Auf dem Xiaomi-Gerät läuft jetzt eine Custom Rom.

Auf dem Xiaomi-Gerät läuft jetzt eine Custom Rom.

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Wie ich meinem alten Handy neues Leben eingehaucht habe

Erst kürzlich hat Apple einige Sicherheitslücken in iOS geschlossen. Das Update wurde an mehrere Smartphone-Generationen verteilt, das älteste - das iPhone 5s - ist fast 10 Jahre alt.

Von einer solchen Updatepolitik können Androidnutzer*innen nur träumen. Je nach Preisklasse gibt es ein bis 2 Versionsupdates und auch Sicherheitsupdates sind keine Selbstverständlichkeit. Nur im Premium-Segment versprechen manche Hersteller bis zu 4 Jahre lang Updates. Bei besonders günstigen Geräten wird das Betriebssystem mitunter gar nicht aktualisiert.

Software mit neuen Funktionen

Abhilfe schaffen hier sogenannte Custom Roms, also eigene, angepasste Betriebssysteme. Eine kleine Gruppe an Entwickler*innen macht sich hier die Tatsache zunutze, dass der Kern des Android-Betriebssystems allen offen zur Verfügung steht. Mit Programmierkenntnissen und etwas Tüftelei kann so die neueste Androidversion auf jene Geräte gebracht werden, die eigentlich gar nicht dafür vorgesehen sind.

Custom Roms wurden früher hauptsächlich installiert, um neue Funktionen am Smartphone zu erhalten. Die Unterschiede zwischen einzelnen Androidgenerationen waren damals noch deutlich ausgeprägter als heute. Zudem hatte jede Custom Rom eigene Einstellungsmöglichkeiten und Spielereien, die ausprobiert werden konnten. Heutzutage sind Custom Roms nicht mehr ganz so beliebt, weil Google und Smartphone-Hersteller vieler dieser Funktionen bereits übernommen haben.

Smartphones durch Custom Roms aktualisieren

Was heutzutage für Custom Roms spricht, ist die Aktualität. Ältere Smartphones, deren letzte Android- oder Sicherheitsupdates ein, 2 Jahre oder länger zurückliegen, erhalten dadurch noch einmal einen zweiten Frühling. Nicht nur deshalb schickte ich mein altes Smartphone auf Verjüngungskur.

Mein Redmi Note 8T kam Ende 2019 mit Android 10 auf den Markt, wurde auf Android 11 aktualisiert und rührte sich dann nicht mehr. Der letzte Sicherheitspatch wurde immerhin noch im Mai 2022 ausgeliefert. Xiaomis eigene Androidversion MIUI wirkte mit der Zeit jedoch überladen. Außerdem ist es für sein aggressives RAM-Management bekannt. Kaum wird eine App im Hintergrund abgelegt, wird sie nach kurzer Zeit automatisch geschlossen und muss bei der nächsten Nutzung wieder neu geladen werden.

Nicht alle Hersteller erlauben Custom Roms

Ganz einfach war die Umstellung auf ein neues Betriebssystem allerdings nicht. Zunächst muss sichergestellt werden, ob der Hersteller überhaupt zulässt, ein alternatives Betriebssystem auf dem Gerät zu installieren. Smartphonehersteller wie OnePlus, Xiaomi, Google, Asus, Sony oder Samsung lassen das zumindest bei manchen ihrer Geräte zu. Andere Hersteller, wie etwa Huawei, verhindern die Installation eines fremden Betriebssystems hingegen komplett.

Es lohnt sich also, zu recherchieren, ob Custom Roms überhaupt für das eigene Handymodell angeboten werden. Hilfe findet man etwa im XDA-Forum. Beliebtere Custom Roms wie LineageOS, Pixel Experience oder Paranoid Android haben auch eigene Websites, wo die unterstützten Modelle aufgelistet sind. 

Eingriffe tief in das System

Danach gilt es, den Bootloader des Smartphones zu entsperren. Dieser lädt das eigentliche Betriebssystem und ist bei den meisten Herstellern aus Sicherheitsgründen standardmäßig gesperrt. Der Bootloader kann mit einer eigenen Computersoftware entsperrt werden, bei Xiaomi wird diese direkt vom Unternehmen angeboten. Dabei muss man sich jedoch eigens ein Xiaomi-Konto einrichten und dort bestätigen, dass man den Bootloader entsperren möchte. Wird er entsperrt, erlischt jedes Recht auf Gewährleistung seitens des Herstellers. 

