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Peter Glaser: Zukunftsreich

Die Quanten-Suchmaschine

Man stelle sich einen Computer vor, der seinem Handy beibringen kann, jedes beliebige Objekt zu erkennen. Oder der sofort Ausweichrouten für Tausende von Flugzeugen findet, um einen Sturm zu umgehen. Traditionelle Computer benötigen viel Zeit, um die Datenmassen für solche Kalkulationen zu bewältigen. Wissenschaftler denken schon länger darüber nach, dass Computer die bemerkenswerten Prinzipien der Quantenmechanik nutzen könnten, um diese Art von Berechnungen in einem Rutsch auszuführen. Quantenmechanik, das ist das mit der Katze in der Kiste, die nicht weiß, ob sie tot ist oder nicht. Oder wie Helmut Qualtinger es einmal anschaulich anhand eines Vergleichs aus dem Wirtschaftsleben erklärt hat: „Wissen Sie, was ein Konto ist? Das ist, wenn man von einem Konto auf ein anderes... Das kann ich Ihnen als Laien nicht erklären.“

Geheimnisvolle Firma baut geheimnisvolle Maschine
Während jedenfalls die Wissenschaftlergemeinde noch diskutierte, ob ein echter Quantencomputer überhaupt jemals gebaut werden kann, verkündete das kanadische Unternehmen D-Wave im Jahr 2007, einen gebaut zu haben. 2011 kaufte das amerikanische Rüstungsunternehmen Lockheed Martin für zehn Millionen Dollar einen der zehn Prototypen der Firma (Zu den ersten Interessenten solcher neuer Hardware gehört stets auch die NSA, die, wie wir inzwischen wissen, viel Rechenleistung braucht, weil sie einiges an Daten zu verarbeiten hat).

Nun gibt es eine Zusammenarbeit zwischen der US-Raumfahrtbehörde Nasa, dem Suchriesen Google und derUniversities Space Research Association, einer Organisation, die Weltraumforschung an Universitäten fördert. Die Partner wollen zwei weitere Computer von D-Wave kaufen. Bis heute sind allerdings nur wenige technische Details über die Maschine bekannt, weshalb viele Wissenschaftler skeptisch bleiben.

Ungleich schneller als herkömmliche Rechner
Was Quantencomputer auch für Militär und Geheimdienste interessant macht macht, ist die Art und Weise, wie sie rechnen. Ein klassischer Computer verarbeitet Bits, die Nullen und Einsen repräsentieren. Ein Quantencomputer dagegen nutzt die Idee der sogenannten Quantenverschränkung - dabei können Informationen sowohl als Eins und Null oder eine unendliche Anzahl von Überlagerungen der beiden Zustände zur gleichen Zeit existieren. Diese Quantenbits - oder Qubits - können parallel statt nacheinander operieren. Dadurch können Quantencomputer bestimmte Probleme ungleich schneller als herkömmliche Rechner lösen.

Die Maschinen von D-Wave können allerdings nur eine spezielle Art herkömmlicher Probleme lösen, nämlich Optimierungsfragen, zum Beispiel, wie die Oberfläche eines Kampfflugzeugs beschaffen sein muß, um möglichst wenig Radarstrahlung zu reflektieren oder die optimale Route für ein Lieferfahrzeug. Zu den Invstoren, die letzten Herbst 30 Millionen Dollar in die Firma invstiert haben, gehört unter anderem Amazon-Gründer Jeff Bezos.

Die Supersuchmaschine
Für Quantencomputer sind eine Vielzahl weiterer Anwendungen denkbar, etwa in der Mustererkennung. Ein Quantencomputer könnten lernen, Merkmale einer bestimmten Form zu erkennen, sagen wir: eines Autos, indem er sehr viele Bilder von Autos miteinander vergleicht und danach „weiß“, wie in Auto aussieht. Mit diesem Wissen könnten herkömmliche Computer - zum Beispiel Smartphones - darauf trainiert werden, immer leichter zu erkennen, was ein Auto (oder irgend etwas anderes) ist. Was wiederum ein Unternehmen wie Google brennend interessieren dürfte. Man könnte nicht mehr nur nach Texten, Zahlen oder Bildern suchen, sondern nach allem, was zu sehen oder zu hören ist. Das private Smartphone würde sich in einen persönlichen Geheimdienst in der Jackentasche verwandeln.

Die Zukunft der Probleme
Das eigentliche Problem aber sind die Probleme. Die meisten heute computergerecht formulierbaren Probleme wären angesichts der Leistungsfähigkeit eines echten Quantencomputers trivial. Es wird in Zukunft also möglicherweise ein neues Berufsbild geben müssen: den Problemdesigner. Leute, die computergerechte Probleme maßschneidern. Bei weitem nicht alle Probleme, die wir haben, sind einer Maschine klarzumachen. Wir haben ja schon selber genug Probleme dabei.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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