Das Ende des Skitourismus: Winter isn’t coming
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Im Winter sind die Temperaturen im Gebirge bereits um 2 Grad Celsius gestiegen. Aufgrund der Auswirkungen der Klimakrise sind die Winter bereits deutlich kürzer als noch in den 1960er-Jahren. Bleibt es kürzer kalt, kann sich der Schnee nicht in einer Höhe aufbauen, die ausreichend zum Skifahren geeignet ist. In tieferen Lagen gingen die Tage mit Schneedecke sogar um satte 50% zurück. Das haben ZAMG und Universität Innsbruck in einem Projekt zu Schneetrends in Österreich festgestellt.
Skigebiete in niedrigeren Lagen haben also bereits jetzt Schwierigkeiten, genügend Schnee zu bekommen, um eine durchgehende Skisaison zu überstehen. Nur oberhalb von 2.000 bis 2.500 Metern wurden in den vergangenen 60 Jahren keine signifikanten Veränderungen verzeichnet. Die Höhenlage, in der der Skitourismus lebensfähig bleibt, wandert immer weiter nach oben. Versagt der globale Klimaschutz weiterhin und erreichen wir das Pariser Klimaziel nicht, so prognostizieren die Wissenschaftler*innen, dass es bis zum Ende des Jahrhunderts unter 1.000 Metern Seehöhe kaum mehr Schnee geben wird.
Triste Piste
Die bisherigen Antworten der Skiindustrie auf die nahende Katastrophe sind keine Lösungen, sondern beschleunigen den Aufprall nur noch weiter. Schon heute sind Bilder von künstlich erzeugten Pisten, die sich wie ein Band weiß durch eine rundherum schneelose Berglandschaft schneiden, in Österreich keine Seltenheit. Künstliches Beschneien hat in der Vergangenheit zwar die eine oder andere schneeärmere Saison gerettet, aber es ist alles andere als ein Zukunftsmodell, denn es hat sehr klare Grenzen. Die erste ist ökologisch: Schneekanonen benötigen viel Wasser und viel Strom, um zu funktionieren. Die zweite ist meteorologisch: Kunstschnee wird erzeugt, indem Wasser in die kalte Luft geschleudert wird. Schneekanonen sind nur wirtschaftlich, wenn die Temperaturen unter -4°C liegen. In den Lagen um die 1.500 bis 2.000 Meter verkürzt sich nicht nur die natürliche Schneedauer, sondern auch die geeigneten Tage für künstliche Beschneiung werden um rund 60% weniger.
Diese Prognosen sind keine großen Neuigkeiten. Eine Studie über die Auswirkungen des Klimawandels aus dem Jahr 2013 hat bereits ergeben, dass weniger als die Hälfte der Tiroler Skigebiete bis 2040 genügend Schnee haben werden, um die Weihnachtssaison zu eröffnen, und weniger als 10 Prozent bis 2100. Verheerende Aussichten für Regionen, in denen über Dekaden alles auf den Skitourismus ausgelegt wurde. In den vergangenen Jahrzehnten haben Skilifte dazu beigetragen, abgelegene Bergdörfer in lukrative Tourismusziele zu verwandeln. Jetzt könnte ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von der Sportart ihr Ruin sein, in dem nicht nur Seilbahnen und Skipartyhütten mit drinhängen, sondern die Existenzen tausender Menschen.
Am Heck der Titanic
Angesichts der Erkenntnisse über die Klimakrise ist es absolut unverständlich, dass man in der jüngeren Vergangenheit diese Existenzen sehenden Auges aufs Spiel gesetzt hat. Statt Auswege zu suchen, von denen die Regionen und ihre Bewohner*innen langfristig wieder profitieren können, wollte man ganze Gletschergipfel sprengen, um die Skigebiete auszuweiten. Das wirkt wie die Flucht ans immer steiler nach oben ragende Heck der sinkenden Titanic – wissend, dass man mit ihr untergehen wird.
Peter Schröcksnadel, Liftbetreiber und ehemaliger ÖSV-Präsident, ist einer derjenigen, der das Schiff auf den Eisberg zugesteuert hat. Ausbaden müssen das nun andere, etwa die Menschen im Ötschergebiet Lackenhof. Noch im Februar 2018 negierte Schröcksnadel die Bedrohung von Skigebieten durch die Klimakrise in einem bemerkenswerten Interview: „Prognosen sind Prognosen und mehr nicht. Es ist eine Vorausberechnung, die kann stimmen oder auch nicht. Ich habe schon so viele Prognosen in meinem Leben erlebt. Ich habe die Prognose erlebt, der Wald wird sterben. Äh, der Wald ist heute nicht gestorben.“ Dass der Wald heute nicht gestorben ist, liegt daran, dass die Forstwirtschaft die Prognosen ernst genommen, die Klimakrise und deren massive Herausforderungen für die Wälder anerkannt und Maßnahmen gesetzt hat – wenn auch aus Naturschutzsicht natürlich noch vieles zu tun ist.
Exitstrategien statt magischem Wunschdenken
Hätten Schröcksnadel und andere Verantwortliche auf die Prognosen für Skigebiete ebenso reagiert und Vorsorge getroffen, würde das Ende des Skigebiets am Ötscher wohl nicht so abrupt für die Betroffenen kommen. Man hat wertvolle Zeit mit magischem Wunschdenken vergeudet, anstatt rechtzeitig Pläne zu entwickeln, um die Skiregionen weiterzuentwickeln – heraus aus der Abhängigkeit vom Profit der Seilbahnlobby und deren Willkür, hin zu zukunftsträchtigen Modellen. Lackenhof wird nicht das letzte Gebiet sein, welche das Ende der Skilifte trifft. Das ist traurige Gewissheit. Bleibt nur zu hoffen, dass die politisch wie wirtschaftlich Verantwortlichen dafür Sorge tragen, dass es wenigstens die letzte Region ist, die nicht schon rechtzeitig eine Exitstrategie vorbereitet hat.
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