Nokia 8110 in "Banana Yellow"

Nokia 8110 in "Banana Yellow"

© Gregor Gruber

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Nokia 8110 im Test: Die Entschleunigungs-Banane

Es gibt Dinge, die brennen sich in das Gehirn ein. Dazu gehört das Original Nokia 8110 aus dem Jahr 1996. Neidisch blickte man auf das Highend-Handy mit der krummen Form und der coolen Tastenabdeckung, das das eigene Ericsson GA 628 oder Alcatel One Touch Easy noch schäbiger erscheinen ließ, als es ohnehin war. Leisten konnten oder wollten es sich damals nicht allzu viele: Mit rund 7000 Schilling (508 Euro, nicht inflationsbereinigt) war es zu dieser Zeit eines der teureren Handys am Markt.

Als das Nokia 8110 dann auch noch im Blockbuster-Film Matrix (1999) prominent zu sehen war, wurde aus dem Bananen-Handy das Matrix-Phone und ein popkulturelles Kultobjekt. Wer dem verpassten Kindheitstraum des krummen Mobiltelefons mit Actionfilm-Ambitionen noch immer nachweint, kann seine Tränen trocknen. Denn HMD Global bringt das Nokia 8110 zurück – für leistbare 89 Euro.

Banane oder Matrix

Das Feature-Phone ist in zwei Farben verfügbar: Klassisch Schwarz oder selbstironisch Gelb. Die Farbe heißt laut HMD sogar „Banana Yellow“. Das 8110 ist gut verarbeitet, ohne unschöne Spalten. Trotz des für heutige Verhältnisse niedrigen Gewichts von 117 Gramm wirkt es relativ robust.

Lediglich die Schiebeklappe für die Tasten lässt sich im geschlossenen Zustand zur Seite bewegen, was wohl den günstig produzierten Einrast-Mechanismus zu schulden ist. Die Klappe hat übrigens keine Feder gebaut. Auch das Original-8110 hatte das nicht. Der in Matrix zu sehende Federmechanismus wurde nur für den Film eingebaut, war später aber in einem anderen Nokia-Modell, dem 7110, zu finden.

Flache Tasten

Aber immerhin kann man durch Aufschieben des Deckels Telefongespräche annehmen und durch das Schließen auflegen. Die einzig außenliegende Taste ist die Standby/Power-Taste. Im Gegensatz zum Original-8110 gibt es keine außenliegenden Lautstärke-Tasten.

Natürlich ist das gesamte Neu-Neo-Phone kleiner als das Original und auch das Tastenfeld ist flacher. Für meine normalgroßen Hände und Finger war das Tippen von Nachrichten ok – wenn auch furchtbar langsam. Die Vier-Wege-Navigationstasten sind allerdings so klein, dass ich oft das Gefühl hatte, ich müsse diese mit dem Fingernagel drücken, um nicht eine benachbarte Taste zu erwischen.

So langsam

Nicht nur das Tippen ist langsam, auch alles andere am 8110 ist behäbig. Obwohl es mit KaiOS ein Betriebssystem hat, das speziell für solche leistungsschwachen, Touchscreen-losen Geräte gemacht ist, ist es elendig langsam. Zwar gibt es eine 4G-Datenverbindung, das hilft aber nicht, wenn der Browser ewig zum Aufbauen der Seite braucht und beim Navigieren in den Menüs manchmal bis zu eine Sekunde Verzögerung zwischen Tasteneingabe und Reaktion liegt.

Immerhin bietet das 8110 ein paar nützliche Apps, abgesehen von Snake (nicht das Original, buh). Aber auch bei denen klappt nicht alles, wie es sollte. Das Einrichten von Gmail hat erst beim elften Versuch geklappt. Das Outlook-Exchange-Konto wurde verweigert. Der Google-Kalender konnte überhaupt nicht eingerichtet werden, obwohl es diese Option in der App gibt.

Kaum Apps

Die eingeschränkte Google-Maps-App funktioniert akzeptabel. Allerdings fehlt die Echtzeit-Turn-by-Turn-Navigation und es gibt weniger Informationen, als bei der richtigen Smartphone-App.

Was schmerzlich abgeht beim 8110 sind Kommunikations-Apps. Facebook, und Co fehlen, lediglich Twitter kann im KaiOS-eigenen App Store heruntergeladen werden. Sollte das Betriebssystem zukünftig auf vielen Feature-Phones zum Einsatz kommen, werden vermutlich Messenger-Apps ihren Weg in den App Store finden.

Es gibt noch eine Wetter-App, das war es dann aber auch schon mit sinnvollen Apps. Ansonsten sind im Store nur ein paar Spiele.

Ausstattung

Das 8110 hat einen Doppel-SIM-Slot. Ein Slot fungiert auch als Einsteckplatz für eine Micro-SD-Karte. Der 1500-mAh-Akku kann gewechselt werden. Dieser reichte im Test locker für drei Tage. Das liegt auch daran, dass ich das 8110 im Alltag viel seltener verwendet habe als ein normales Smartphone. Denn ich konnte weder meinen Kalender, meine Mail-Konten, Messaging, noch Instagram oder meine anderen Apps nutzen. Statt Spotify gibt’s nur Ukw-Radio und den eingebauten MP3-Player.

Außerdem muss man beim 8110 auf den üblichen Smartphone-Komfort verzichten. So gibt es zwar Benachrichtigungen, aber keine Benachrichtigungs-LED. Die Display-Helligkeit muss man manuell einstellen und dazu erst in den Menüs wühlen.

Die 2-Megapixel-Kamera ist so wie man sie sich vorstellt: Bei gutem Licht ist sie nicht völlig unbrauchbar, aber Smartphones um die 100 Euro fabrizieren bessere Ergebnisse.

Fazit

Das Nokia 8110 ist ein Sieger der Herzen - ein sympathischer Loser. Für das von der Matrix simulierte Jahr 1999 wäre es Hightech gewesen. Das 8110 ist zwar nicht so unbrauchbar wie das Remake des Nokia 3310, aber aufgrund der fehlenden Apps auch nicht alltagstauglich.

Das muss es auch nicht sein. Es ist eine Spielerei, ein Zweit-Handy, dass man gelegentlich ausführt, wenn man besonders hip oder nur im Notfall erreichbar sein will, ohne sich ständig von WhatsApp oder Instagram ablenken zu lassen. Ich mag wie das 8110 aussieht und seine Haptik. Es hat einfach etwas, den Schiebemechanismus zu bedienen und die ungläubigen Gesichter der Menschen in der U-Bahn zu beobachten, wenn man beginnt ein Mail auf dem Tastenfeld zu beantworten. Die eine Hälfte hält einen vermutlich für einen Über-Hipster, die andere für bescheuert.

Wäre mir der Spaß 89 Euro wert? Nein. Da es das 8110 aber schon jetzt kurz nach dem Erscheinen für 80 Euro gibt, wird der Preis vermutlich noch weiter sinken. Bei 60 Euro würde auch ich zum Bananen-Telefonierer werden.

 

Technische Daten des Nokia 8110 auf der Website des Herstellers

Gewinnspiel

Falls Ihr euch gefragt habt, warum wir gleich zwei der Bananenhandys getestet haben: Damit wir euch eines davon geben können. Mit freundlicher Unterstützung von HMD Global könnt ihr bis zum 9. August ein 8110 in Schwarz gewinnen.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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