© Joe Raedle/Getty Images/AFP

Netzpolitik

Was ist eigentlich das Web3?

Um zu wissen, warum das Web3 so heißt, wie es heißt, muss man sich die Historie des World Wide Web (WWW) ansehen. Tim Berners-Lee hat diesen Begriff in den 1990er-Jahren geprägt und das Web 1.0 erfunden. Das waren statische Websites, die kaum Interaktion zugelassen haben.

Im Jahr 1999 kam dann das Web 2.0 dazu. Neben statischen Websites gab es plötzlich Social-Media-Plattformen wie MySpace, Facebook, YouTube und Twitter. Das Web 2.0 bedeutete auch, dass Websites leichter zu entwickeln waren, ohne dass man ein tiefes, technisches Verständnis haben musste.

Das Web 3.0 ist nicht das Web3

Dann wäre eigentlich das Web 3.0 dran gewesen, das semantische Web. Dieses wurde vor allem in Akademiker*innen-Kreisen diskutiert, doch es hat sich nie als Ganzes durchgesetzt. Der Hintergedanke des Web 3.0 war, Daten zwischen Rechnern einfacher austauschbar zu machen und es zu ermöglichen, dass Daten einfacher verwertbar werden. Man wollte den Kontext, den Menschen verstehen, auch Maschinen zugänglich machen. Während sich einzelne Teile dieser Entwicklung durchgesetzt haben, und diese ins Web 2.0 integriert wurden, kam es nie dazu, dass das Web 3.0 das Web 2.0 als Ganzes abgelöst hat.

Somit kommen wir zum Web3. Den Begriff prägte Gavin Wood im Jahr 2014 und - um die Verwirrung perfekt zu machen - sprach Wood vom Web 3.0. Mittlerweile hat sich aber der Begriff Web3 durchgesetzt. Wood hatte damals begonnen, die Kryptowährung Ethereum zu entwickeln. Mittlerweile hat er die Web3 Foundation gegründet, mit der er dezentralisierte Technologie-Projekte unterstützen möchte sowie Parity Technologies, ein Unternehmen, das Blockchain-Infrastruktur für das Web3 zusammen bastelt. Doch was ist dieses ominöse Web3 nun?

Das ist Tim Berners-Lee, Erfinder des WWW

Das steckt dahinter

Das Web3 soll eine dezentralisierte Version des WWW werden, so das Konzept von Wood. Es soll auf der Blockchain-Technologie basieren und wird derzeit von einer Reihe an Tech-Entrepreneur*innen rund um die Welt designt. Das Argument: Das WWW sei zu zentralisiert und in den Händen von einigen wenigen, wie Amazon, Apple, Meta und Alphabet. Mit dem Web3 soll die Macht wieder in die Hände der Nutzer*innen gelegt werden.

Glaubt man Leuten wie Wood, soll das Web3 die „nächste große WWW-Revolution“ werden. Wood erzählte etwa im Interview mit „Wired“, dass es keinen Sinn mache, große Internet-Giganten wie Meta oder Alphabet zu regulieren, weil Regulierung immer zu spät komme. Stattdessen, so ist Wood überzeugt, müsse man neue Technologien bauen, die dezentral und unabhängig von den großen Internet-Giganten sein können. So die Idee von Menschen wie Wood.

Wer investiert, schafft an

Doch auf das Web3 haben sich mittlerweile zahlreiche Venture-Capitalist (VC)-Firmen draufgesetzt, die hunderte Millionen Dollar an Kapital in die Entwicklung gesteckt haben. Allen voran mischt hier die Silicon-Valley-Firma Andreessen Horowitz mit, die zahlreiche Firmen unterstützt, die am Web3 arbeiten und so die Entwicklung vorantreiben.

Horowitz ist ein früher Facebook-Unterstützer. Der ehemalige Twitter-CEO Jack Dorsey hatte dies offiziell in einem Tweet bemängelt. Damit sei das Web3 bereits unter der Kontrolle dieser Investoren und würde somit zu einer weiteren Plattform werden, die nur „anders heißen“ werde als bisherige. Wenn große Silicon-Valley-VC-Firmen eine dezentrale, neue Welt basteln wollen, um „Monopole aufzubrechen“, klingt dies tatsächlich in erster Linie eines: unglaubwürdig.

Das liegt unter anderem daran, dass verschiedene Akteure, die am Web3 arbeiten, dies aus unterschiedlichen Gründen tun. Die einen machen mit, weil sie daran glauben, die Online-Welt verbessern zu können. Die anderen machen mit, weil sie sich davon erhoffen, dass es das „nächste große Ding“ wird, mit dem sie viel, viel Geld verdienen können. Dadurch entsteht eine Diskrepanz, die sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht auflösen lässt. Das Web3 ist in seiner Entwicklung nämlich noch nicht weit genug, um mit Sicherheit sagen zu können, was davon sich am Ende durchsetzen wird, und was nicht.

Ben Horowitz, co-founder and General Partner, Andreessen Horowitz speaks at the WSJTECH live conference in Laguna Beach

Ben Horowitz ist Co-Gründer von der VC-Firma Andreesen Horowitz

Was bedeutet das Web3 für Nutzer*innen?

