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Die beste Schallplatte der Welt: Wie es nach der Pleite weitergeht

Das Konzept klang vielversprechend. Mit dem von ihm gemeinsam mit dem Forschungszentrum Joanneum entwickelten „High Definition Vinyl“ oder HD Vinyl wollte der Tullner Günter Loibl Schallplatten in bisher unerreichter Qualität ermöglichen.

Neben dem erhöhten Frequenzumfang sollte das digitale Verfahren, bei der die Toninformation mittels Laser anstatt eines Schneidestichels in die Plattenrillen gebrannt wird, die Spieldauer von Vinyl-Scheiben erhöhen und die Produktionskosten senken. Eine fertige HD-Vinyl-Scheibe hätte von herkömmlichen Plattenspielern abgespielt werden können.

Auf dem nach wie vor boomenden Schallplattenmarkt hätte HD Vinyl damit großes Potenzial gehabt. Das Projekt ist aber gescheitert – zumindest vorerst, wie Loibl der futurezone sagt. Mitte August musste seine eigens für die Entwicklung der neuartigen Schallplatte gegründete Firma Rebeat Innovation Insolvenz anmelden.

Nicht präzise genug

„Die digitale Technik war nicht präzise genug, das Audiosignal auf der Schallplatte abzubilden“, sagt der Gründer. Eine Präzision, wie sie etwa die Jahrzehnte alte Neumann-Schneidemaschine erreicht, lasse sich mit digitalen Mitteln noch nicht herstellen. Technisch sei dies erst in 10 bis 15 Jahren realistisch, sagt Loibl: Während die analoge Maschine mit einer Genauigkeit von unter einem Nanometer (ein Millionstel Millimeter) arbeite, habe man mit dem digitalen Verfahren lediglich um die 100 Nanometer erreicht.

Auch sei die Zeit knapp geworden. Neue Förderungen habe es nicht gegeben, die Geldgeber hätten zunehmend den Glauben an das Projekt verloren.

Wollte die Schallplatte verbessern und ist damit vorerst gescheitert: Günter Loibl

Geld verloren haben ausschließlich Gesellschafter, darunter auch Loibl, und Förderstellen. „Sonst gibt es keine Gläubiger“, sagt der Unternehmer. Insgesamt seien in den vergangenen 6 Jahren etwas mehr als 3 Millionen Euro in das Projekt geflossen. Aktiva von 1,3 Millionen Euro stehen heute laut dem alpenländischen Kreditorenverband Passiva von 2 Millionen Euro gegenüber.

Alternatives Verfahren

Aufgeben will Loibl das Projekt aber nicht. Er tüftelt bereits an einem alternativen Verfahren. Dabei soll vereinfacht ausgedrückt das analoge Audiosignal statt der digitalen Dateien den Laser steuern, der die Tonaufnahme auf die Pressmatrize schreibt. Die Entwicklung würde 12 bis 18 Monate in Anspruch nehmen, meint Loibl. Ohne Investoren sei sie aber nicht zu stemmen.

In den vergangenen Jahren habe man viel über alle möglichen Seiten der Produktion einer Schallplatte gelernt. Das wolle man nicht wegwerfen. So mussten etwa eigene Stamper aus Keramik entwickelt werden. Mit denen sollte das Vinyl gepresst werden, anhand der Pressmatrize, die zuvor mittels Laser gebrannt wurde.

"Wenn es funktioniert bist du der Held, wenn nicht bist du der Oarsch"

Günter Loibl, Gründer

In der Geschichte der Schallplatte habe es immer wieder Fehlschläge gegeben, sagt der Gründer. Auch der Wechsel von Schellackplatten auf Vinyl habe nicht auf Anhieb geklappt. „Wenn man nur das macht, das funktioniert, gibt es keine Innovation.“ In Österreich werde man jedoch skeptisch angeschaut, wenn man scheitere. Bei einer Insolvenz sei man gebrandmarkt: „Wenn es funktioniert bist du der Held, wenn nicht bist du der Oarsch“, sagt Loibl, der das aber „sportlich“ nehmen will.

Rebeat Innovation, das Unternehmen hinter HD Vinyl, ist nicht sein einziges Standbein. Sein Digitalvertrieb Rebeat Digital, mit dem er Musikern und Labels dabei hilft ihre Musik auf Streamingdienste wie Spotify, Deezer oder Apple Music zu bringen, zählt über 6.000 Kunden aus 129 Ländern und ist gut im Geschäft. Die von der Insolvenz des Schwesterunternehmens betroffenen Mitarbeiter*innen sind zum Großteil dort untergekommen.

Beteiligt ist der umtriebige Musikunternehmer auch an dem Start-up Legitary. Das spürt Betrugsfälle im Online-Streaming auf und arbeitet dabei mit so gut wie allen großen Labels der Branche zusammen. Im vergangenen Jahr wurde eine Niederlassung in den USA eröffnet.

Zahlen

Über 400.000 Schallplatten
wurden im vergangenen Jahr in Österreich verkauft

10,2 Millionen Euro
wurden 2021 mit den schwarzen Scheiben am heimischen Musikmarkt umgesetzt, das sind 12 Prozent mehr als im Jahr davor

6,4 Prozent
beträgt der Marktanteil von Vinyl-Platten am österreichischen Musikmarkt

51,3 Prozent
legten die Schallplattenverkäufe im vergangenen Jahr weltweit zu

Vinyl-Boom hält an

Anzeichen für eine Abflauen des seit Jahren anhaltenden Booms im Schallplattengeschäft sieht Loibl, der auch der Branchenvereinigung Vinyl Alliance vorsteht, nicht: Vinyl habe bereits der Corona-Krise getrotzt. Es gebe keinerlei Frühwarnzeichen, dass sich das Geschäft wegen der Inflation verlangsame: „Vinyl wächst weiter.“

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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