A grey goose walks in almost dried up Lake Zicksee near Sankt Andrae in Austria
© REUTERS / LEONHARD FOEGER

Gastkommentar

Trinkwasser in Österreich: Wir sitzen bald auf dem Trockenen

Was hier wie die Dürrephase in der afrikanischen Steppe aussieht, ist der Zicksee im Burgenland

Habt ihr euch auch schon ein bisschen zu sehr an die Schlagzeilen nach jeder neuen klimabedingten Katastrophe gewöhnt? An die immer häufigeren Nachrichten über beispiellose Fluten wie in Pakistan oder Deutschland, von Korallen- und Fischsterben wie jüngst in Australien, wo nach Überschwemmungen und anhaltender Hitzewelle Millionen tote Fische kilometerweit Flüsse bedecken. An Waldbrände, die in Kalifornien ganze Dörfer auslöschen, an Dürren und Hungersnöte.

Zunehmende Wasserkrise

Die Tendenz, die vielen schlechten Neuigkeiten lieber zu einem leisen Hintergrundplätschern zu verdrängen, ist menschlich nachvollziehbar, aber keine kluge Coping-Strategie. Wir sollten nicht wegschauen, sondern ganz genau hin. All die eben aufgezählten Katastrophen haben nämlich einen Faktor gemeinsam: Wasser. Entweder zu viel auf einmal oder zu wenig, zu schmutzig oder zu sauerstoffarm. Was wir erleben, sind die Symptome einer zunehmenden globalen Wasserkrise. Ja, auch wir in Österreich. Wir, für die es eine Selbstverständlichkeit ist, klares, sauberes Wasser jederzeit bequem aus dem Wasserhahn zapfen zu können. Wir, für die Wasserknappheit etwas war, das nur die anderen betroffen hat, weit weg.

Mahnmal Kunstschneeband & Zicksee

Die erste Hitzewelle des Jahres erlebte Österreich bereits im Winter, der Frühling beginnt viel zu niederschlagsarm, Bergbäuer*innen müssen mit Wasser beliefert werden, weil die Quellen versiegt sind, die Grundwasserstände sind an manchen Orten des Landes auf den niedrigsten Stand seit Messbeginn gesunken. Die absurden Bilder von weißen Kunstschneebändern, die sich durch braune Landschaften in Tirol ziehen oder vom ausgetrockneten Zicksee im Burgenland sollten uns eigentlich ein Mahnmal sein, dringend zu handeln.

Stattdessen streitet sich die Öffentlichkeit nach wie vor lieber über die Frage, wie legitim Klimaproteste sind. Bedenken über die Verfügbarkeit von Wasser werden ignoriert, solange es immer noch rund um die Uhr aus dem Hahn kommt. Diese Apathie ist weder in Österreich noch weltweit haltbar. Das zeigt auch der Global Risks Report 2023: 9 der 10 größten Risiken für das nächste Jahrzehnt haben eine wasserbezogene Komponente.

Kapazitäten überschritten

Die Nutzung von Süßwasser durch den Menschen hat die Kapazitäten bereits überschritten, etwa für die industrielle Landwirtschaft - rund 20 Prozent des weltweiten Wasserverbrauchs für die Bewässerung stammen heute aus der Übernutzung von Grundwasserquellen. Das bringt enorme Risiken für Menschen, Tiere und die Ökosysteme des Planeten mit sich. Die mit wasserbedingten Katastrophen verbundenen Ungerechtigkeiten nehmen zu und der gesamte globale Wasserkreislauf verändert sich.

Die Klimakrise verschärft die Lage in rasantem Tempo. Die Erderhitzung erhöht den Wasserbedarf mit steigenden Temperaturen. Bis 2070 werden 2/3 der Landmasse der Erde einen Rückgang der natürlichen Wasserspeicher erfahren. Der Südwesten Südamerikas, das mediterrane Europa und Nordafrika werden voraussichtlich bis 2050 unter extremen Dürrebedingungen leiden.

Gemeinschaftsgut Wasser

Expert*innen der Global Commission on the Economics of Water fordern, Wasser und den Wasserkreislauf als Gemeinschaftsgüter zu behandeln und mahnen dementsprechende politische Maßnahmen ein: Man müsse den Wasserkreislauf in seiner Gesamtheit betrachten und wie er mit Biodiversität, dem Klima, dem menschlichen Wohlergehen und der Gesundheit der Ökosysteme zusammenhängt – alles Schlüsselfaktoren für sozioökonomischen und ökologischen Wohlstand. Die anhaltende Zunahme von Wasserkrisen erfordere einen neuen wirtschaftlichen Rahmen, der auf einem Systemansatz für den Wasserkreislauf, Gesellschaften und Volkswirtschaften basiert.

Hoher Preis

Als Grundlage dafür nennen die Wissenschaftler*innen der Kommission ein besseres Verständnis für bestehende Strukturen, einschließlich Eigentumsrechten, bilateralen Verträgen und Korruption, die eine Umverteilung von Wasser für das Gemeinwohl behindern. Wenn Natur und die freie Verfügbarkeit von natürlichem Wasser auf dem Markt nicht geschätzt werden, zahlen wir dennoch alle einen hohen Preis für ihren Missbrauch, und er wird dramatisch ansteigen, wenn wir die planetaren Grenzen überschreiten.

Seit Mittwoch tagt die Wasserkonferenz der Vereinten Nationen in New York. Sie ist die historische Chance, effektiv auf die enormen Herausforderungen zu reagieren, denn eines ist gewiss: Wenn wir weitermachen wie bisher, sitzen wir bald endgültig auf dem Trockenen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

mehr lesen
Tina Wirnsberger

Kommentare