Als zweiter Schritt muss ein angepasster Recovery- oder Wartungsmodus auf das Smartphone installiert werden. Der Recoverymodus ähnelt einem kleinen Notfallbetriebssystem innerhalb Android, mit dem sich das Handy etwa in den Werkszustand zurücksetzen oder ein alternatives Betriebssystem installieren lässt. Ist der Recoverymodus entsprechend geändert, ist die Installation des neuen Betriebssystems nur noch Formsache. 

Aktueller kann eine Android-Version fast nicht sein.

Aktueller kann eine Android-Version fast nicht sein.

Der ganze Prozess kann - je nachdem, ob oder wie oft Fehler auftreten - von wenigen Minuten bis hin zu einer Stunde dauern. Genaue Schritt-für-Schritt-Anleitungen gibt es entweder direkt im Forum oder auf den Websites der einzelnen Custom Roms. Außerdem sollte man keine Angst vor Eingaben in die Eingabeaufforderung von Windows haben. 

Bugs nicht ausgeschlossen

Ist das neue Betriebssystem installiert - ich habe mich für Pixel Experience entschieden - kann das Gerät verwendet werden. Je nach Softwareversion können jedoch Bugs und Fehler auftreten oder es kann zu Abstürzen kommen. Möglich ist auch, dass sich das Gerät stark erwärmt oder sich die Batterie schnell entleert.

Ich selbst habe noch keine schwerwiegenden Bugs entdeckt, der Akku hält vorbildlich. Auch die Probleme mit dem RAM-Management scheinen gelöst. Nur die Kamera-App, ein häufiger Schwachpunkt bei Custom Roms, funktioniert zwar, ist jedoch verbesserungswürdig.

Redmi Note 8T mit Google Experience

Zudem sollte man beachten, dass einige Apps den Dienst auf Custom Roms verweigern. Vor allem Banking-Apps sind davon betroffen. In meinem Fall funktionieren die von mir genutzten Banking-Apps jedoch und auch die SafetyNet-Überprüfung zeigt grünes Licht an. SafetyNet ist ein Google-Service, der feststellen soll, ob ein Android-Gerät manipuliert wurde. Das Service ist nicht nur für Banking-Apps bedeutend, sondern auch für andere Apps wie etwa Pokemon Go.

Wie sicher sind Custom Roms?

Der Sicherheitsaspekt ist jedoch ein zentraler Streitpunkt bei der Installation von Custom Roms. Obwohl der Source Code der meisten alternativen Betriebssysteme offen zugänglich ist, muss man schlussendlich den Entwickler*innen vertrauen, dass sie kein Schindluder damit betreiben. Bei großen Roms wie LineageOS mag dieses Vertrauen angebracht sein, bei kleinen ist durchaus Vorsicht geboten. Durch den entsperrten Bootloader kommt außerdem ein Angriffspunkt hinzu. Durch das aktualisierte Betriebssystem werden allerdings auch viele Sicherheitslücken geschlossen. 

Medienberichte zu Lücken oder Schadsoftware auf alternativen Betriebssystemen gibt es nicht. Das mag auch daran liegen, dass die alternativen Betriebssysteme ein Nischenpublikum ansprechen, das aus technikaffinen Bastler*innen besteht. 

Verjüngungskur fürs Zweithandy

Viele Custom Roms - besonders jene ohne Google Services - werben sogar mit dem hohen Datenschutz ihrer Produkte. 100-prozentige Sicherheit erhält man jedoch nur, wenn man den Source Code selbst herunterlädt, durchsieht, daraus ein angepasstes Betriebssystem baut und es installiert.

Im Endeffekt ist es den User*innen selbst überlassen, ob die Vorteile die Nachteile in ihren Augen überwiegen. Wer jetzt Lust bekommen hat, sich eine Custom Rom zu installieren, sollte es jedoch vorerst bei einem Zweitgerät ausprobieren - nur für den Fall, dass bei der Installation etwas schiefgehen sollte. In den meisten Fällen kann man aber einem Smartphone, das ansonsten in der Schublade vergammeln würde, mit einer Custom Rom wieder neues Leben einhauchen.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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