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Netzpolitik

Jurist: Innenministerium stellt PR-Berater online an den Pranger

Zuerst war die Website des Innenministeriums wegen eines „Hardware-Problems“ rund 30 Stunden lang nicht erreichbar. Dann prangerte am Donnerstag in der Früh ein Foto des Innenministers Karl Nehammer (ÖVP) auf der Startseite und rechts davon eine Pressemeldung mit dem Titel „Innenministerium prüft rechtliche Schritte gegen Rudolf Fußi“.

 

Diese Meldung hat es zwar mittlerweile im Laufe des Tages unter den Menüpunkt „Aktuelles“ geschafft und ist von der prominenten Position ganz oben auf der Startseite des Ministeriums verschwunden. Doch die Aufregung auf Twitter war groß, die Reaktionen reichten von Witzen, wie „Staatsfeind Nr. 1“ bis hin zu „das ist an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten“. Andere sehen darin eine „Hetzjagd auf einzelne Personen, die ohne juristisches Verfahren verurteilt werden“.

"Politische Auseinandersetzung"

Laut der Aussendung habe sich der PR-Berater „unzumutbar über die Arbeit der Wiener Polizei“ geäußert, weshalb diese Aussagen nun strafrechtlich und verwaltungsrechtlich geprüft werden. Die Vorwürfe sind schon 5 Tage alt, doch offenbar hat die "Prüfung" dieser Angelegenheit noch immer nicht stattgefunden. Darf das Innenministerium also gegen eine Einzelperson öffentlich überhaupt so vorgehen, wenn noch nicht einmal eine Anklage erhoben wurde?

Jurist und Institutsvorstand Nikolaus Forgo vom Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Universität Wien meldet hier Zweifel an. „Es handelt sich hier sichtlich um eine politische Auseinandersetzung und eine Art Onlinepranger“, so Forgo. Und das mache die „Verhältnismäßigkeit einer namentlichen Veröffentlichung mindestens zweifelhaft“, sagt der Jurist, der auf Datenschutz und IT-Recht spezialisiert ist.

DSGVO greift

Wird ein Name genannt, handelt es sich dabei ganz klar um personenbezogene Daten laut Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Damit sei diese Bekanntmachung als Grundrechtseingriff zu werten, der nur zulässig sei, wenn die „Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen“ zutreffen würden. Zudem sei die Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Hier würde die DSGVO gelten, so Forgo. Ein berechtigtes Interesse sei aber wegen der Verarbeitung durch eine staatliche Stelle nicht einschlägig, sagt der Jurist.

„Es ist unglücklich, dass ausgerechnet das für Polizei und Strafverfolgung zuständige Ministerium auf eine derartige Weise Öffentlichkeitsarbeit macht, weil man sich schon fragen muss, was der Zweck der Verarbeitung ist“, sagt Forgo. Statt um die Aufklärung einer Straftat, zu dessen Zweck etwa Phantombilder hergezeigt werden können, gehe es dem Ministerium hier wohl eher um einen „Politstreit“, vermutet der Institutsvorstand, und nicht um „seine Primäraufgaben“ wie es die Strafverfolgung wäre. Der namentlich Genannte könnte laut Ansicht von Forgo hier „Betroffenenrechte“ geltend machen, wie der Jurist erklärt.

Stefanie Krisper, Nationalratsabgeordnete der Neos, sieht darin einen "politischen Einschüchterungsversuch."

Das Innenministerium schickte vom offiziellen Account am Nachmittag erneut Tweets ab, in denen es Rudolf Fußi namentlich nannte und erklärte, dass man seine Äußerungen prüfen werde und legte damit noch einmal ordentlich nach. Der namentlich Genannte kommentierte die Tweets mit „Es wird immer lustiger.“

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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