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Netzpolitik

eCard wird zur Sicherheitslücke beim Grünen Pass

Der Grüne Pass soll in Österreich schon bald verwendet werden, um bei Veranstaltungen, im Restaurant oder beim Friseur seinen Corona-Status nachzuweisen. Geimpfte, Genesene und Getestete bekommen bei „grün“ Zutritt. Doch das in Österreich geplante System ist, wie interne Dokumente zur geplanten Umsetzung zeigen, sehr problematisch. „Es gibt gravierende Privatsphärenprobleme und Sicherheitslücken“, heißt es seitens der Bürgerrechtsorganisation epicenter.works, die die Dokumente gemeinsam mit der ZIB2 vorab zugespielt bekam.

eCard-Nummer auf der Rückseite

Dabei haben die Datenschützer mehrere Probleme identifiziert: Eines davon betrifft die eCard. Die Kennnummer der Karte, die auf der Rückseite zu finden ist, soll parallel zu einem QR-Code der Schlüssel für die Abfrage des Covid-Statuses der Österreicher*innen werden. Die Nummer besteht aus 20 Zeichen, wobei die ersten 10 Zeichen fix vergeben sind. Beim Eintritt ins Restaurant wird in einer WebApp namens „Greencheck“ diese Nummer eingescannt. In Folge bekommt man angezeigt, ob eine Person „grün“ oder „rot“ ist und ins Lokal darf, oder nicht.

"Wer ein Foto der eCard macht, kann den Status jederzeit erneut abfragen", sagt Thomas Lohninger, Geschäftsführer von epicenter.works in der ZIB2. Weil es sich bei „Greencheck“ um eine WebApp handelt, ist das System außerdem anfällig für Massenabfragen. Es ist damit ein massenhaftes, automatisiertes Abrufen von Daten aller sozialversicherten Personen in Österreich möglich.„Mit geringem technischen Aufwand kann damit der Corona-Status einer Person aus einem zentralen System abgefragt werden“, schreibt epicenter.works in einem Blogposting.

Selbst wenn die Nummern auf der eCard zufällig angeordnet sein würden, würde man damit die Covid-Nachweise aller Sozialversicherten innerhalb eines Monats kopiert haben, heißt es. Bei größerer „krimineller Energie“ und mit einem Botnet könnten diese Daten bereits „nach wenigen Tagen“ abgegriffen werden, warnt epicenter.works. Bei Corona-bezogenen Daten handelt es sich noch dazu um sensible Gesundheitsdaten, die eigentlich besonders schützenswert sind.

„Im Mai oder Anfang Juni mit diesem System live zu gehen, wäre aus unserer Sicht schwer fahrlässig."

epicenter.works

Abraten vom Einsatz des Systems

Die Datenschützer raten daher vom Einsatz dieses Systems vehement ab. „Alles, was in Österreich über die letzten Monate entwickelt wurde, ist eigentlich bei weitem nicht in dem Zustand, um es mit den Echtdaten der Bevölkerung zu befüllen. Im Mai oder Anfang Juni mit diesem System live zu gehen, wäre aus unserer Sicht schwer fahrlässig“, heißt es. Die Sicherheitsschwachstelle habe man nur „mit einem kurzen Blick auf die Architektur“ sofort als solche identifizieren können.

Ein massenhaftes Abfragen könnte man zwar rein technisch betrachtet mit dem Einsatz von sogenannten Captchas verhindern, aber das wäre im Einsatz bei Veranstaltungen, Friseur oder in Restaurants nicht praktikabel. Schließlich können Personen in so einem Setting nicht einfach noch rasch ein Captcha eingeben, bevor man den einzelnen der Einlass gewährt wird und in der Schlange dahinter weitere Personen warten.

Update: Ministerium bläst Lösung ab

Nachdem es am Donnerstag noch keine Stellungnahme gegenüber der ZIB2 gab, teilte das Gesundheitsministerium am Freitag der futurezone mit, dass die eCard-Lösung in der Form nicht kommen werde. Nicht zuletzt aufgrund der Bedenken des Datenschutzrats werde dieses Service hintangestellt.

Zentrale Stelle sammelt, wer wo war

Doch es gibt auch aus Datenschutz-Sicht noch mehr an der geplanten Lösung zu kritisieren: Die Abfrage des Corona-Statuses geschieht nämlich bei einem zentralen Online-System, und nicht etwa offline direkt am Gerät. Die Green Check App, die etwa Veranstaltern zur Verfügung stehen soll, ist eine Web-App. Das bedeutet, dass jede Abfrage des Corona-Statuses in Österreich zentral erfasst wird.

„Diese Abfrage lässt sich einer geprüften Person und einem Prüfzeitpunkt zuordnen und geht von dem Smartphone der Betriebsstätte aus. Damit kann an dieser zentralen, von der Verwaltung betriebenen Stelle für alle Bereiche des sozialen Lebens, in denen ein Covid-Nachweis als Eintrittstest vorausgesetzt werden, zugeordnet werden, wer wann wo war."

Epicenter.works kritisiert, dass so viel Information an einer Stelle niemals verhältnismäßig sein könne. "Insbesondere, weil es datenschutzfreundlichere Alternativen gäbe und diese auf EU-Ebene vorangetrieben und teilweise als fertige Software zur Verfügung gestellt werden“, so die Organisation.

"Explizit nicht zur Umsetzung empfohlen"

Das EU-Parlament hat ebenso wie der österreichische Datenschutzrat als entscheidendes Kriterium für eine Zustimmung zum Grünen Pass die „Unbeobachtbarkeit des Verhaltens der Nutzer*innen“ festgelegt, also eine dezentrale Verifikation des Corona-Statuses. Alles andere würde einer unverhältnismäßigen Überwachung der Bürger*innen gleichkommen. „Aufgrund des eleganten, dezentralen, internationalen Ansatzes sollte die Notwendigkeit für eine zentrale, nationale Datenbank mit allen Nachweisen auf Vorrat hinterfragt werden und wird explizit nicht zur Umsetzung empfohlen“, so epicenter.works.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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