Warum Chips knapp sind und was das bedeutet
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Wer dieser Tage versucht, ein neues Auto zu kaufen, eine Grafikkarte oder eine Spiele-Konsole, wird nicht selten verwundert sein über lange Wartezeiten und Händlern, die von Lieferverzögerungen berichten. Schuld daran ist ein weltweiter Engpass bei Mikrochips. Mikrochips sind in fast allen technischen Geräten verbaut, von der Waschmaschine, dem Smartphone, bis hin zu Autos. Es ist ein Überbegriff für alle möglichen Arten von integrierten Schaltkreisen.
In den Mikrochips selbst stecken sogenannte Halbleiter drin, die für die elektrische Leitfähigkeit sorgen. In einem Produkt sind oft mehrere Millionen davon verbaut. Bei neuen Fahrzeugen findet man sie etwa im Antriebsstrang, dem Cockpit, dem Infotainment-System sowie in allen Fahrassistenz- und Sicherheitssystemen - also insgesamt in immer mehr Komponenten des Autos.
Auto-Branche besonders stark betroffen
Doch auf dem Markt gibt es seit Monaten einen Halbleiter-Engpass. Beim Kfz-Zulieferer und Autobauer Magna in Graz mussten deshalb rund 1.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden, weil die Produktion still steht, bis der Nachschub da ist. Die Corona-Krise spielt dabei keine unwesentliche Rolle: Es wurden zum Höhepunkt der Krise Auto-Käufe storniert, was dazu geführt hatte, dass auch die Hersteller ihre Halbleiter-Bestellungen storniert hatten. Doch Halbleiter sind nicht nur in der Auto-Branche gefragt.
„Ein Grund für den Halbleiter-Mangel ist der Digitalisierungsschub. Mikroelektronik zieht in alle Bereiche unseres Lebens ein. Dadurch steigt der Bedarf an Halbleitern. Die Nachfrage ist gegenwärtig größer als der Markt“, erklärt Andreas Gerstenmayer, CEO bei AT&S. Der Leiterplattenhersteller hatte im Corona-Jahr einen Rekordgewinn verzeichnet, denn die Leiterplatten, die als Träger für elektronische Bauteile fungieren, und Substrate von AT&S stecken ebenfalls nahezu in allen Elektronikgeräten, von Kameras bis zu Industrieanwendungen und Medizinprodukten. Leiterplatten dienen hierbei der mechanischen Befestigung und elektrischen Verbindung.
Laut Gerstenmayer sei der Markt außerdem seit jeher ein zyklischer, bei dem es regelmäßig zu einer Überproduktion und einem zu großen Bedarf komme. „Da es vor der Corona-Krise ein Zuviel gab, waren die Hersteller vorsichtig und haben nur zögerlich in Kapazitätserweiterung investiert“, so Gerstenmayer. Mit einem derartigen Digitalisierungsschub hatte man nicht gerechnet.
Riesen-Investitionen, nur nicht in Europa
Doch jetzt wird ordentlich investiert. Die weltweit größten Hersteller bei Halbleitern sind Intel, Samsung und TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) und sie haben allesamt eine enorme Aufstockung ihrer Kapazitäten angekündigt. Intel will 20 Milliarden US-Dollar in zwei neue Fabriken im US-Bundesstaat Arizona stecken, der koreanische Chip-Hersteller TSMC will in drei Jahren sogar 100 Milliarden US-Dollar investieren. Samsung stockt sein Investment um 34 Milliarden US-Dollar auf insgesamt 151 Milliarden US-Dollar auf, die bis 2030 in die Halbleiter-Produktion fließen sollen.
Europa spielt am Halbleiter-Markt kaum eine Rolle und ist stark von anderen Nationen abhängig. Nur 8,4 Prozent der weltweiten Halbleiter-Produktion findet in Europa statt. „Die Tendenz ist weiter fallend. In Europa werden hauptsächlich High-End-Halbleiter hergestellt, welche in Servern, Laptops und künftig in autonomen Fahrzeugen eingesetzt werden“, sagt Gerstenmayer. Statt mehr zu investieren, werde zudem weniger investiert als je zuvor. Langfristig wird das die Abhängigkeit von anderen Nationen noch weiter verstärken.
Chipmangel dauert noch bis mindestens 2022
Doch auch massive Investitionen seitens der Chips-Hersteller können die aktuelle Krise nicht von heute auf morgen beenden. Aktuell werden von allen Herstellern Zusatzschichten gefahren, um den Bedarf zu decken. Dennoch wird es mit der Erholung des Marktes nicht so schnell voran gehen. Nissan, Suzuki und Mitsubishi müssen etwa die Produktion neuer Autos im Juni noch stark reduzieren. Im Automobilbereich wird der Halbleiter-Mangel die Produktion noch mehrere Monate verzögern.
Die Marktforscher von Gartner rechnen damit, dass sich die Engpässe erst im zweiten Quartal 2022 auf ein normales Niveau einpendeln werden. „Die weltweite Halbleiterknappheit wird das ganze Jahr 2021 hindurch anhalten“, heißt es seitens der Analyst*innen. Der Hersteller TSMC selbst rechnet sogar damit, dass auch das Jahr 2022 noch keine Entspannung bringen wird.
Was das für Nutzer*innen jetzt konkret bedeutet
Für Kund*innen bedeutet das, dass sie weiter mit Lieferverzögerungen rechnen müssen - und mit höheren Preisen. Alle Produkte, in denen Mikrochips drin sind, allen voran Grafikkarten, WLAN-Router, Spiele-Konsolen oder Autos werden teurer, weil die hohe Nachfrage auch die Preise nach oben treibt. Bei Grafikkarten ist etwa der Krypto-Boom Schuld daran, dass diese schwer vergriffen sind. Zum Schürfen von Coins benötigt man ein leistungsstarkes Modell, und durch den steilen Kurs nach oben stieg auch die Nachfrage nach Grafikkarten. Auch stark betroffen von der Chipkrise ist Sonys Playstation 5. Hier müssen Kund*innen weiterhin mit monatelangen Wartezeiten rechnen.
Smartphones und Laptops hingegen waren insgesamt bisher eher weniger betroffen, denn die Hersteller haben sich rechtzeitig mit Mikrochips eingedeckt, diese teilweise sogar regelrecht gehortet und die Mangelsituation für andere Branchen damit nur noch mehr verstärkt. Mit der Mobilfunkgeneration 5G sind nämlich aufwendigere Chips nötig, auch die Herstellung ist komplexer. Apple kämpfte bereits mit dem Chipmangel, Samsung könne deshalb die Vorstellung des neuen Galaxy Note sogar auf das nächste Jahr verschieben. Es ist zu erwarten, dass es auch hier in nächster Zeit zu Schwierigkeiten kommen wird.
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