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Smartphones

Huawei P9 und P9 Plus im Hands-on: Die Leica-Wette

Jahrelang dominierten zwei Hersteller den Smartphone-Markt: Samsung und Apple. Doch zu dem relativ langweiligen Zweikampf gesellt sich mittlerweile ein dritter Hersteller und bringt den Markt wieder in Schwung. Huawei knackte 2015 als erst vierter Hersteller die Marke von 100 Millionen verkauften Smartphones - nur Nokia, Apple und Samsung gelang das zuvor. Der Konzern will das rasante Wachstum nutzen und hat sich für 2016 noch ambitioniertere Ziele gesteckt. Eines der zentralen Puzzlestücke dieses Plans: Das neue Flaggschiff P9.

Während die Huawei-Flaggschiffe in den vergangenen Jahren nur in der oberen Mittelklasse mitspielen konnten, geht Huawei dieses Jahr aufs Ganze. Ein Edel-Smartphone mit flotter Hardware und relativ günstigem Preis soll Samsung und Apple auch im High-End-Segment Marktanteile abknöpfen. Dabei bekommt man Hilfe vom deutschen Kult-Hersteller Leica. Der für seine kostspieligen Liebhaber-Kameras bekannte Hersteller stellt Know-How und seine Marke für das neue Flaggschiff bereit. Eine gewagte Partnerschaft, die aber zum Erfolgsrezept werden könnte.

Klein, aber bessere Haptik

Huawei setzt weiterhin auf einen 5,2 Zoll großen LC-Bildschirm, der mit FullHD auflöst. Damit trotzt man dem Trend der Branche, in der sich QuadHD als Standard für High-End-Smartphones etabliert hat. Das lässt zumindest auf eine lange Akkulaufzeit hoffen. Der Schärfe schadet die FullHD-Auflösung nicht, einzelne Pixel lassen sich mit dem freien Auge nicht erkennen. Auch die Farbdarstellung ist gut und kräftig, auch wenn sie an das satte Panel des Samsung Galaxy S7 nicht heranreicht. Dem kommt das P9 Plus, das in die Fußstapfen des P8 max tritt (zum futurezone-Test), etwas näher, das auf ein 5,5 Zoll großes AMOLED-Panel - ebenfalls FullHD-Auflösung - setzt. Der Unterschied fällt jedoch marginal aus.

In puncto Haptik hat sich das P9 spürbar verbessert. Die scharfen Kanten des Vorgängers wurden abgerundet, wodurch sich das relativ schmale Smartphone gut in einer Hand halten lässt. Es lässt sich zwar theoretisch auch mit einer Hand bedienen, dafür muss man den Daumen aber relativ stark strecken. Das griffige Aluminium macht einen hochwertigen Eindruck. Vom glatten P9 Plus, das im Hands-On relativ leicht aus der Hand rutschte, lässt sich das nicht sagen. Der Fingerabdruck-Sensor auf der Rückseite kann problemlos mit Apples und Samsungs Sensoren mithalten: Der Zeigefinger wurde im Bruchteil einer Sekunde erkannt und das Smartphone entsperrt.

Eine Eigenheit des P9 Plus: Der Bildschirm ist mit Force-Touch-Technologie ausgestattet, die verschiedene Druckstufen erkennen kann. So wird durch festes Drücken auf einzelne App-Icons ein Menü eingeblendet, das den raschen Zugriff auf ausgewählte Funktionen erlaubt, beispielsweise das Anlegen von Kalender-Einträgen. Das gestaltete sich im Kurztest aber relativ schwierig, da das 5,5-Zoll-Smartphone beim festen Drücken leicht aus der Hand kippte. Zudem war der Nutzen beschränkt, da nur wenige System-Apps diese Funktion unterstützen.

