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Anschleichen oder Abheben? Tesla Model S P100D im Test

Das Tesla Model S kann man guten Gewissens als Wegbereiter bezeichnen. Die 2012 vorgestellte Limousine hat gezeigt, wohin die Reise der Elektromobilität geht. Hohe Reichweite, ein riesiges Display am Armaturenbrett und Smartphone-ähnliche Bedienbarkeit haben das Model S Tesla großgemacht und die Begeisterung für Elektroautos im Allgemeinen steigen lassen.

2015 und 2016 war das Model S das meistverkaufte E-Auto der Welt. Als neu kann man es also nicht bezeichnen. Die futurezone hat sich dennoch nicht die Gelegenheit entgehen lassen, das Model S in seiner brachialsten Variante zu testen.

Böser Blick

568 Kilowatt oder 762 Pferdestärken erzeugen die beiden Motoren des Model S P100D. 100 Kilowattstunden fasst der Akku. Das Fahrzeug, das ich fünf Tage lang ausprobieren durfte, hat dazu 21 Zoll große "Sonic Carbon Twin Turbine"-Felgen, hinter denen rote Bremsbacken wie bei einem Porsche hervorleuchten. Dazu gibt es einen tiefschwarzen Anstrich, ein getöntes Glasdach und schwarzes Leder-Interieur. Erster Gedanke beim Abholen: Sieht böse aus.

Was macht man als erstes, wenn man ein Geschoß wie das Model S P100D ausgehändigt bekommt? Richtig, man ruft Freunde an, die an einer Spritztour interessiert sind, holt sie von zuhause ab und gibt mit dem feschen Auto an. Nach Bewunderung des Äußeren möchten die meisten anschließend sofort am eigenen Leib erfahren, wie sich denn die Beschleunigung von Null auf Hundert im "Ludicrous Mode" so anfühlt.

Space Shot in der Geraden

Dank des zu Deutsch "von Sinnen" genannten Fahrmodus sollte dies in 2,28 Sekunden geschehen. Das Model S P100D kämpft mit diesem Wert gegen die gesamte Elite an Supersportwagen, angeführt vom Porsche 918 Spyder. Im krassen Gegensatz zur Konkurrenz ist das Model S allerdings 2,25 Tonnen schwer, fasst fünf Passagiere und wird nicht in begrenzter Stückzahl produziert.

Wenn man also wie "von Sinnen" beschleunigt, sind die Passagiere meist sehr beeindruckt. Wie eine empirische Untersuchung ergab, ist die häufigste Reaktion Gelächter, gefolgt von positiv gemeinten Schimpfwörtern und der Bitte um Wiederholung. Ein Freund verglich das Erlebnis mit dem "Space Shot", einer Attraktion im Wiener Prater, deren Besucher an einem Turm in die Höhe geschossen werden.

Gummigeruch und Akkulüftung

Womit man im Tesla Model S P100D außerdem angeben kann, ist die Soundanlage. Mit als Wurlitzer kann man diese auf vielfältige Weise ausprobieren. Wer Fenster und Sonnendach öffnet kann auch die Nachbarschaft ganz locker daran teilhaben lassen. So bewegt man sich also mit lauter Musik ständig bis zum Stillstand abbremsend und dann wieder mit durchgedrücktem Gaspedal beschleunigend - wenig nachhaltig - durch die Gegend und kommt schön langsam in jene Bereiche, die das Model S P100D - das "P" steht für "Performance" - besonders gut beherrschen soll.

Was sich bei rasantem Fahren bemerkbar macht, ist das hohe Gewicht des Elektroautos. Während man mit der geballten Kraft der zwei Motoren besonders schnell beschleunigt, haben die Bremsen beim Verzögern ihre Mühe. Wenn die Reifen quietschen, macht sich auch im Innenraum ein gewisser Gummigeruch breit. Außerdem wird der Akku heiß, was man an aufheulenden Lüftern merkt. Am Fahrersitz wird man bei gewissem Lichteinfall von den reflektierenden Seitenspiegelhalterungen geblendet.