Um von der Theorie zur Praxis zurückzukommen, möchten wir euch noch ein wenig erklären, wie das Web3 für euch Nutzer*innen aussehen könnte. Wenn man sich das Web3 ein wenig genauer ansieht, sieht das Frontend, das User*innen zu Gesicht bekommen, weitgehend gleich wie das Web 2.0. Es gibt browser-basierte Apps und Anwendungen, die nur anders heißen als die bisher bekannten. Doch alles, was sich dahinter abspielt, funktioniert anders als bisher. Die Apps werden nicht mehr von zentralisierten Servern aus betrieben, sondern von Blockchain-basierten Providern, die dezentral funktionieren.

Der Berliner Informatiker und Philosoph mit dem Pseudonym „tante“ macht dazu einen praktischen Vergleich: Wenn man unter einem Artikel einen Kommentar postet, liegt dieser nicht am Server des Portals, sondern ist in einer Blockchain aufbewahrt und steht in Verbindung mit deiner eigenen Online-Identität. Zwar kann ein solcher Kommentar unter dem Artikel gelöscht werden, aber der Kommentar bleibt trotzdem mit deiner Online-Identität verknüpft und kann über diese auch weiterhin aufgerufen werden.

Reaktionäre Einstellung wird gefördert

Fragt ihr euch, ob das auch für Hasspostings gilt? Selbstverständlich. Im Web3 soll es keine Zensur geben und auch keine staatliche Kontrolle. Jeder soll mitmachen können und zwar ohne Aufsicht. Dieser libertäre Geist, der das Projekt umschwebt, sorgt freilich auch für Kritik. So nennt „tante“ das Web3 nicht „apolitisch, sondern antipolitisch“. Der Claim „jeder ist willkommen, wir sind neutral“ basiert auf einer reaktionären, rechts angesiedelten Einstellung. „Das Web3 will nicht neutral bleiben, sondern will, dass politischer Diskurs einfach aufhört“, so tante.

Das ist nur einer seiner Kritikpunkte, die er in einer langen Analyse zusammengefasst hat. „Das Web3 ist außerdem ein Security-Disaster“, so der Berliner Softwareentwickler. In der jetzigen Online-Welt gibt es seitens der Kreditkarteninstitutionen Hilfe, wenn diese gestohlen werden. Man kann sein Geld zurückbekommen. Im Web3 hingegen, wo man mit Tokens und Kryptowährungen zahlen soll, kann das gesamte Vermögen und der gesamte Besitz mit einem einzigen Klick weg sein. Es gibt keinen „Undo“-Knopf.

Bitcoin and alt coins cryptocurrency

Die meisten Web3-Anwendungen basieren auf der Ethereum-Blockchain

Blockchain als wahrer Umweltsünder

Da das Web3 auf der Blockchain basiert, würde es außerdem nur funktionieren, solange es im kleinen Rahmen bleibe, so der Entwickler. Wenn das System skaliert, wird es so langsam, dass es nicht mehr richtig funktioniert. „Das Web3 ist außerdem nur ein Versuch, das Konzept Blockchain für irgendwas einzusetzen“, so tante.

Er erwähnt zudem den massiven klimaschädlichen Einfluss der Blockchain. „Ethereum, die Blockchain, die die meisten Leute derzeit für Web3-Projekte einsetzen, verbraucht ungefähr gleich viel Energie wie die Niederlande. Das ist nicht argumentierbar“, so der Informatiker der kaum ein gutes Haar am Web3 lässt.

Wer verhindert, dass nicht wieder Monopole entstehen?

Er glaube zwar, dass einige Menschen wirklich für einen guten Zweck an dem Projekt mitarbeiten, weil sie Monopole bekämpfen wollen. „Aber die neue Entwicklung hat keine Wächter, die verhindern, dass das einfach wieder passiert“, so Tante. Das Web3 würde daher keine adäquate Lösung sein, wenn es darum gehe, das WWW aus den Händen von Meta, Alphabet & Co zu befreien.

Auch Tesla-CEO Elon Musk hält das Web3 für „Bullshit“. Das hat allerdings andere Gründe. Er hat schlichtweg nicht verstanden, worum es bei der Entwicklung eigentlich geht. Diese ist für den Milliardär schlichtweg zu weit weg von seiner Lebensrealität. Fakt ist jedoch, dass im Web3 ein Haufen Geld von VC-Firmen drin steckt - und diese werden am Ende einen Output sehen wollen. Das Web3 kann man daher auf gar keinen Fall einfach abschreiben und warten, dass es an einem vorbei geht.

frag die futurezone

In der Rubrik "frag die futurezone" recherchieren und beantworten wir ausgewählte Fragen zu Tech- und Wissenschafts-Themen für euch.

Stellen könnt ihr sie entweder hier in den Kommentaren – das hat den Vorteil, dass sich auch andere Nutzer mit Tipps zu Wort melden können - oder mit einer E-Mail an die Adresse redaktion@futurezone.at - Betreff: "frag die futurezone".

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

mehr lesen
Barbara Wimmer

Kommentare