THEMENBILD-PAKET: "KLIMT-JAHR 2012" / GEMÄLDE "KUSS"
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Meinung

NFTs sind nicht sexy, sondern uncool

Die Galerie Belvedere hat Klimts "Kuss" digital zerstückelt und als NFT verkauft

Seit knapp eineinhalb Jahren spricht die ganze Kunstszene von NFTs (Non Fungible Tokens). NFTs kann man sich dabei am ehesten als digitales Zertifikat vorstellen, das in einer Blockchain existiert. Für manche dieser NFTs werden immense Summe gezahlt. Doch NFTs sind - im Gesamten betrachtet - ziemlich uncool.

Fangen wir mit dem Positiven an

Es gibt NFT-Projekte, die mag man irgendwie. Weil man einen persönlichen Bezug hat, wie ich zum „Dancing Baby“ aus den 1990er-Jahren, als das Internet noch in seinen Kinderschuhen steckte. Und zur süßen Nyan Cat, einem berühmten Internet-Meme von Chris Torres, das ebenfalls zum NFT wurde. Eine kleine Wiener Galerie inszeniert das „Dancing Baby“-Meme als Kunst, lässt sie remixen, und gibt den Großteil des zu erwartenden Gewinns den Urhebern und Remixern. Die Künstler*innen haben etwas davon. Das gefällt mir.

Das Dancing Baby im Original und im Remix von Chris Torres

Ein kleines Teilchen von - nichts?

Dann gibt es NFT-Projekte, die hasst man. Weil sie wie Abzocke wirken, oder zumindest keinen nachvollziehbaren Nutzen mit sich bringen. Eines dieser Projekte ist für mich die Klimt-Auktion von „Der Kuss“ von der Galerie Belvedere. Zur Erklärung: “Der Kuss" von Gustav Klimt wurde gesplittet, in 10.000 Stücke geteilt und dann als NFT angeboten. Das Original-Kunstwerk ist mehr als 70 Jahre nach dem Tod von Gustav Klimt im Jahr 1918 mittlerweile gemeinfrei, das bedeutet der Urheber hat nichts mehr von dem Kauf.

Die Galerie hat die Rechte am digitalen Bild und die Käufer der NFTs erwarben eine Lizenz zur Nutzung eines kleinen Puzzle-Teilchens des Originals, das sie in ihre Wallets laden dürfen. Doch was besitzen sie eigentlich damit? Eine Lizenz für ein kleines Puzzle-Teilchen, das in den Farben Orange, Lila oder Schwarz (und anderen) glänzt, das aber nur im Gesamtkontext irgendeinen Sinn ergibt. Kein Wunder also, dass der Wert der verkauften Klimt-NFTs, die tatsächlich gehandelt worden sind, bereits um die Hälfte gesunken ist.

Generell gibt es im NFT-Bereich jede Menge ungelöster Probleme und prominenter Betrugsfälle, die dem ganzen Hype drumherum ein Image verleihen, in dem man sich eigentlich nicht positionieren mag (und von der verrückten Idee, sich Farben als NFT zu sichern, um dann Gebühren verlangen zu können, spreche ich hier noch gar nicht!). So hängt es etwa stark von der Plattform und den „Terms and Conditions“ ab, was man am Ende eigentlich wirklich gekauft hat. Theoretisch ist es möglich, dass ein und dasselbe digitale Gut auf verschiedenen Plattformen landet, von verschiedenen Verkäufer*innen angeboten wird, oder ohne Absprache der Original-Urheber*innen veröffentlicht wird. Was dann?

Von der "Inspiration" zum Plagiat ist es nicht weit

In jüngster Zeit gab es bereits zahlreiche Fälle, bei denen Kunstwerke das Urheberrecht von anderen Künstler*innen verletzen. Bei dem an und für sich coolen Projekt Crypto Chicks, das mit einer NFT-Kollektion auf die Wichtigkeit von Frauen im Kryptospace aufmerksam machen möchte, hatte sich eine der Künstlerinnen bei ihrem verkauften Werk bei einer anderen Künstlerin bedient. Sie selbst fühlte sich davon lediglich „inspiriert“, aber es war ganz eindeutig ein Plagiat. Der NFT-Marktplatz Cent, über den Künstler*innen ihre Kreationen verkauft haben, musste die gesamte Plattform stoppen, weil laufend Fälschungen und Plagiate gemeldet wurden.

Wenn man in letzter Zeit das Wort NFT hörte, gab es dazu mehr spektakuläre Betrugsfälle als coole, mit den Urhebern abgestimmte und auf seriösen Plattformen gehandelte Angebote. Für Käufer*innen ist es aber oft nicht einfach, diesen Betrug im Vorfeld zu erkennen. Auch unklar ist, was passiert, wenn die Plattform, über die man ein NFT erworben hat, plötzlich verschwindet. Was bleibt dann vom „Besitz“ übrig?

Das Original einer spanischen Künstlerin und die "Inspiration", die von den Crypto Chicks verkauft wurde

Keine durchsetzbaren Rechte

Apropros „Besitz“: Ist es wirklich so super, ein digitales Item zu besitzen, wenn andere Menschen immer noch mit dem Rechtsklick auf ihrer Maustaste dasselbe digitale Bild einfach runterladen und speichern können? Man erwirbt mit einem NFT keine durchsetzbaren Rechte gegenüber Dritten.

So sexy NFTs auch für manche klingen, so uncool sind sie am Ende. Es mag sein, dass sich in ferner Zukunft einmal ein Nutzen auftut, von dem man derzeit noch nichts weiß. Unlängst geisterte etwa auf Twitter ein TikTok-Video einer User*in herum, die - ironischerweise - vorschlug, aus nicht freiwillig zugesendeten Penis-Bildern NFTs zu machen, die die Sender dann kaufen müssten. Selbst diese Idee geht nicht ganz auf, wenn man sie wirklich zu Ende denkt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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