Wie digitale Grundbildung sinnvoll unterrichtet werden kann
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Heutzutage gibt es fast immer und überall Zugang zum Internet. Wie man sich damit verbindet, warum man zum Surfen einen Browser benötigt, was eine Verbindung mit WLAN von einer über das Mobilfunknetz unterscheidet und wie man dies erkennt, sind wichtige Dinge, die Schüler*innen im neuen Schulfach „digitale Grundbildung“ lernen. Sie stehen im interaktiven, digitalen Schulbuch „Schubu“ gleich ganz zu Beginn.
Schubu ist keine App, sondern eine Website. Diese ist so gestaltet, dass sie am Smartphone, am Tablet, am Laptop und am Klassen-Whiteboard gleichermaßen funktioniert. Schüler*innen und Lehrer*innen, die Schubu im Unterricht nutzen, loggen sich mit ihren Accounts ein und schon können sie auf alle Inhalte, Arbeitsblätter, Aufgaben und interaktiven Spiele zugreifen.
Mehr als ein analoges Buch
15 Prozent des Budgets können Schulen für digitale Unterrichtsmittel ausgeben. „Wir sind Teil der Schulbuchaktion und können als Unterrichtsmittel eigener Wahl für 12 Euro pro Schüler*in pro Jahr bestellt werden“, erklärt Schubu-Gründer Paul Beyer Klinkosch im Gespräch mit der futurezone. Damit bekommen Schüler*innen und Lehrer*innen Zugriff auf alle Schubu-Lernhilfen, darunter auch Deutsch, Mathematik und Physik.
Gerade für das neue Schulfach „digitale Grundbildung“ macht es großen Sinn, dieses nicht nur anhand eines Buchs zu unterrichten. „Wir arbeiten direkt mit der Technik, die unterrichtet werden soll. Für uns ist es komisch, wenn Lehrer*innen anhand eines analogen Buches erzählen würden, was das Internet ist, wenn sie es mit dem Schubu auch direkt interaktiv unterrichten könnten“, erklärt Lev Lumesberger, Lead Designer bei Schubu.
Internet-Geschwindigkeit checken
Bei Schubu startet das Kapitel 1 des neuen Schulfachs etwa mit einer gemeinsamen Brainstorming-Session und einer Mindmap. Schüler*innen überlegen, was sie mit dem Internet in Verbindung bringen und Lehrer*innen tragen dies auf einer Gedankenkarte ein. Als Nächstes lernen sie, wie sie ihre Internet-Geschwindigkeit selbstständig messen können und wie lange es etwa dauert, mit einer bestimmten Geschwindigkeit einen Film runterzuladen.
Sie lernen aber auch, wie sie im Netz nach etwas suchen können. Dabei wird gleich das Wissen darüber vermittelt, wie sie im Browser eine Werbeanzeige von einem echten Suchergebnis unterscheiden können. Selbstverständlich ist dabei ein „Safe Search“-Filter im Einsatz, sodass Kindern nur altersgerechte Inhalte angezeigt werden. Mit dabei sind jede Menge Hacks und Tricks, die im Alltag nützlich sind.
Sofort ausprobieren ist besser als darüber lesen
„Man lernt schwimmen im Wasser und nicht anhand eines Buchs. Mit uns lernen Kinder das Internet im Netz kennen, in dem sie es benutzen, und nicht, weil sie darüber in einem Buch etwas gelesen haben“, sagt Beyer-Klinkosch. „Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob man etwas sofort ausprobieren kann, oder man etwas darüber liest. Der direkte Umgang damit trägt wesentlich dazu bei, etwas zu begreifen“, so der Schubu-Chef.
Das Edutech-Start-up ging im Februar 2021 offiziell mit seinem Angebot als interaktive Ergänzung zu Schulbüchern an den Start und hat sich seither gut entwickelt. 11.000 Schüler*innen nutzen Schubu bereits in anderen Fächern wie Deutsch, Biologie, Geografie oder Physik. Dazu kommen 55 Vertrags- und 45 Pilotschulen, die bei der Entwicklung wertvolles Feedback gegeben haben. „Wir sind ganz aufgeregt, weil wir mit digitaler Grundbildung jetzt genau die Inhalte machen, die uns am Nächsten liegen“, sagt Lumesberger.
Digitale Grundbildung mit neuem Lehrplan
Seit 2018 gibt es in Österreich „digitale Grundbildung“ als verbindliche Übung für alle 10- bis 14-Jährigen. Dieses Schuljahr startet das Fach mit verändertem Lehrplan als neuer Pflichtgegenstand. „Unsere Inhalte für digitale Grundbildung sind von uns an den neuen Lehrplan angepasst“, sagt Beyer Klinkosch. Konkret befinden sich die interaktiven Inhalte teilweise noch in Entwicklung. Das erste Kapitel zum neuen Lehrplan ist bereits fertig und online abrufbar, Kapitel 2 und 3 folgen im September. Insgesamt beinhalte der neue Lehrplan jetzt „mehr kritisches Denken und weniger C++“, so der Schubu-Chef.