Grenzen der Vernetzung

Eine kuriose Sache ist mir außerdem aufgefallen: Sitzt eine Person am mittleren Rücksitz, die sich hie und da mit den Armen etwas seitlich aufstützt, wird man durch Warnton und Mitteilung am Display auf bis zu zwei Passagiere im Fond aufmerksam gemacht, die nicht angeschnallt sind. Schon klar, dass Gewichtssensoren in den Sitzen daran schuld sind, aber beim sonstigen High-Tech-Feeling im Model S ist es doch etwas schräg, dass das Auto annimmt, es säßen plötzlich zwei Personen mehr im Auto, obwohl keine der Türen geöffnet wurde. Hier liegen offenbar die Grenzen der Vernetzung.

Lässig auf der Langstrecke

Das Fahren mit dem Tesla Model S P100D ist großteils ein Genuss. Wer den "von Sinnen"-Modus und die sportliche Lenkung mal satt hat - nach dutzenden Wiederholungen wird auch der "Space Shot" langweilig - kann die Lenkung auf "Standard" (oder gar "Komfort") und den Fahrmodus auf "Lässig" (oder "Sport" als Zwischenlösung) stellen. Bei einem Blick auf den Tacho erhält man dann auch stets den Eindruck, dass einen das Auto für den Willen zur sanfteren Fortbewegung lobt. "Lässig" wird oberhalb der Geschwindigkeit angezeigt.

Lässig bin ich während des Testens etwa auf der Langstrecke unterwegs. Es geht Richtung Kärnten. Der Trip-Planer am großen Display schlägt den Supercharger in Graz als Zwischenstopp vor. Alternativ könne ich das Ziel in 316 Kilometer Entfernung auch mit dem restlichen Akkuladestand von rund 70 Prozent erreichen, allerdings nur, wenn ich auf der Autobahn mit maximal 105 km/h unterwegs bin. Das will ich dann trotz aller Lässigkeit doch nicht.

Tempomat statt Autopilot

Beim Supercharger Graz muss ich zwar kurz auf eine freie Station warten, dafür gibt es einen netten Aufenthaltsraum mit Sofas, Zeitschriften, Fernseher, Gratis-Kaffee und Keksen, in dem sich sogleich ein Gespräch mit einem anderen Tesla-Fahrer ergibt. Die vom Trip-Planer vorgeschlagene Aufenthaltsdauer am Supercharger wird so weit übertroffen. Nach rund 45 Minuten geht es mit rund 80 Prozent Ladestand weiter.

Beim Fahren auf der Autobahn gleite ich meist mit Tempomat auf die jeweils erlaubte Höchstgeschwindigkeit eingestellt dahin. Dabei fällt auf, dass die Geschwindigkeit nicht automatisch an das Fahrzeug vor einem angepasst wird, wie es etwa im "Cruise"-Modus des Model X der Fall ist. Der adaptive Tempomat ist ein Extra, das in meinem Testfahrzeug nicht enthalten ist, ebensowenig wie der Tesla-Autopilot. Bei der teilweise hochgradig irrationalen Fahrweise vieler Autobahnbenutzer hat man mit dem manuellen Feintuning des Tempomaten einiges zu tun.

70 Jahre später

Am Zielort in Kärnten erhält der Tesla über Nacht Strom aus der 400-Volt-Starkstromsteckdose. Mit 90 Prozent Ladestand kommt man locker bis nach Wien, erzählt mir der Trip-Planer. Vor dem Aufbruch kommt es noch zu einer witzigen Gegenüberstellung von Alt und Neu. Das Model S P100D steht dabei neben einem Fiat Topolino der C-Serie, die ab 1949 produziert wurde. Dimensionen und Technik haben sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts gewaltig verändert.

