Verpackungsschmähs: Bio in Fülle von Hüllen
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Supermarktketten präsentieren sich gerne als Retter der Meere gegen die Plastikverschmutzung. Für dieses Image bezahlen sie viel Geld. Sie verpassen sich und ihren Produkten neue Brandings und präsentieren wirklich schön gemachte Kampagnen, die mich als umweltbewusste Konsumentin gleich mal emotional abholen. Und dann steh ich da im Supermarkt, hochmotiviert durch einen tollen Werbespot, um gemeinsam mit dem Konzern den Weg raus aus einem Meer von Plastik zu gehen.
Das eigene Regal mit dem Bio-Gemüse lockt mit ansprechender Bauernladen-Optik. Schon beim Anblick hört man leise im Hinterkopf die einprägsame Stimme eines berühmten Werbeschweinchens und sieht die Bilder von bunten Wiesen, weiten Feldern und ehrlicher Arbeit vor dem inneren Auge vorüberziehen. Denn die großen Konzerne retten bekanntlich nicht nur die Weltmeere, sondern auch kleine Bauernhöfe, Bienen, Wälder, Organ-Utans und das Klima, wie wir aus dem Fernsehen und Werbeprospekten wissen, die täglich zu tausenden in österreichische Postkästen flattern.
Doppelt verpackt – der Umwelt zuliebe?
Ich greife nach dem Bio-Rucola. Der sieht in diesem rustikalen Regal, eingebettet zwischen unverpacktem Fenchel und Stangensellerie, gleich so viel umweltfreundlicher aus als der andere im Plastiksackerl neben den Plastiksaftflaschen drüben im grell beleuchteten Kühlregal. Da ist man glatt versucht, ein Auge zuzudrücken vor der Tatsache, dass auch der Bio-Rucola in Plastik verpackt ist. Denn immerhin wird hier Plastik reduziert, der Umwelt zuliebe! Das kann ich zumindest durch das Plastik hindurch lesen, aufgedruckt auf der zusätzlichen Papierverpackung, die in natürlich anmutendem recyclingfarbenbraun daherkommt.
Außerdem steht da noch, dass ich die Papiertasse hinter dem Plastik gefaltet zum Altpapier geben kann. „Altpapier“, das ist viel besser als Plastik, denn das verknüpft man sofort mit Recycling und das ist doch was Gutes. Dass ich statt einer Einweg-Plastikverpackung wie beim konventionellen Rucola hier sowohl eine Plastik- als auch zusätzlich noch eine Papier-Wegwerfverpackung habe, hinterfrage ich dann vielleicht nicht mehr. Papier und Plastik ist besser als nur Plastik, ganz logisch, oder?
Kognitive Dissonanz
Wir haben hier einen klassischen Fall „kognitiver Dissonanz“. In der Regel wollen wir Menschen im Einklang mit unserem Wissen und unseren Werten handeln. Sind wir damit konfrontiert, dass sich in einer Situation 2 oder mehr Elemente widersprechen, fühlen wir uns damit unwohl und wollen wir wieder Konsistenz herstellen zwischen Emotionen, Wahrnehmungen, Einstellungen und unserem Verhalten. Im Zusammenhang mit dem individuellen Wunsch nach einer umweltbewussten Lebensweise treten diese kognitiven Dissonanzen häufig auf, da das Umfeld mehrheitlich im Widerspruch dazu steht.
Eine kognitive Dissonanz löst in uns automatisch das Bestreben aus, das Spannungsfeld zu reduzieren. Dafür greifen wir auf verschiedene Strategien zurück. Wir können unser Verhalten ändern. Da setzt das Konzept der Konsumkritik an, das Politik und Wirtschaft sich zunutze machen, um die Verantwortung individuell bei den Einzelnen abzuladen: Wir brauchen keine strengen Regeln. Du als Konsument*in hast die Veränderung in der Hand. Verbote sind nicht die Lösung, sondern du kannst mit deiner Kaufentscheidung die Erde und das Klima retten. Wir ändern nicht das System, aber bieten dir einen Gütesiegeldschungel und zeigen vielleicht ab und an mal mit dem Finger auf dich, wenn du dich dort nicht zurechtfindest.
Greenwashing
Wir können Dissonanzen auch dadurch reduzieren, dass wir Informationen weglassen oder hinzufügen. Wir vermeiden also entweder komplett, uns mit der Frage umweltschädlicher Verpackungen zu beschäftigen, oder wir suchen nach Informationen, die unseren Wunsch, uns umweltfreundlich zu verhalten, unterstützen. Genau da setzt „grüne“ Werbung an und versorgt uns eindrücklich mit Slogans, Bildern und Marken-Brandings in erdigen Farben, die diesem Wunsch entsprechen. Statt Müll tatsächlich zu reduzieren, indem sie Verpackungen ganz weglassen, Mehrweglösungen schaffen und Pfandsysteme einrichten, präsentieren sie vermeintlich „umweltfreundliche“ Wegwerfverpackungen und hervorragend gemachte Kampagnen, die uns zeigen, wie wir mit ihnen gemeinsam die Weltmeere retten – durch unsere Kaufentscheidung. Greenwashing verringert vielleicht das Spannungsfeld, aber nicht das Müllproblem.
Die Aufforderung zu umweltbewussten Kaufentscheidungen sowie die Auseinandersetzung mit dem eigenen Kaufverhalten und dem, was uns da so an Produkten angeboten wird, sind wichtig. Es kann aber keine Lösung sein, die Verantwortung alleine den Einzelnen umzuhängen. Das führt letztendlich dazu, dass die Branchen noch kreativer darin werden, mit welchem Ökoschmäh sie unsere kognitive Dissonanz reduzieren können. Damit individuelle Bemühungen mehr sind als bloß ein Tropfen auf dem heißen Stein, muss die Verhaltensänderung am anderen Ende der Leitung stattfinden. Die Spannungsfelder können nur dann erfolgreich abgebaut werden, wenn unnötige Verpackungen gar nicht erst in den Regalen landen. Die einzige umweltfreundliche Verpackung ist letztlich nämlich die, die gar nicht erst produziert wird.
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