FRANCE-TELECOM-IT-FEATURE
© APA/AFP/DAMIEN MEYER / DAMIEN MEYER

Netzpolitik

Warum in der Ukraine jetzt viele von Telegram zu Signal wechseln

In der Ukraine war Telegram vor dem Krieg der beliebteste Messenger zum privaten Austausch zwischen Freunden und Familien. Telegram hatte das Image, dass dort die Nachrichten alle verschlüsselt sind, sodass niemand mitlesen kann. Doch das stimmt nicht. Bei Telegram sind private Nachrichten nicht standardmäßig verschlüsselt, sondern es kann lediglich von Nutzer*innen so eingestellt werden - und das auch nur bei privaten Nachrichten.

Alles, was in öffentlichen Telegram-Gruppen passiert, ist zudem unverschlüsselt. Das ist vielen Personen nicht bewusst und in der aktuellen Kriegssituation problematisch. Hier kommt noch dazu, dass bei Telegram zahlreiche Daten online in einer Cloud-Datenbank zwischengespeichert werden. Das betrifft, Fotos, Videos, Kontaktdaten, wer welcher Gruppe beigetreten ist, etc.

Auch die „IT-Armee“ organisiert sich laut einem Bericht von „Wired“ über den Messenger Telegram. Am Dienstag hatte die private Telegram-Gruppe laut dem Bericht bereits 250.000 Mitglieder. Zudem gibt es einige öffentliche Sub-Gruppen, die auf Englisch sind und denen man einfach beitreten kann. All diese Daten sind öffentlich einsehbar und russische Geheimdienste können diese Daten genauso sammeln wie andere Geheimdienste dieser Welt.

Außerdem gehört Telegram dem Russen Pawel Durow, der selbst kaum an die Öffentlichkeit tritt und sich sehr zurückhaltend gibt.

Signal-Gründer rät von Telegram ab

Moxie Marlinspike, der Gründer von Signal, erklärte auf eine Nachfrage des Tesla-CEOs Elon Musk auf Twitter, dass der Messenger Signal ganz anders funktioniere. Bei Signal sind die Inhalte von Beginn an komplett verschlüsselt - und zwar auch in Gruppen. Es werden kaum Metadaten über die Nutzer*innen erhoben (außer dem Datum der Registrierung und der letzten Verbindung mit dem System) und es gibt keine zwischengelagerte Cloud-Datenbank. Das heißt, es ist nicht nachvollziehbar, wer wann mit wem kommuniziert hat. Signal speichert außerdem weder Namen noch Telefonnummern.

Dass Signal der sicherere Messenger ist, ist auch bei der Bevölkerung der Ukraine angekommen. Seit dem Beginn des Kriegs mit Russland stieg die Nutzung von Signal stark an - und überholte sogar jene von Telegram. Am 28. Februar gab der DNS-Dienst Cloudflare bekannt, dass die Zugriffe aus der Ukraine auf Signal nun zum ersten Mal die Zugriffe auf Telegram übersteigen.

Signal hat Telegram in der Ukraine überholt

„Signal hat in den letzten Tagen sehr daran gearbeitet diese gestiegene Nachfrage zu bewältigen und den Nutzer*innen in der Ukraine weiterhin eine zuverlässige und sichere Kommunikationsmöglichkeit zu bieten. So werden aktuell beispielsweise Support-Anfragen aus der Ukraine priorisiert und möglichst rasch beantwortet“, heißt es seitens eines Pressesprechers von Signal.

Unterdessen waren in der Ukraine Gerüchte verbreitet worden, dass Signal gehackt worden sei und auch dort die Nachrichten mitgelesen werden können. Die Entwickler*innen von Signal wiesen diese Behauptungen, die sich als gezielte Desinformation herausstellten, allerdings vehement zurück. Die Behauptungen seien falsch, es gäbe keinen Hacker*innen-Angriff gegen Signal, so die Entwickler*innen.

Anders als bei Telegram würde es auch Hacker*innen gar nichts nützen, wenn sie Signal attackieren würden, denn alle Nachrichten und Inhalte sind Ende-zu-Ende-verschüsselt.

Neben Signal und Telegram sind in der Ukraine aktuell aber auch Apps wichtig, die auch funktionieren, wenn das Internet offline ist. Hier wurde ein Anstieg bei den Messengern Zello oder Bridgefy gemessen, über die auch dann kommuniziert werden kann, wenn das Netz ausfällt.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

mehr lesen
Barbara Wimmer

Kommentare