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Netzpolitik

ChatGPT arbeitet jetzt im Linzer Magistrat

Ulrike Huemer leitet als Magistratsdirektorin seit 2020 die Verwaltung der oberösterreichischen Landeshauptstadt. Im Magistrat Linz arbeiten insgesamt 4400 Personen, davon haben rund 2000 einen eigenen Büro- und IT-Arbeitsplatz. Huemer erzählt, wie die Stadt Mitarbeitende jetzt aktiv dazu ermutigt, mit Künstlicher Intelligenz (KI) wie ChatGPT zu experimentieren und das Programm auch im Arbeitsalltag einzusetzen.

Experimente erlaubt - mit Regeln

„Als ChatGPT veröffentlicht wurde, haben viele Mitarbeitenden begonnen, das Programm auszuprobieren. Es war aber von Anfang an ein hohes Maß an Sensibilität vorhanden und viele haben sich gefragt, ob sie das überhaupt ausprobieren dürfen“, erzählt Huemer der futurezone.

Fazit: Sie dürfen. „Für mich war seit Jahresbeginn an klar, dass ChatGPT und KI ein Gamechanger sein wird. Wir in der öffentlichen Verwaltung müssen eine gewisse Offenheit für Technologien bewahren, und im geschützten Bereich Technologien auch ausprobieren können, um noch effizienter und serviceorientierter zu werden“, sagt Huemer.

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Ulrike Huemer leitet als Magistratsdirektorin seit 2020 die Verwaltung der österreichischen Stadt Linz. Zuvor war sie viele Jahre CIO der Stadt Wien.

Zusammenfassung von Texten

Beim Experimentieren gute Erfahrungen gemacht haben Mitarbeitende mit ChatGPT bis jetzt etwa dabei, sich bei der Erstellung von Veranstaltungsunterlagen unterstützen zu lassen. Auch, bei der Beantwortung von Medienanfragen hilft der Chatbot. Hier ist vor allem die Funktion nützlich, dass ChatGPT lange Texte „liest“ und die wichtigsten Punkte in wenigen Sekunden zusammenfassen kann.

Wofür ChatGPT derzeit auf jeden Fall nicht geeignet sei, so Huemer, seien spezifische Rechtsvorschriften von Ländern und Gemeinden.„Unsere große Wissensdatenbank für die Servicierung von Bürger*innen mit sämtlichen Fragen zur Stadt ist ebenfalls noch nicht eingespeist. Hier sehe ich mit KI Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung, aber wir müssen dazu erst eine eigene Strategie entwickeln“, so Huemer.

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Eigener Leitfaden für den Umgang mit KI

Doch nicht alle Daten dürfen willkürlich in den Chatbot eingegeben werden. Daher gibt es für die öffentliche Verwaltung nun klare Regeln. In Linz wurde ähnlich wie in Graz und Wien ein eigener Leitfaden für den Umgang mit KI entwickelt. Sensible Daten von Bürgern dürfen natürlich keinesfalls unbedarft an ein US-Unternehmen wie OpenAI, das hinter ChatGPT steckt, gesendet werden.

„Es müssen bestimmte Grundsätze eingehalten werden“, so Huemer. „In unserem Leitfaden sind die wesentlichsten Aspekte festgelegt. So sind etwa das Amtsgeheimnis und das Urheberrecht zu respektieren“, erklärt Huemer. In der Praxis bedeute das etwa, dass Namen in Texten auf jeden Fall gelöscht werden müssen, oder dass ChatGPT nicht mit sensiblen Daten, die etwa die Gesundheit betreffen, gespickt wird.

„Es ist außerdem wichtig, dass die KI keine autonome Entscheidungsinstanz ist“, ergänzt Huemer. Wichtig sei zudem, dass die Ergebnisse auf diskriminierende Inhalte oder Sprache geprüft werden, bevor sie übernommen werden. „Mitarbeitende, die durch ChatGPT einen Vorteil sehen, sollen diesen überdies dokumentieren. Wir sammeln dieses Wissen als lernende Organisation und geben es auch an andere Abteilungen weiter“, erklärt Huemer.

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KI-Kompass auch in Wien

Auch in Wien wurde dieser Tage ein "KI-Kompass für Bedienstete" der Stadt veröffentlicht. Darin ist etwa geregelt: "Bei der Verwendung von KI-generierten Inhalten trägt der Mensch die Verantwortung. Inhalte sind kritisch zu hinterfragen und auf Nachvollziehbarkeit zu prüfen, etwa KI-generierte Deepfakes." Das heißt: Auch die Wiener Magistratsdirektion hat sich bereits damit beschäftigt, wie sie KI in der Verwaltung einsetzen kann.

„Meine Erwartungshaltung ist aber keinesfalls die, dass es alle einsetzen müssen, sondern dass wir gemeinsam experimentieren, um zu sehen, was sich für Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Da braucht es nicht nur ein kleines Team, es muss im Alltag Platz für Experimente geben“, sagt die Magistratsdirektorin von Linz. Experimentiert wird derzeit mit der kostenlosen Version von ChatGPT.

Workshop-Formate und KI-Strategie

Zusätzlich gibt es eine eigene Abteilung für Digitalisierung, die die Weiterentwicklung von ChatGPT beobachtet. Über den Sommer seien außerdem Workshop-Formate vorbereitet worden, in denen Mitarbeitende unter Anleitung ChatGPT in ihrem Einsatzbereich ausprobieren können, so Huemer. „Auch der Leitfaden wird sich weiterentwickeln und mitwachsen“, so Huemer. Zusammen mit den Workshops werde außerdem eine KI-Strategie ausgearbeitet. „Mit Jahresende wissen wir, wie wir KI im nächsten Jahr explizit in der Verwaltung einsetzen können“, sagt Huemer.

Falls es bis dahin eine europäische Lösung ähnlich wie ChatGPT gäbe, würde diese zudem bevorzugt eingesetzt. „Es wäre toll, wenn wir uns nicht mit US-Unternehmen wie OpenAI auseinandersetzen müssten“, so Huemer.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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