Navi bleibt hängen

Bei der Rückfahrt Richtung Wien kommt es wohl zum gröbsten Problem, das während meines fünftägigen Tests auftrat. Weil ich nicht auf direktem Weg nach Wien zurückfahren wollte, besuchte ich den Supercharger in Wiener Neustadt. Dieser wurde fast wortwörtlich auf die grüne Wiese gepflanzt. Umgeben von hohem Gras gibt es hier 12, teilweise noch verpackte, Supercharger-Stationen auf einem Schotter-Parkplatz. Beim Weiterfahren bemerkte ich, dass das Navigationssystem hängen geblieben war. Obwohl ich bereits wieder auf der Autobahn fuhr, wurde mein Standort unverändert beim Supercharger in Wiener Neustadt angezeigt.

Ohne funktionierendem Navi auf dem großen Mittelkonsolen-Display fehlt dem Model S P100D etwas. Diverse plumpe Versuche meinerseits, das Navi wieder in Gang zu bringen - etwa durch einen Stopp auf einer Raststation inklusive Aussteigen, Zusperren, wieder Aufsperren und Reaktivieren - behoben das Problem nicht. Nach einem erneuten Halt etwas später sprang das Navi dann endlich wieder auf die aktuelle Position. Bis dahin war der Tesla rund 40 Minuten navigationslos. Gut, dass jedes Smartphone aushelfen kann.

Aufladen bei Smatrics

Innerhalb von Wien wurde übrigens, wie bei meinem letzten Tesla-Test, bei Smatrics-Ladestationen Strom getankt. Einmal wurde der P100D in einem Parkhaus tagsüber vollgeladen, während ich im Büro saß, einmal probierte ich eine Ladestation auf einem Supermarktparkplatz aus. Letztere kann E-Auto-Akkus mit 43 kW betanken. Das Model S kann laut Smatrics aber alleine per Wechselstrom nur mit maximal 22 kW aufgeladen werden.

Sollte man zwischendurch schnell eine signifikante Reichweitensteigerung erreichen wollen, ist eine höhere Leistung ratsam. Erst Ende Mai eröffnete Smatrics seine erste Ladestation mit 350 kW Ladeleistung - ein Vielfaches dessen, was ein Model S P100D aufnehmen kann. Das Problem dabei: Das Steckersystem passt nicht. Weder CCS- noch Chademo-Stecker finden im Tesla ein Gegenstück. Für Chademo kann man allerdings einen Adapter erwerben.

Fazit und Preis

Das Tesla Model S P100D macht insgesamt einen Riesenspaß. Der Elektroflitzer sieht fantastisch aus, beherbergt bis zu fünf Personen sehr komfortabel und kann die Passagiere mit seinem rasanten Antritt jederzeit begeistern. Wer sich an die Geschwindigkeitslimits hält, kommt mit dem großen 100-kWh-Akku sehr weit. Das Supercharger-Netzwerk ist bei Langstrecken sehr praktisch und besonders unkompliziert nutzbar.

Klar hat das Model S P100D auch seine Schwächen. Das hohe Gewicht und der Stromverbrauch bei hohen Geschwindigkeiten werden das Fahrzeug kaum zu einem Anwärter auf das 24-Stunden-Rennen von Le Mans machen. Bei aller High-Tech im Inneren kann es außerdem auch einem P100D passieren, dass das Navi ausfällt. Immerhin gibt es Over-the-Air-Updates gegen solche Probleme. Zukunftsfit ist das Auto auch durch zahlreiche Sensoren und Rechenpower, die künftig weitreichende autonome Fahrfunktionen erlauben.

Der Preis für das Tesla Model S P100D ist freilich gesalzen. Das futurezone-Testfahrzeug hat einen Grundpreis von 148.100 Euro. Dazu kommen Aufpreise für die Obsidian-Black-Metallic-Lackierung, das Schiebedach, sowie die 21-Zoll-Felgen im Design "Sonic Carbon Twin Turbine". Der Gesamtpreis beträgt 157.280 Euro. Nicht, dass es bei dieser Summe von Belang wäre, aber die staatliche Elektroautoförderung von 4000 Euro bekommt man beim P100D auch nicht - die gibt es nur für E-Autos unter 50.000 Euro.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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