Dazu gehört etwa auch der Umgang mit Emojis und dass Empfänger*innen die Bedeutung auch missverstehen können. Auch kritisches Denken und der Umgang mit Fake News können interaktiv viel besser vermittelt werden als mit Inhalten, die nicht interaktiv sind. „Wenn wir Kinder im geschützten Raum ihre eigenen Inhalte erstellen lassen, lernen sie damit, dass auch ihre Meinung zählt und sie nicht nur ein unbedeutendes Rad sind, das keinen Einfluss hat“, erklärt Beyer Klinkosch.
Wortschatz um neue Begriffe erweitern
„Dabei bedienen wir uns all der Möglichkeiten, die das Netz anbietet.“ Dazu gehören etwa auch interaktive Spiele, die etwa dazu dienen sollen, den Wortschatz der Kinder zu erweitern. Anhand von Kugelfischen wird so etwa geübt, was das Wort „Computer“ bedeutet und wie es verwendet werden kann. Damit lernen Kinder auch, bestimmte Wörter in ihre Alltagssprache zu integrieren.
Damit das Schubu-Team eines Tages von seinem Angebot leben kann, müssten ihre interaktiven Schubücher insgesamt von 80.000 Schüler*innen genutzt werden. „Wir glauben fest daran, dass fächerübergreifender Unterricht in Zukunft noch wichtiger wird und wollen von Anfang an dafür gerüstet sein“, so der Schubu-Chef.
Lange Vorlaufzeiten für gedruckte Schulbücher
Die Lehrinhalte in Schubu sind zwar an den Lehrplan angepasst und extra dafür entwickelt, allerdings nicht offiziell approbiert. „Das liegt daran, dass es aktuell keinen Prozess gibt, um digitale Lernunterlagen zu approbieren. Man müsste dazu Druckfahnen als PDF einreichen und bräuchte eine Vorlaufzeit von 2 Jahren. Das ist verrückt“, erklärt Beyer-Klinkosch.
„Unser Format hat den Vorteil, dass wir bei Änderungen schnell reagieren können. Etwa dann, wenn ein bestimmter Browser gar nicht mehr genutzt wird, fliegt er auch bei uns raus“, sagt Lead Designer Lumesberger.
„Peinliche Fehler“, wie diese etwa zuletzt in dem gedruckten Schulbuch „vernetzt“ aufgedeckt worden sind, sollte es keine geben. „Wir unterscheiden das WWW natürlich vom Internet, auch wenn es im alltäglichen Sprachgebrauch synonym verwendet wird. Die Frage ist allerdings: Wie relevant ist das für die Kinder wirklich? Wir wollen bei unseren Inhalte vor allem auf die Lebenswelt der Kinder Rücksicht nehmen. Wenn man diese vergisst, hat man sehr schnell Inhalte für Intellektuelle oder Techniker*innen“, sagt Lumesberger.
Mehr zum Schulfach digitale Grundbildung
Ab diesem Schuljahr, das nächste Woche in Wien startet, ist für die 5. bis 7. Schulstufe alles neu: Der Lehrplan für das Fach digitale Grundbildung wurde verändert und das Fach wird zum Pflichtgegenstand, bei dem es auch Noten gibt. Insgesamt beinhaltet der neue Lehrplan jetzt unterschiedliche Aspekte der Medienbildung und Informatik.
Für das neue Unterrichtsfach gibt es ein Schulbuch namens „vernetzt“, an dem es zuletzt massive Kritik gegeben hatte. Es hatten sich zahlreiche Fehler rund um die Geschichte des Internets eingeschlichen. Das Werk wurde überarbeitet und liegt zum Schulstart als digitale Version korrigiert vor. Die gedruckte Version gibt es erst im Herbst 2023, weil der Prozess so lange dauert.
Neben dem Angebot von Schubu gibt es von der Initiative SaferInternet.at rechtzeitig zum Schulstart eine neue Übungssammlung, die Themen wie Quellenkritik oder Hass im Netz abbildet. Die einzelnen Übungen eignen sich für den Unterricht im neuen Schulfach. All diese digitalen Unterlagen sind gerade erst fertiggestellt worden, weil der Lehrplan für das neue Fach erst Anfang Juli festgelegt worden war.
Den Unterricht des neuen Schulfachs sollen jetzt erst einmal jene Lehrkräfte übernehmen, die bisher die verbindliche Übung unterrichtet haben. Für weitere Lehrkräfte gab es im Sommer einen zweiwöchigen „Online-Fortbildungskurs“, ein neues Lehramtsstudium für das Fach gibt es überhaupt erst ab 2023/’24.
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