MINISTERRAT - PRESSEFOYER: MOSER / KICKL
© apa, Georg Hochmuth

Netzpolitik

Bundestrojaner und "Quick freeze": Regierung präsentiert Überwachungspaket

Die schwarz-blaue Regierung hat im Ministerrat am Mittwoch ein großes Überwachungspaket auf Schiene gebracht. Die Gesetzesvorhaben sehen u.a. eine verstärkte Video-Überwachung im öffentlichen Raum und im Straßenverkehr, die Überwachung von Internet-Kommunikation durch staatliche Spionagesoftware (Bundestrojaner), einen Neuanlauf zur Vorratsdatenspeicherung sowie die Registrierung von Prepaid-Handy-Karten vor.

Die meisten Inhalte der von der Regierung als „Sicherheitspaket“ titulierten Maßnahmen wollte die ÖVP schon in der vergangenen Legislaturperiode umsetzen, ist aber am Widerstand des damaligen Koalitionspartners SPÖ gescheitert. Mit der FPÖ gibt es nun einen neuen Anlauf. Das Paket wird befristet für fünf Jahre beschlossen und soll nach drei Jahren evaluiert werden.

Bundestrojaner

Erster Kernpunkt des Maßnahmenbündels ist die Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp und Skype durch die „Remote-Installation eines Programms auf einem Computersystem“ (Stichwort: Bundestrojaner). Das soll zur Anwendung kommen bei Straftaten mit einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren, bei Verdacht auf terroristische Straftaten sowie bei Straftaten mit einer Strafobergrenze von mehr als fünf Jahren, wenn Leib und Leben und/oder die sexuelle Integrität gefährdet sind.

Vorratsdatenspeicherung light

Als Ersatz für die von Höchstgerichten in Europa aufgehobene Vorratsdatenspeicherung soll eine anlassbezogene Datenspeicherung in Verdachtsfällen kommen. Konkret ist das sogenannte Quick-freeze bei Vorliegen eines Anfangsverdachts auf bestimmte gerichtlich strafbare Handlungen vorgesehen. Telekommunikationsfirmen können demnach beim Verdacht einer Straftat von den Behörden angewiesen werden, Daten zu speichern. Und zwar bis zu zwölf Monate lang. Sollte sich der Anfangsverdacht nicht erhärten, soll die Anordnung zur Datenspeicherung außer Kraft treten und der Verdächtige über den Vorgang informieren werden müssen.

Videoüberwachung

Weiters soll die optische und akustische Überwachung von Personen ausgeweitert werden. Die Behörden sollten Zugriff auf die Video- und Tonüberwachung aller öffentlichen und privaten Einrichtungen, denen ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt (Verkehrsbetriebe, Flughafen, Bahnhof), bekommen. Für die Aufnahmen soll eine vierwöchige Speicherpflicht gelten. Damit gibt es eine zentrale, staatliche Kontrolle aller öffentlichen Plätze und des dortigen Lebens.

Kennzeichenerfassung

Ausgebaut werden sollen „Kennzeichenerkennungssysteme“. Damit sollen auf den Straßen der Lenker, das Kennzeichen sowie Marke, Typ und Farbe erfasst werden. Freiwillig von Privaten überlassene Bild- und Videodaten sollen für alle sicherheitspolizeilichen Zwecke verwendet werden dürfen.

Aus für anonyme SIM-Karten

Ebenfalls geregelt wird der Einsatz von IMSI-Catchern. Diese Geräte verhalten sich gegenüber dem Mobiltelefon wie eine Funkzelle (Basisstation). So ist es möglich, Handys ohne Mitwirkung des jeweiligen Netzbetreibers zu lokalisieren. Gesprächsinhalte sollen nicht abgehört werden, was allerdings Kritiker befürchten. Anonyme Prepaid-Karten sollen der Vergangenheit angehören. Ab 2019 soll jeder Kauf einer SIM-Karte mit der Registrierung der Identität einhergehen.

