bei einer gewaltsamen Herangehensweise einen Glockenturm zu sprengen. Damit wird während der Olympischen Spiele ein Zeichen gesetzt, dass Widerstand gegen das System besteht. Zugegeben - das Wissen darüber, dass man im Grunde nichts "Großes" bewegen kann, hemmt in besonders emotionalen Momenten die Motivation, weiterzuspielen.

Häufig wird man mit so viel Tod und Leid konfrontiert, dass es sinnlos scheint, in der nächsten Runde wieder "nur" verbotene Schriften zu schmuggeln. Paintbucket Games entschied sich aber gegen alternative Geschichten und für historische Genauigkeit.

Aktualität

Trotzdem ließen es sich die Entwickler nicht nehmen, auch aktuelle Ereignisse in die Spielegestaltung einfließen zu lassen. Informationen über die politische Lage im Spiel erhält man über Zeitungsartikel, die nach jeder Runde angezeigt werden.

Sie sollen laut Friedrich aber nicht nur über das Spiel informieren: “Bestimmte Werkzeuge, die Sprache und Methoden des autoritären Regimes, erkennt man in der aktuellen Politik. In unseren Spiel-Nachrichten benutzen wir bewusst keine NS-Sprache, sondern moderne. Wir wollten zeigen, dass es da eine Parallele gibt.“

Und das gelingt. Immer wieder horcht man auf, wenn die Nazis Rhetorik und Methoden einsetzen, die heute wieder Einzug in die Politik finden. So sprach Goebbels davon, “den Stall ausmisten zu wollen” - eine Phrase, die an Politiker wie Trump erinnert, der “den Sumpf trockenlegen” wollte. Die Worte "Drain the Swamp" hat Friedrich bewusst als Übersetzung für die englische Version gewählt.

Hakenkreuze im Videospiel

Optisch überzeugt das Spiel in vielerlei Hinsicht. Mit-Entwickler Sebastian Schulz orientierte sich an Künstlern wie Otto Dix und Käthe Kolwitz, deren Expressionismus im Dritten Reich als “entartet” galt. Die einfachen Formen im Bauhaus-Stil schaute er sich an einem Malbuch aus den 1920er-Jahren ab.

Etwas ganz besonderes für deutsche Spieler ist, dass Nazi-Symbole wie Hakenkreuz, Hitlergruß und Uniformen zu sehen sind. Es war das erste Mal in der deutschen Geschichte, dass man es einem Computerspiel erlaubte, verfassungsfeindliche Symbole zu zeigen.

Ab sofort prüft die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) Spiele, ob sie solche Symbole zeigen dürfen, oder nicht. Das ist nicht nur erfreulich für Through the Darkest of Times, sondern hebt Spiele auf eine Ebene mit anderen Kunstformen, wie dem Film. 

Das Spiel mag stellenweise frustrieren. Trotzdem schafft es den Spagat zwischen aufklärerischen Inhalten und tief verstörenden Ereignissen, ohne Spieler mit stumpfer Brutalität zu konfrontieren. Die Kombination aus minimalisitschen Bildern, persönlichen Schicksalen und der Hoffnung, wenigstens seinen Teil beitragen zu können, sorgt für eine lehrreiche, emotionale Spielerfahrung, die tragisch aktuell bleibt.

Through the Darkest of Times ist bereits für PC erschienen und kostet 14,99 Euro.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

mehr lesen
Franziska Bechtold

Kommentare