Die Faszination von Schwarz-Weiß

Wer bereits einmal mit einer Leica-Monochrom-Kamera fotografieren durfte, versteht die Faszination hinter dem Retro-Prinzip. Obwohl sie auf dem Papier modernen Kameras unterlegen sind - nur Monochrom-Aufnahmen, kein Autofokus sowie ein geradezu unverschämt hoher Preis - haben die detailreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen und die im klassischen Stil gebauten Kameras einen besonderen Charme. Meine wenigen Male mit der Monochrom M (zum futurezone-Test) waren holprig, dennoch verstehe ich, wieso sie trotz des relativ hohen Preises von 7200 Euro (nur Body) beliebt ist.

Lässt sich das Leica-Prinzip auch auf Smartphones übertragen? Die technischen Voraussetzungen sind vorhanden: Der zweite 12-Megapixel-Sensor nimmt lediglich Monochrom, also ohne Farbe, auf. Das sorgt dafür, dass die Aufnahmen besonders kontrastreich ausfallen und simple Schnappschüsse einen unerwartet professionellen Eindruck machen. Wer nun meint, dass er mit einem simplen Software-Filter den gleichen Effekt erzielen könnte, irrt. Die Aufnahmen, die ausschließlich mit dem Monochrom-Sensor angefertigt wurden, sind deutlich schärfer. Selbst das Rauschen bei Nachtaufnahmen hat hier einen gewissen Charme.

Vergleich macht sicher

Der Profi-Modus, in dem Belichtungsdauer, ISO-Wert, Tiefenschärfe und der Fokus geregelt werden können, lädt ebenso zum Spielen ein. Der erste Eindruck der Kamera ist daher gut, Leica-Fans dürften mit dem Monochrom-Sensor ihren Spaß haben - auch wenn die Qualität natürlich nicht im Ansatz an die kostspieligen Profi-Modelle heranreicht. Ein Fragezeichen steht allerdings noch hinter der Performance des Dual-Kamera-Setups. Erste Testaufnahmen bei Tageslicht sind gut gelungen und detailreich, allerdings fiel im Kurztest die relativ lange Verzögerung zwischen Betätigen des Auslösers und der Aufnahme negativ auf.

Zudem werden wir im Test auch die vollmundigen Versprechen von Huawei auf die Probe stellen, der die Konkurrenten Samsung und Apple stets hervorhob. So soll die Kamera rund 90 bzw. 270 Prozent mehr Licht aufnehmen können als das Samsung Galaxy S7 bzw. Apple iPhone 6s. Fest steht jedoch: UHD-Videoaufnahmen werden derzeit nicht unterstützt.

Charme lässt sich nicht bestreiten

Kann ein Hersteller von Schwarz-Weiß-Kameras Huawei dabei helfen, Apple und Samsung am Smartphone-Markt zu überholen? Die Kamera zeigte im Kurztest zumindest einen gewissen Charme und auch Design und Verarbeitung wissen zu überzeugen. Ob man tatsächlich in der Oberliga mitspielen kann, wird erst der direkte Vergleich mit dem Samsung Galaxy S7 und iPhone 6s zeigen - jene Geräte, mit denen sich Huawei im Rahmen der Präsentation unentwegt verglich.

Das Huawei P9 soll ab dem 16. Mai für 549 Euro (UVP) mit 32 Gigabyte Speicher erhältlich sein. Das P9 Plus soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen, der Preis in Österreich steht noch nicht fest. In anderen Märkten soll dieser bei rund 650 Euro liegen.

Warten auf Lite

Wer auf ein Hands-on mit dem günstigen P9 Lite gehofft hat, muss sich leider noch gedulden. Huawei zeigte das Budget-Smartphone auf der Pressekonferenz nicht und hielt sich auch mit weiteren Infos bedeckt. Einem Bericht zufolge soll es allerdings, wie das P9, über einen 5,2 Zoll großen LC-Bildschirm mit FullHD-Auflösung, 16 Gigabyte internen Speicher sowie die gleiche 8-Megapixel-Selfie-Kamera verfügen. Lediglich auf das Dual-Kamera-Setup wird verzichtet.

Was wollt ihr vom P9 wissen? Schickt uns eine E-Mail oder hinterlasst uns einen Kommentar. Wir sammeln euer Feedback und gehen dem im Test nach.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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