Lockerung des Briefgeheimnisses

Vorgesehen ist weiters eine Lockerung des Briefgeheimnisses. Die Beschlagnahmung von Briefen ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, erforderlich ist. Bisher war die Voraussetzung, dass der Beschuldigte wegen einer vorsätzlichen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Tat in Haft ist oder eine Vorführung oder Festnahme deswegen angeordnet wurde. Argumentiert wird das mit der Bekämpfung des Handels mit im sogenannten Darknet angebotenen Suchtmitteln, welcher zunehmend über Versand von Briefen stattfinde.

Im Paket ebenfalls vorgesehen ist, dass Polizeieinsätze, die vorsätzlich oder mutwillig falsch ausgelöst wurden, künftig vom Verursacher zu bezahlen sind.

"Aufrüsten"

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Justizminister Josef Moser ( ÖVP) sehen in dem Paket keine Massenüberwachung. Laut Kickl seien die Maßnahmen nötig gewesen, um einerseits das subjektive Sicherheitsgefühl zu stärken, andererseits den Methoden Krimineller eine Antwort zu liefern. Mit dem „Sicherheitspaket“ sage man dem staatsfeindlichen Terrorismus und der schweren Kriminalität den Kampf an. „Die Kriminellen rüsten auf“, so müssten dies nun auch Justiz und Exekutive tun.

Sowohl für Kickl, als auch für Moser gehen die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen nicht in die Breite, sondern vielmehr in die Tiefe. So werde etwa nicht mehr das Umfeld des Verdächtigen überwacht, sondern nur noch der Betroffene selbst. Auch der größtmögliche Schutz der Rechte einzelner Betroffener stehe im Vordergrund. Justizminister Moser betonte, dass sowohl die Grundrechte gewahrt blieben, als auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Beachtung gefunden habe.

Kritik von der Opposition

Kritik an den Regierungsvorhaben kam postwendend. Das bringe schwerwiegende Eingriffe in die Privatsphäre und beschleunige die Entwicklung zum Überwachungsstaat, sagte NEOS-Klubobmann Niki Scherak. Bevor neue Überwachungsmaßnahmen beschlossen würden, müsse die Regierung eine Überwachungsgesamtrechnung durchführen, forderte Scherak.

Auch die Grünen meldeten sich zu Wort. Die schwarzblaue Regierung setze auf totale Überwachung, ohne belegen zu können, wieso diese notwendig sei, sagte Bundesrätin Ewa Dziedzic.

Auch Experten skeptisch

"Das Überwachungspaket entspricht weitgehend den Gesetzesvorschlägen der vorigen Regierung. Die grundlegende Kritik, die wir und viele andere Organisationen an diesen Maßnahmen haben, gilt unverändert. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Freiheit einer Illusion von Sicherheit geopfert wird. Schon gar nicht lassen wir zu, dass mit dem Bundestrojaner reale Sicherheitsbedrohungen geschaffen werden. Wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, damit diese Debatte in Österreich endlich auf Basis von Fakten und nicht von Gefühlen geführt wird", fordert Werner Reiter von der Bürgerrechts-NGO epicenter.works.

„Auch wenn jetzt Transparenz und Rechtsschutz mehr Bedeutung zugemessen wurde, ändert das nichts an unserer grundsätzlichen Ablehnung der geplanten Maßnahmen, da auch in dieser Version die dadurch geschaffenen Risiken deutlich höher sind als der zu erwartende Nutzen“, zeigt sich Maximilian Schubert, Generalsekretär der ISPA, ebenfalls kritisch. „Dass dieses Vorhaben jetzt ohne weitere Begutachtung durch das Parlament gebracht werden soll, finden wir demokratiepolitisch bedenklich und bedauern wir sehr.“ Eine Begutachtungsphase ist dieses Mal nämlich nicht geplant.

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