SINGAPORE-TRANSPORT-VEHICLE-TECHNOLOGY-AUTONOMOUS

Neben den USA wird auch in Singapur mit selbstfahrenden Linienbussen experimentiert

© APA/AFP/ROSLAN RAHMAN / ROSLAN RAHMAN

Netzpolitik

Wieso arme Menschen selbstfahrende Busse ablehnen

Heutzutage kommen immer mehr Technologien in Städten zum Einsatz. Das können autonome Busse sein, oder aber Fußgängerampeln, die automatisch erkennen, wenn jemand bei der Ampel wartet und dann rasch umschalten. Doch hat man vor den Einsatz dieser Dinge eigentlich die Bürgerinnen und Bürger konsultiert und sie gefragt, ob sie diese überhaupt wollen?

Susan J. Winter von der University Maryland (USA) beschäftigt sich mit diesen soziotechnischen Auswirkungen von Smart Cities. Sie war für eine Vortragsreihe der TU Wien zum „Digitaler Humanismus“ zu Gast und die futurezone traf sie zum Gespräch. Sie erzählt von ihrer Forschungsarbeit, die sie zusammen mit Kollegen in West Baltimore (USA) durchgeführt hat. Dort sollen selbstfahrende Busse zum Einsatz kommen, um die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen.

"Niemand hat die Menschen gefragt"

Diese Pläne würden allerdings auf breite Ablehnung stoßen, und zwar vor allem bei den ärmeren Menschen aus der Gegend, erzählt Winter. „Niemand hat die Menschen gefragt, ob sie überhaupt autonome Busse wollen“, so die Forscherin. „Busfahrer zu sein ist ein anständiger Job und viele Menschen wollen nicht, dass diese Jobs verloren gehen“, zitiert Winter als eines der beiden Argumente für den Widerstand unter der Bevölkerung.

In West Baltimore ist aber nicht nur Armut sehr weit verbreitet. Rund zwei Drittel der Bevölkerung sind Afroamerikaner und weniger als ein Drittel Weiße. Laut Winter fürchten sich Afroamerikaner davor, dass das Fehlen der Busfahrer zu mehr Kriminalität und rassistisch motivierter Gewalt führen könnte. „Busfahrer geben uns Sicherheit“, sagt Winter in ihrem Namen. Statt autonome Busse würden sie sich kostenlose WLAN-Verbindungen wünschen, um sich während der langen Zeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln weiterbilden zu können, um selbst bessere Jobs zu erhalten.

Bedürfnisse der Bewohner

Was Winter mit diesem Beispiel aufzeigen will, ist rasch erklärt: Es  bedarf nicht nur Technologie, um eine Stadt smart zu machen, sondern es ist auch wichtig auf die Bedürfnisse der Bewohner Rücksicht zu nehmen und diese besser in Stadtplanungsprozesse einzubinden. „Menschen und Technologien entwickeln sich beide nebeneinander weiter, aber es gibt auch einen dritten Marktteilnehmer: die Unternehmen. Diese sind vor allem ihren Aktionären verpflichtet und haben nicht immer das Wohl des Menschen im Auge, um ihre Ziele zu erreichen“, sagt Winter. Hier müsse man eine Balance finden, um den Bedürfnissen der unterschiedlichen Stakeholdern gerecht zu werden, so die Professorin.

Wenn eine Stadt Technologien eines Unternehmens kaufe, müsse sie sich daher immer fragen: „Ist das auch gut für die Menschen?“, sagt Winter. „Und sie müssen in Kontakt treten mit der Bevölkerung.“ Dies soll laut der Expertin zudem nicht nur über Online-Werkzeuge geschehen, sondern auch in Offline-Fokusgruppen. „Manche Stimmen sind online lauter, andere werden gar nicht gehört. Online können sich vor allem Menschen beteiligen, die besser ausgebildet sind, über mehr Vermögen und mehr Freizeit verfügen“, sagt Winter. Ältere Menschen, Mütter oder chronisch Kranke werden selten in den Prozessen berücksichtigt. „Doch auch sie leben in Städten und haben Bedürfnisse.“

Inklusion fördert Zufriedenheit

Wenn man möglichst viele Bevölkerungsgruppen in den Stadtentwicklungsprozess mit neuen Technologien inkludiert, ist laut Winter die Chance der Akzeptanz viel größer. „Wenn sich Menschen ausgeschlossen fühlen, öffnet das ein großes Tor für Proteste - und in manchen Städten könnte sogar eine Revolution ausbrechen“, sagt Winter. Die Professorin empfiehlt, Technologie niemals in den Mittelpunkt zu stellen, sondern sie immer nur als „Mittel zum Zweck“ einzusetzen.

Hinweis: Die öffentliche Vorlesungsreihe zu „Digitaler Humanismus“ an der TU Wien geht am 20. November (17-18.30 Uhr, Ei3 Sahulka Lecture Hall) mit einem Vortrag von Gertfried Stocker, Artistic Director der Ars Electronica, weiter.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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